Herne. . Der Wissenschaftler Fabian Scheidler war zu Gast im Herner Literaturhaus. Seine Thesen wurden lebhaft diskutiert.
In der Reihe „Bedrohte Erde“ hat Fabian Scheidler am Donnerstagabend im Herner Literaturhaus sein neues Buch „Chaos – Das neue Zeitalter der Revolutionen“ vorgestellt. Seine Thesen stießen auf lebhafte Resonanz – und wurden in vielen Gesprächen diskutiert.
Anschaulich beschreibt der Wissenschaftler, wie unsere Gesellschaft im Teufelskreis der endlosen Kapitalakkumulation gefangen sei, die der moderne Staat durch seine Institutionen ermöglichen müsse. Reinvestition und damit Kapitalvermehrung funktionierten nur durch Wachstum aufgrund von billigen Rohstoffen und Arbeitskräften, heißt es. Und: Die Zweiteilung in Arm und Reich sei Voraussetzung des Systems. Ideologien wie Religion, aber auch Zivilisation, Fortschritt und Entwicklung legitimierten sie über das Zeitalter der Kolonialisierung hinaus.
Gefangen in einer Logik des „Immer mehr“
Die Zerstörung von Lebensraum durch Rohstoffausbeutung stürze aber arme wie reiche Länder in eine sozial-ökologische Krise. Und sie sei innerhalb des Systems nicht zu lösen. „Wir sind gefangen in einer Logik des ,Immer mehr!, wo wir doch eine Logik des Weniger bräuchten“, so der Bochumer.
Der Gast fordert ein radikales Umdenken. Aber wer gestaltet den Wandel und wie wird er aussehen? Tödliche Ordnungsversuche seien Polizeigewalt, Subventionen und Anhäufung von Schuldenbergen durch billige Kredite. Scheidler strebt dagegen einen Umbau der gesellschaftlichen Prozesse nach dem Vorbild des Wirtschaftsmodelles von John Maynard Keynes an: Der Staat soll durch Besteuerung großer Vermögen Arbeitszeitverkürzungen über ein nach ökologischen Kriterien ausgerichtetes Investitionsprogramm im Stil eines Green New Deal finanzieren.
In der Diskussion werden Bewegungen wie „Fridays for Future“ angesprochen, und auch nach Scheidlers Wahrnehmung sind große Entwicklungen bisher nicht von Regierungen, sondern von unten angestoßen worden, durch zivilen Ungehorsam.