Herne. . Der alte masurische Betsaal ist ein Schmuckstück und wartet auf bessere Zeiten. Besitzer Nenad Ilic nutzt das sakrale Gebäude als Möbellager.
Ein geheimnisvoller Ort mitten in Herne, den kaum jemand kennt. Ein einzigartiger städtebaulicher Komplex aus Mietshäusern und einer Basilika im Miniaturformat mittendrin. In einer Art Hinterhof, den man nur durch eine Toreinfahrt an der Düngelstraße in Altenhöfen erreichen kann, findet man das ehemalige masurische Gebetshaus. Es ist ein außen wie innen liebenswertes Schmuckstück, ein Kleinod, das unter Denkmalschutz steht – vor allem aber unter dem Schutz von Nenad Ilic.
Masurische Christen waren in der Regel evangelisch, recht früh trug die Reformation Martin Luthers im ehemaligen Ostpreußen und heutigen Polen Früchte. Die Menschen, die Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts ihre Heimat verließen, um im Ruhrgebiet Arbeit vor allem im Bergbau zu finden, trafen hier auf eine überwiegend katholische Bevölkerung. Mitten in Herne wurde 1908 das Bethaus errichtet, finanziert von einem Bauverein, der sich „Gott mit uns in Herne“ nannte. Mit seinen runden Fensterbögen reiht sich das Bethaus architektonisch in die neoromanischen protestantichen Gotteshäuer des ausgehenden 19. Jahrhunderts ein.
Platz für 650 Gläubige
Rund 1000 Mitglieder soll die masurische Gemeinde in Herne vor gut 100 Jahren gezählt haben, 650 Gläubige fanden hier Platz. Der Backsteinbau mit seinen bunten Fenstern und dem Metallkreuz auf dem Giebel zeugt von einem wesentlichen Teil der Ruhrgebietsgeschichte und wartet – so scheint es – sehnlichst darauf, dass er wieder gesegnete Zeiten erleben darf.
Denn zurzeit nutzt es Nenad Ilic mit seinem Entrümpelungsdienst als Lager. Alte Möbelstücke, Lampen im 70er-Jahre-Design, Gemälde von zweifelhafter künstlerischer Qualität und allerhand mehr türmt sich im Innern. Und über allem thront eine Jesus-Skulptur, ein Messias, der in den Himmel auffährt und dem seine Jünger oder Hirten – man weiß es nicht – huldigen.
Nenad Ilic ist in das alte Bethaus geradezu vernarrt, wollte sogar schon selbst dort einziehen: „Aber meine Frau hat nicht mitgespielt.“ Er achtet bei Renovierungsarbeiten darauf, dass alles möglichst originalgetreu restauriert wird, die Untere Denkmalbehörde steht ihm dabei beratend zur Seite. Bei der Renovierung der Außenwand waren keine Backsteine mehr aufzutreiben, wie sie vor 100 Jahren gebrannt wurden: „Da habe ich mir Farbe gemischt und die Steine so angemalt, dass sie aussehen wie die alten.“
Sogar Olivenbäume wachsen jetzt auf einer Seite des alten Gotteshauses. Darauf ist Ilic stolz, es gibt dem Ambiente einen geradezu biblischen Charakter. „Das ist christliches Kulturgut, das muss man bewahren“, sagt Ilic. Schon lange wird in den weiß getünchten Wänden nicht mehr gebetet und gesungen. Irgendwann habe es eine Herner Familie gekauft, berichtet der jetzige Besitzer. „Damals gehörte noch ein Zehnfamilienhaus dazu.“ Was aus dem Schmuckstück einmal werden könnte, schwebt Ilic schon vor: „Das wäre ideal für Künstler-Ateliers oder Büros einer Kanzlei.“ Einen himmlischeren Arbeitsplatz kann man sich kaum vorstellen.