Herne. . Anlässlich des Arbeitnehmerempfangs der Stadt Herne in den Flottmann-Hallen kritisierten die Redner ein Auseinanderdriften der Gesellschaft.

„Arm ohne Arbeit“ aber auch „arm trotz Arbeit“ sei in Herne und Wanne-Eickel weiterhin ein erstrangiges Thema: Das machte der DGB-Stadtverbandsvorsitzende Eric Lobach beim Arbeitnehmerempfang der Stadt im Vorfeld des 1. Mai am Montagabend in den Flottmann-Hallen deutlich. Lobach differenzierte mit seiner Kritik an der Wirtschafts- und Sozialpolitik der Stadt das überwiegend positiv gezeichnete Bild von den Lebensverhältnissen und Perspektiven in Herne, das Oberbürgermeister Frank Dudda zuvor in seiner Rede gezeichnet hatte.

Fast jedes zweite Kind in Hartz-IV-Verhältnissen

„Wenn in Herne fast jedes dritte und in einigen Stadtteilen beinahe jedes zweite Kind in Hartz-IV-Verhältnissen lebt und seit Jahren immer wieder neue Studien belegen, dass sich die soziale Lage vieler Menschen eher verschlechtert, als verbessert, dann läuft etwas grundsätzlich schief“, kritisierte Lobach. Das sei auch eine Folge der Unternehmenspolitik in der Herner Privatwirtschaft: Hier sei es ein zunehmendes Problem, dass Unternehmen wie etwa Vulkan oder der Handelsriese Real aus der Tarifbindung ausstiegen, um das Tarifniveau und damit wiederum die Kaufkraft in Herne abzusenken. „Wenn wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass in Herne die Anzahl derjenigen, die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Anspruch nehmen müssen, im Zeitraum von 2007 bis 2017 um 1875 Personen und damit um fast 50 Prozent gestiegen ist, dann können wir nicht unter den Teppich kehren, dass die Armut im Alter hier rapide ansteigt“, so Lobach weiter. Der Gewerkschafter appellierte an seine rund 100 Zuhörer in den Flottmannhallen, an der Europawahl am 26. Mai teilzunehmen und nationalistische Parteien wie die AfD abzuwählen.

In Herne wohnen mehr Jugendliche als anderswo

Eric Lobach, Vorsitzender des DGB-Stadtverbandes Herne, kritisierte, dass sich die soziale Lage in Herne verschlechtere.
Eric Lobach, Vorsitzender des DGB-Stadtverbandes Herne, kritisierte, dass sich die soziale Lage in Herne verschlechtere. © Klaus Pollkläsener

Oberbürgermeister Frank Dudda forderte sein Publikum auf, „dafür zu sorgen, dass sich die Gesellschaft nicht weiter auseinander spreizt.“ Eine „schöne Entwicklung“ sah er in der Bevölkerungspyramide Hernes, wo es mehr Jugendliche gebe als anderswo: „Das zeigt, dass Jugendliche stärker in der Region bleiben, als es uns erzählt wird“. Dann ging Dudda zum Angriff auf ZDF-Studien über die Lebensverhältnisse in deutschen Städten über, aus denen sich Herne bekanntlich ausgeklinkt hat. „Macht doch eure Umfrage alleine, da kommt doch sowieso immer das Gleiche heraus“, schimpfte der Oberbürgermeister und nannte ein Beispiel für eine fehlerhafte Recherche bei der ZDF-Studie: „Man sagt uns, wir seien die hässlichste Stadt Deutschlands, weil wir die wenigsten Übernachtungsgäste haben. Dabei wird aber nicht berücksichtigt, dass allein zur Crange Kirmes vier Millionen Gäste kommen.“ Auch die errechnete Krankenhausquote des ZDF sei angesichts der enormen Krankenhausdichte Hernes „völliger Unfug.“

Auch Dudda, selbst seit 26 Jahren Mitglied der Gewerkschaft IGBCE, forderte seine Zuhörer auf, zur Europawahl zu gehen: Europa sei nicht nur ein Friedens-, sondern auch ein Wohlstandsobjekt.