Die evangelische und die katholische Kirche verlieren in Herne weiterhin Mitglieder durch Austritte. Dafür gibt es verschiedene Gründe.
Die Kirchen verlieren weiterhin in erheblicher Zahl an Mitgliedern. 289 Frauen und Männer im Stadtgebiet von Herne sind nach Angaben der Amtsgerichte von Herne und Wanne-Eickel im vergangenen Jahr aus der evangelischen und 245 aus der katholischen Kirche ausgetreten. Für die protestantischen Gemeinden ist das der höchste Wert seit 2015. Damals kehrten 346 Mitglieder der Kirche den Rücken. Für die katholischen Gemeinden ist die Zahl genauso hoch wie bereits 2016.
Verändertes religiöses Verhalten
Die Entwicklung hat nach Ansicht des katholischen Dekanatsreferenten Heinz Otlips mehrere Gründe. Sicherlich, so räumt er ein, haben die Skandale um die sexuellen Vergehen von Priestern an Kindern die Auswirkung, dass sich Menschen von der Kirche abwenden. Der Umgang mit diesem Thema werde auch weiterhin besondere Bedeutung haben. Doch nach Ansicht von Otlips sind schon seit Jahren erhebliche Veränderungen im religiösen Verhalten vieler Menschen zu beobachten. Beispielsweise lassen immer weniger junge Familien ihre Kinder gleich nach der Geburt taufen. Oftmals sollen die Mädchen und Jungen die Entscheidung selbst treffen, wenn sie älter geworden sind. Als weiteres Beispiel nennt Otlips die Beisetzungen. Immer weniger Angehörige wünschen sich einen Gottesdienst, ihnen genügt meist eine Trauerfeier mit religiösen Elementen.
Es sei eine Distanz zu kirchlichen und christlichen Riten zu erkennen, erläutert Otlips. Zudem werden nach seiner Meinung auch die Möglichkeiten geringer, Kontakt zur Kirche zu bekommen oder Gemeindeleben zu erfahren. Die Zeiten einer Volkskirche, „der manche nachtrauern“, seien vorbei. „Wir haben längst eine Situation, in der nicht mehr alle Angebote an allen Orten aufrechterhalten werden können“, so Otlips. Herne habe aber - im Gegenteil zu Gemeinden auf dem Lande - den Vorteil, dass Gemeindehäuser recht nahe beieinander liegen. Werde beispielsweise ein Treffpunkt gestrichen, sei der Weg zu einem alternativen Angebot nicht weit.
Kirchen reagieren auf Entwicklung
Der Evangelische Kirchenkreis habe auch längst auf die zurückgehenden Zahlen reagiert, sagt Öffentlichkeitsreferent Arnd Röbbelen. Die Entscheidung, Gemeinden zusammenzulegen, sei vor allem deshalb getroffen werden, weil durch die geringeren Mitgliederzahlen auch die Einnahmen bei den Kirchensteuern sinken. Ähnlich wie auf katholischer Seite verändert sich bei der evangelischen Kirche das Programm der Gemeindehäuser. Sie haben thematische Schwerpunkte und decken meist nicht mehr die sonst übliche Angebotspalette ab, von der Jugendgruppe bis zum Seniorentreff.
Nach Aussage von Röbbelen bekommt es die evangelische Kirche durchaus zu spüren, wenn die katholische Kirche in die Schlagzeilen gerät. Die hohen Austrittszahlen des Jahres 2015 seien unter anderem damit zu erklären, dass genau in dieser Zeit das Finanzgebaren des damaligen Limburger Bischofs Tebartz van-Elst für Aufregung sorgte.
Ein Eintritt auf fünf Austritte
Wenn Menschen aus der Kirche ausgetreten sind, seien einige von ihnen erstaunt, dass ihnen von da an bestimmte Möglichkeiten nicht mehr zustehen, wie beispielsweise eine kirchliche Trauung, so Otlips. Nach seinen Erfahrungen ist vielen Leuten auch überhaupt nicht bewusst, dass Kirche vielseitig unterwegs ist. „Gerade das soziale Engagement, das sich unter anderem in der Arbeit der Caritas zeigt, bringt eine Reihe von Menschen nicht in Zusammenhang mit Kirche“, meint der Referent.
In den vergangenen Jahren haben auch alle Gemeinden (Wieder-)Eintritte verzeichnen können. Das Verhältnis für die evangelische Kirche beschreibt Röbbelen wie folgt: „Auf fünf Austritte kommt ein Eintritt“. Auf der katholischen Seite lagen die Zahlen meist in unteren zweistelligen Bereich.