Herne. . IHK-Präsident Wilfried Neuhaus-Galladé und der Herner Reifenhändler Christian Stiebling haben über den Wert von Familienunternehmen diskutiert.
Betriebsbesuche - die sind beim Herner Reifenhändler Stiebling keine Seltenheit, ist doch die Runderneuerung von Lkw-Reifen ein durchaus ungewöhnliches Geschäft. Auch die WAZ schaute sich mit Lesern bereits an der Jean-Vogel-Straße um. Dieser Tage hatte Inhaber Christian Stiebling wieder einen Gast in seinen Räumen: Wilfried Neuhaus-Galladé, Präsident der IHK Mittleres Ruhrgebiet und Inhaber des weltweit agierenden Hebezeug-Produzenten J.D. Neuhaus aus Witten.
Ältester Maschinenbauer in Deutschland
So weit die Geschäftsfelder von Stiebling und J.D. Neuhaus auseinanderliegen mögen: Was sie verbindet, ist die Tatsache, dass beides Familienunternehmen sind. Stiebling, das in der vierten Generation besteht, feiert in diesem Jahr sein 90-jähriges Bestehen, J.D. Neuhaus existiert mittlerweile seit mehr als 270 Jahren. Wilfried Neuhaus-Galladé führt das Unternehmen in der siebten Generation, „wir sind der älteste Maschinenbauer in Deutschland“, so Neuhaus-Galladé.
Da stellt sich die Frage, wie es Unternehmen schaffen, über einen so langen Zeitraum am Markt bestehen zu können und vielleicht sogar in ihrer Branche führend zu sein. Ein wichtiger Faktor sei, berichten beide übereinstimmend, dass familiengeführte Unternehmen nicht in Quartalsberichten denken (müssen), sondern eben in Generationen.
Alt und Jung als Sparringspartner
Das mag ein Vorteil sein, allerdings müsse klar sein, dass Familie und Unternehmen unterschiedliche Systeme seien. Und es müsse klare Spielregeln geben, wenn die Familie einen Betrieb führt. In seiner Familie gebe es sogar eine Art Verfassung, erzählt Neuhaus-Galladé - und gesteht zugleich, dass er mit seinen Kindern Ärger bekommen habe, weil er gegen diese Verfassung verstoßen habe. Er hatte seine Kandidatur für die IHK-Präsidentschaft nicht mit seinen Kindern abgestimmt, doch die Familienverfassung lege fest, wie man sich in der Öffentlichkeit bewege.
Wer in Generationen denkt, muss allerdings auch den Übergang an den Nachwuchs organisieren. Es gibt genug Beispiele von Firmen-Patriarchen, die nicht loslassen wollten und so die Existenz des Unternehmens gefährdeten. Für Neuhaus-Galladé bringt die Kombination aus der Naivität der Jugend und der Erfahrung des Alters Erfolg. Er sieht Vater und Sohn oder Tochter als Sparringspartner. Es sei wichtig, zum richtigen Zeitpunkt neue Gedanken und Ansätze in die Firma zu bringen, weil die alten Rezepte irgendwann am Ende seien. So erkannte Neuhaus-Galladé früh die Möglichkeiten der Digitalisierung. Christian Stiebling hat beim Thema Nachfolge längst gehandelt. Sein Sohn Alexander arbeitet seit einiger Zeit mit im Unternehmen. Christian Stiebling, der die 60 gerade erreicht hat, sagt im Scherz: „Ich muss sehen, dass mein Gesicht langsam verschwindet.“
„Extrem wichtig für Zusammenhalt der Gesellschaft“
Das Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung hat in einer Studie die Bedeutung von Familienunternehmen für die deutsche Volkswirtschaft untersucht.
Demnach werden 91 Prozent aller Unternehmen von Familien kontrolliert, auf sie entfallen 57 Prozent der Gesamtbeschäftigung. Das Beschäftigungswachstum zwischen 2006 und 2014 war bei Familienunternehmen dynamischer als bei anderen Firmen.
Für Stiebling und Neuhaus-Galladé sind Familienunternehmen „extrem wichtig“ für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, viele Dinge in einer Stadt gebe es nicht ohne ihr Engagement. Darüber hinaus vermittelten Familienunternehmen wichtige Werte an ihre Mitarbeiter.