Herne.. Ein Gespräch mit Corinna Panitz, Leiterin der neuen Herner Hebammenschule der St. Elisabeth-Gruppe in Börnig. Die Schule eröffnet am 1. März.
Ab dem 1. März wird es an der neuen Hebammenschule der St. Elisabeth-Gruppe möglich sein, in Herne eine Ausbildung zur Hebamme zu beginnen. Corinna Panitz ist die Leiterin der Schule, die WAZ sprach mit ihr über Herausforderungen bei der Ausbildung von Fachkräfte-Nachwuchs.
Warum braucht es eine solche Schule in Herne?
Corinna Panitz: Der Bedarf an Hebammen in Deutschland ist groß, viele Frauen suchen händeringend nach Hebammen. Dem wollen wir mit der neuen Hebammenschule entgegenwirken. Herne ist dafür ein perfekter Standort, wir sind mittendrin im Ruhrgebiet. Mit den Ausbildungsplätzen möchten wir den Bedarf in den eigenen Häusern langfristig sichern und tragen auch dazu bei, dass mehr Hebammen in der Region ausgebildet werden können.
Als Leiterin sind Sie nun verantwortlich für den kompletten neuen Aufbau der Schule. Wie blicken Sie auf Ihre Rolle?
Ich blicke mit Freude auf die Möglichkeiten, was alles neu gestaltet werden kann. Zumal ich hier durch die Krankenpflegeschule und die Akademie für Logopädie, Physio- und Ergotherapie auf Strukturen aufbauen kann, die bereits vorhanden sind. Es muss nicht alles von Grund auf neu aufgebaut werden. Es gibt viele Chancen, und ich kann alles so gestalten, wie ich es gerne hätte.
Mit was für Herausforderungen sehen Sie sich derzeit konfrontiert?
Worauf es ankommt, ist ein Curriculum zu entwickeln, das auf die Geburtshilfe abgestimmt ist. In der letzten Zeit hat mich die Bewerberauswahl beschäftigt. Die ersten Bewerbungsgespräche waren Ende November. Wir hatten seitdem ungefähr fünf Termine, mit 15 Gesprächen am Tag. Aufgrund der hohen Bewerberzahlen beantragen wir gerade bei der Bezirksregierung Arnsberg die Zahl der Ausbildungsplätze von 20 auf 30 Plätze zu erhöhen. Wir gehen davon aus, dass das klappt. Wir werden darüber hinaus auch die einzige Schule in Nordrhein-Westfalen sein, die auch ab Herbst einen Ausbildungsjahrgang startet.
Das ist erfreulich. Was sollten denn weitere Bewerber, die eine Ausbildung beginnen wollen, mitbringen?
Vor allem Begeisterung für den Beruf. Was ich dringend empfehle – aber nirgendwo vorgeschrieben ist – ist ein Praktikum im geburtshilflichen Bereich. Da können die Bewerber erfahren, wie es ist, im Kreißsaal zu sein, wie die Gerüche und die Lautstärke auf einen wirken. Das ist nicht für jeden was. Viele bewerben sich bewusst, weil sie es schon ausprobiert haben und sie sicher sind, dass sie es wollen.
Was braucht es denn grundsätzlich für Eigenschaften in dem Beruf?
Der Beruf erfordert Motivation. Vor allem braucht es in dem Beruf einen ideellen Wert: den Wunsch, Frauen in dem Prozess begleiten zu wollen, mit dem Partner eine Familie zu werden. Das ist eine hohe Verantwortung. Außerdem braucht es Empathie. Eine Hebamme sollte wissen, wann sie sich zurückziehen sollte. Im Kreißsaal etwa, wenn die neue Familie die ersten gemeinsamen Momente erlebt, sollte sie dem nicht im Wege stehen.
Gesundheitsminister Jens Spahn hat eine Reform der Hebammenausbildung angekündigt, statt einer Ausbildung soll es ein Studium geben: Wie werden Sie an Ihrer Schule damit umgehen? Stellt das Ihre Planungen auf den Kopf?
Ich befürworte das sehr. Wir brauchen die Gesetzesänderung sogar noch dieses Jahr dringend: Laut einer EU-Richtlinie muss die Hebammenausbildung in allen EU-Ländern bis Januar 2020 an die Hochschulen überführt werden. Die Zeit drängt. Sobald die notwendigen Gesetzesänderungen verabschiedet sind, planen auch wir in Kooperation mit einer Fachhochschule Bachelorabschlüsse zu ermöglichen.
Welche Vorzüge kann ein Studium im Gegenzug zu einer Ausbildung mit sich bringen?
Da in allen anderen EU-Ländern nur über ein Studium möglich ist, Hebamme zu werden, ist zunächst einmal die Vergleichbarkeit im Ausland einfacher. Wichtig ist, dass damit der Übergang zur Forschung und Lehre besser möglich ist. Es ist ja ein medizinischer Beruf, und Hebammen können dann an ihren Themen mitarbeiten. Damit wäre die Wissenschaft fachlich fundierter und nicht nur von Medizinern bestimmt. Auch ein Aufstieg im Krankenhausmanagement wäre denkbar.
Man liest vielfach von schlechten Arbeitsbedingungen für Hebammen und mangelnder Anerkennung: Wie kann mehr Nachwuchs rekrutiert werden, wenn der Beruf nach außen hin oft wenig attraktiv erscheint?
Alles, was mir entgegenkommt, ist dass es ein toller Beruf ist. Die Arbeitsbedingungen sind nicht gut, aber wir tun alles dafür, dass sie besser werden. Wenn mehr Hebammen auf dem Markt sind, dann sind auch die Bedingungen besser, weil mehr Anfragen bedient werden können. Das Verrückte ist ja, dass wir ausreichend Bewerberzahlen haben – trotz negativen Berichterstattungen lassen sich viele nicht beeinflussen.
Müssen wir an einer Image-Verbesserung des Berufsbildes arbeiten?
Diejenigen, die sich bewerben, entscheiden sich bewusst dafür, weil sie sagen, der Beruf gibt mir so viel. Die wenigsten sagen aber, den Beruf wollte ich schon immer machen. Viele kommen durch Zufall darauf. Schade ist, dass die Hebamme für viele erst mit der Schwangerschaft Bedeutung erhält. Schöner wäre es, wenn von Anfang an klar wäre, dass die Hebamme die Fachfrau rund um Schwangerschaft und Geburt ist – das fängt schon bei der Verhütungsberatung an.
Nun ist es ja ein klassisch weiblicher Beruf – ist es auch denkbar, Männer für den Beruf zu gewinnen?
In Holland gibt es meines Wissens nach viel mehr männliche Geburtshelfer als hier in Deutschland. Genauso wie es jungen Frauen auf Jobbörsen vermittelt wird, dass sie in Männerberufe gehen sollen, fände ich es andersherum auch erstrebenswert. So manche Kreißsaalteams könnten so aufgelockert werden. In Deutschland gibt es nur zwei bis drei männliche Entbindungspfleger. Es ist ein klassicher Frauenberuf, aber das sollte sich ändern.
Warum lohnt es sich für Sie, Hebamme zu sein?
Weil es ein abwechslungsreicher Beruf ist, der mir viel zurückgibt. Ich kann daran teilhaben, wie aus zwei Menschen eine Familie wird und wie neues Leben auf die Welt kommt. Auch wenn ich in der zweiten Reihe beteiligt bin. Ich kann dabei helfen, diesen Lebensumbruch so zu gestalten, dass es kein Umbruch wird