Herne. . Der Mangel an Fachkräften zeigt sich auch in der Region Herne. Dennoch: Vollständige Statistiken liegen Behörden und Instituten nicht vor.

So allgegenwärtig das Phänomen Fachkräftemangel ist, umso schwieriger ist es, dieses in einem Gesamtbild zu erfassen. Zahlenmäßig gesehen, ist es in der Tat nicht erfassbar: Weder bei Arbeitsagenturen liegen allumfassende Statistiken vor, noch bei Institutionen wie der Industriehandelskammer oder der Kreishandwerkerschaft.

Keine Erfassung möglich

„Betriebe sind nicht verpflichtet, unbesetzte Stellen bei uns zu melden“, sagt Anja Greiter von der Arbeitsagentur für Bochum und Herne. Deshalb könne es sein, dass eine offene Stelle wieder besetzt werde, ohne dass sie je bei der Arbeitsagentur eingegangen sei. Eine vollständige Erfassung von offenen Stellen auf dem Arbeitsmarkt sowie besetzten Stellen in allen Unternehmen ist insofern nicht möglich.

Wie aus einer statistischen Auswertung der Arbeitsagentur, die der WAZ vorliegt, hervorgeht, gilt das auch für den Ausbildungsmarkt. Während in Berufsbranchen wie kaufmännischen Dienstleistungen, Verkaufsberufen und Buchhaltung Ausbildungsplatz-Zahlen im tausendstelligen Bereich vorliegen, gibt es an gleicher Stelle zum Teil keine Angaben. So bei medizinischen Gesundheitsberufen der Altenpflege, der Therapie und Heilkunde.

Arbeitsagentur ermittelt Trend

Zur Messung und Identifizierung des Fachkräftemangels gibt es laut Angaben der Arbeitsagentur nicht die eine Kennzahl. Die Agentur stützt sich zur Ermittlung des Bedarfs an Fachkräften auf die Engpassanalyse, eine Auswertung die unter anderem die sogenannte Vakanzzeit als ein grundlegendes Merkmal zur Hand nimmt: Also den Zeitraum von der Ausschreibung bis zur Besetzung einer ausgeschriebenen Stelle. Wenn die Besetzung einer Stelle nicht zum gewünschten Zeitpunkt erfolgen kann und Angebot und Nachfrage infolgedessen nicht zusammenkommen, tritt laut Definition der Agentur ein „Engpass“ ein.

Vakanzzeit als Indikator

Die mittlere Vakanzzeit beträgt 95 Tage, also etwa drei Monate. Überschreitet der Wert 133 Tage, liegt ein stark ausgeprägter Engpass vor. Die Engpassanalyse, in der vorhandene Daten untersucht werden, gilt als aussagekräftigste Untersuchung zur Ermittlung des Fachkräftebedarfs. Sie wird sowohl auf landesweiter als auch auf bundesweiter Ebene durchgeführt.

Engpässe in der Region Herne

Was die Stadt Herne betrifft, ist eine Engpassanalyse für den Standort alleine nicht möglich: Die für die Stadt vorhandenen Daten sind für die statistische Methode nicht aussagekräftig genug.

Aussagekräftig wird es erst nach Auswertung auf der Ebene der Region – wobei es auch hier je nach Arbeitsmarkt-Region Schwankungen gibt.

Herne gehört zum Ruhrgebiet

Eine Gesamtschau aus den vorhandenen Analysen der Arbeitsagentur sowie Berichten aus Betrieben und von IHK oder Kreishandwerkerschaft helfen, die Gesamtsituation in Herne zu überblicken.

Herne zählt laut der Engpassanalyse zu der Region Ruhrgebiet, die folgende Städte umfasst: Bochum, Dortmund, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Hagen, Hamm, Oberhausen und Recklinghausen. Demzufolge liegt in der Region ein Engpass mit starker Ausprägung an Fachkräften in den Branchen Gesundheits- und Krankenpflege, Rettungsdienst und Geburtshilfe sowie Altenpflege vor.

Der Bedarf in diesen Branchen deckt sich auch mit dem Bedarf auf NRW-weiter und bundesweiter Ebene.

Stellenbesetzung dauert länger

Die St. Elisabeth-Gruppe und das Evangelische Krankenhaus Herne zählen laut der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Herne zu den größten Arbeitgebern in der Stadt und damit zu den größten Arbeitgebern im Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege. Allein die St. Elisabeth-Gruppe beschäftigt 2200 Pflegekräfte.

Beide Krankenhausgruppen geben an, keine schwerwiegenden Auswirkungen aufgrund des Fachkräftemangels zu spüren und alle offenen Stellen besetzen zu können. „Jedoch dauert es länger, bis eine Stelle besetzt werden kann“, sagt Theo Freitag, Geschäftsführer der St. Elisabeth-Gruppe.

Allerdings brauche die Krankenhausgesellschaft bei der Stellennachbesetzung von Hebammen aktuell länger als bei Pflegekräften, betont Freitag.

Besonderheiten am Standort

Was aus der Engpassanalyse nicht hervorgeht, sind Besonderheiten, die für den Standort Herne relevant sind. Seit dem Schwinden des Bergbaus spielt die Logistikbranche für den Standort Herne eine große Rolle. „Es gibt einen hohen Bedarf Lkw-Fahrern“, sagt Jörg Linden, Sprecher der IHK Mittleres Ruhrgebiet.

Wissen stammt aus Betriebsbesuchen

Konkrete Zahlen zum Bedarf an Fachkräften liegen auch der IHK nicht vor, so Linden. Die Kammer sammelt ihr Wissen vor allem aus Betriebsbesuchen, Gesprächen mit Unternehmen und Erfahrungen der Berufsberater.

Daraus gehe hervor, dass ebenfalls „gewerblich-technische Berufe in der Berufswahl bei Jugendlichen eher unbeliebt sind“. Berufe wie Industriemechaniker oder Zerspanungsmechaniker fallen darunter. In der Folge, so Jörg Linden, werden „unsere Berufsberater von Unternehmen konkret angesprochen, um zum Beispiel in Berufsschulen Lehrlinge anzufragen.“