Herne. . Gottfried Zechel vom Bergmanns-Unterstützungsverein Herne-Sodingen 1885 wurde in Börnig zu Grabe getragen. Erinnerungen an einen Kumpel.

Sie sind übrig geblieben von den einst Tausenden: die zwei Dutzend Männer in der schwarzen Knappentracht mit dem wehenden Federnbusch am Tschako und der Grubenlampe in der Hand. Frierend standen sie am Freitag vor der Kapelle auf dem katholischen Friedhof in Börnig. Wieder einmal galt es, einem Kumpel das letzte Glückauf zuzurufen: dem Bergmann und Steiger Gottfried Zechel. Er war der letzte wirkliche Knappe auf der Vorstandsebene des Bergmanns-Unterstützungsvereins Herne-Sodingen 1885.

Gottfried Zechel
Gottfried Zechel © Jana Hannemann

Rund um „Monscheni“ galt Zechel als Institution, und sein Lebenslauf spiegelt zentrale Aspekte der Herner Nachkriegsgeschichte wider. Zechel kam 1947 als 16-Jähriger ins Revier. „Ich bin aus der sowjetischen Zone abgehauen und mit dem Zug von Pirna an der Elbe zu einem Cousin nach Köln gefahren. Auf dem Kölner Bahnhof erzählte dann einer: ‚Herne ist die goldene Stadt. Da gibt es Arbeit unter Tage und da gibt es Essen.‘ Ich musste gar nicht überlegen. Mit der gleichen Fahrkarte bin ich zurück nach Herne gefahren.“

Vor Kohle des Kohldampfs wegen

Dabei war er einer von vielen. Tausende von Heimatvertriebenen und Ost-Flüchtlingen strömten damals in die Stadt: bis 1950 allein 11.000 Menschen, mehr als ein Zehntel der Gesamtbevölkerung. Die sozialen Probleme, allen voran die Wohnungsnot, waren gravierend. Als junger Bursche steckte Zechel das weg. Er legte auf Mont Cenis an und wohnte im „Bullenkloster“ im Ostbachtal, dem Ledigenheim des Pütts: „Die Arbeit hat mir nichts ausgemacht. Ich hatte Kohldampf, und da gab es zu essen.“ Dann begann die Sesshaftigkeit. Seine Frau Margret lernte er auf dem Tanzparkett bei Blome in Sodingen kennen. 1951 wurde geheiratet, eine Familie gegründet und eine kleine Bergmannswohnung bezogen. Der neue Wohlstand erreichte auch die Bergleute.

Aber Glück hatte man nicht immer. Gerade nicht „da drunten im tiefen, finst‘ren Schacht bei der Nacht“. Im Juli 1965 kam es auf Mont Cenis infolge eines Grubenbrandes zu mehreren Schlagwetterexplosionen. Zechel gehörte zur Grubenwehr: „Wir sind als Trupp mit Maske und Flammenschutzanzug runter zur siebten Sohle, 1000 Meter Tiefe. Ich wollte gerade einen Toten herausziehen, als es plötzlich ganz ruhig wurde. Als ob die Stille jegliches Geräusch in sich aufgesogen hätte. Und dann bin ich durch die Gegend geflogen. Das war die dritte und schwerste Explosion, die durch den Streb zog. Wir hatten alle Verbrennungen. Da sind wir nur noch raus und haben den Mann nicht mehr mitgenommen. Und dann war Schluss, dann wurde zugemauert.“

Einsatz nach Schlagwetterexplosion

Neun Bergleute starben, vier von ihnen mussten unter Tage gelassen werden. Für die Männer von der Grubenwehr gab es von der Zechenleitung eine Flasche Schnaps gratis – und ein lebenslanges Trauma, das Zechel bis ins hohe Alter quälte: „Es ist nicht einfach, wenn man einen Kumpel liegen lassen muss. Ich habe ihn ja an der Hand gehabt. Mit allem, was dann kam, war man allein. Wir hatten keinen Psychologen. Wenn ich danach einen getrunken hatte, habe ich gesponnen und bin unter die Couch gekrochen, weil ich dachte, die Flamme kommt.“

Gottfried Zechel nach einer Grubenfahrt 1972.
Gottfried Zechel nach einer Grubenfahrt 1972. © OH

Gottfried Zechel war Gedingeklopper, Lehrhauer, Hauer, Ortsältester, Kolonnenführer und Reviersteiger. Ohne falsche Nostalgie betonte er, dass es auch eine „beschissene Maloche“ war, andererseits hielt er den Berufsethos hoch. Er machte Führungen im Bergbau-Museum, stand dem Heimatmuseum Unser Fritz beratend zur Seite und war in den Traditionsverbänden aktiv. Zwei Tage vor seinem Tod legte er sein Amt als Vorsitzender des Bergmanns-Unterstützungsvereins Herne-Sodingen nieder. Zu Beginn der Versammlung war er mühsam aufgestanden und erklärte: „Kameraden, ich kann nicht mehr.“

>> WEITERE INFORMATIONEN: Freitag beerdigt

Gottfried Zechel starb am 8. Januar und wurde am Freitag auf dem Börniger Friedhof verabschiedet.

Nach der Trauerfeier wurde seine mit den Bergbau-Symbolen Schlägel & Eisen verzierte schwarze Urne anonym beigesetzt.