Herne.. Der 33-jährige inszeniert mit Heinz-Peter Lengkeit den 27. Dortmunder Alternativ-Karneval. Für Ensemble wie Regisseur eine Herausforderung.
Sechs Grad, bewölkt, Feuchtigkeit liegt in der Luft. Kein Fahrradwetter. Till Beckmann stört das nicht. Mütze auf, und los geht’s. 30 Minuten - mehr braucht er nicht von der Bochumer City mit dem Rad zur Zeche Zollern in Dortmund, wo der „Geierabend“ auf die diesjährige Premiere zusteuert. „Da krieg ich den Kopf durchgepustet nach den Proben“, sagt Till Beckmann. Und die Proben können schon mal zehn, zwölf Stunden dauern in diesen Tagen. Die 27. Session des kultigen Alternativkarnevals ist für den gebürtigen Wanne-Eickeler die erste: Er führt Regie, zusammen mit dem Comedian Heinz-Peter Lengkeit.
Karneval trifft Ruhrpott-Humor
Die Herner kennen ihn vom Theater Kohlenpott als Schauspieler, er hat dort oft mit seinem Bruder Nils Beckmann auf der Bühne gestanden und mit ihm auch das Drehbuch für den Film „Junges Licht“ nach Ralf Rothmanns Roman geschrieben. Rothmann huldigen auch die „Spielkinder“-Programme, zu denen sich alle schauspielernden Beckmann-Geschwister mit Gästen hin und wieder mit großem Spaß verabreden. Nun also ein ganz neues Feld: ein Mix aus Karneval und Ruhrgebiets-Humor, wie ihn die Truppe aus Dortmund seit Anfang der 90er-Jahre kultiviert.
„Ich war mal als Jugendlicher mit meinem Vater da“, erinnert sich Till Beckmann an seinen ersten und bisher einzigen „Geierabend“. „Da war ich 15, und das war nicht so mein Fall“, gibt er zu. „Ein bisschen zu derb“ sei ihm das gewesen. Was ihn nicht daran hinderte, 18 Jahre später das Regieangebot für „Zechen und Wunder“ anzunehmen.
„Herausforderung, so viele Künstler zu koordinieren“
Gereizt habe ihn an dieser Aufgabe vieles, sagt Till Beckmann: „Das ist eine Herausforderung, so eine große Menge an Künstlern zu koordinieren. Ich finde es auch reizvoll, dass es einzelne Szenen sind und kein durchgängiges Stück.“ Die „charmant-trashigen Kostüme“ seien es genauso wie das technische Equipment und die Arbeit mit der Band. Und dass jedes Jahr ein „Pannekopp“ gekürt wird - 2018 war es Armin Laschet -, gefällt ihm besonders. „Das sind alles Leute von hier“, sagt er über die 13 Comedians und Musiker, die bei allen Streitereien immer zusammengehalten hätten. „Das ist so graswurzelmäßig gewachsen“. Und das imponiert ihm mehr als manche hoch subventionierte Kulturveranstaltung.
Reise nach Berlin schuf den Kontakt
Nicht ganz unschuldig an der Zusammenarbeit ist übrigens die neue Kulturstaatsministerin. Michelle Müntefering habe Kulturschaffende aus dem Ruhrgebiet nach Berlin eingeladen, erzählt Beckmann. Unter ihnen er selbst und Martin Kaysh, als der „Steiger“ eine der zentralen Figuren des Geierabends, der wie sich herausstellte, Till Beckmanns künstlerische Aktivitäten schon länger beobachtete. Regisseur Günter Rückert wollte sich zurückziehen, Till Beckmann wurde der Neue im Regie-Duo.
Dass nicht alle der zum Teil wesentlich Älteren gleich in die Hände klatschten, lässt Beckmann charmant durchblicken. „Dort herrscht ein basisdemokratischer Geist“, sagt er, was bedeute, „dass jeder sich zu allem äußern kann. Das ist schön, aber total anstrengend!“ Aber: „Ich glaube, ich konnte ihr Vertrauen gewinnen.“ Mit Co-Regisseur Lengkeit sei er gut klar gekommen. Man habe die Nummern aufgeteilt, jeder sei für seine Szenen verantwortlich, was einen konstruktiven Austausch nicht ausschließe.
Neue Projekte für 2019 in Planung
Was den 27. Geierabend vom 26. und seinen Vorgängern unterscheide? Den leisen Humor der „Spielkinder“ einfließen zu lassen, das „Grobe“ etwas zu verfeinern, sei sein Ansatz gewesen, sagt Till Beckmann. Ob das funktioniert, werden die 37 Vorstellungen bis zum 5. März zeigen. Till Beckmann wird nur ab und an noch mal reinschauen. Wenn für Ensemble und Musiker dann die richtig jecke Zeit beginnt, ist er schon wieder woanders. Pläne gibt es viele, konkret benennen mag er sie noch nicht. Literatur wird eine Rolle spielen, außerdem ist ein Projekt mit Jugendlichen geplant, das Tanz, Poetry Slam und Theater zusammenführen soll.
>>> MEHR ZUM GEIERABEND
Die erste Vorstellung des Geierabends im Februar 1992 fand vor 36 Zuschauern auf der Bühne des Theaters Fletch Bizzel statt.
Dessen Leiter Horst Hanke-Lindemann ist (zusammen mit dem Kulturbüro Dortmund) heute noch Veranstalter.
Mit seinem bunten Mix aus Kabarett, Karneval und Ruhrpotthumor zog der Geierabend 1999 in die Zeche Zollern in Dortmund-Bövinghausen.
Auf der Homepage www.geierabend.de ist ersichtlich, für welche Vorstellungen es noch Karten bzw. Restkarten gibt. Vier Veranstaltungen sind ausverkauft.
Die Tickets kosten 37 Euro, ermäßigt 20,90 Euro für Schüler und Studenten. Zu bekommen über die Homepage oder in den WAZ-Leserläden.