herne. . Wie tickt der Herner Kinogänger? Wie lief es 2018, was steht 2019 an? Diese und andere Fragen beantwortet Markus Köther von der Herner Filmwelt.

Wie lief das Kinojahr 2018 in der Herner Filmwelt? Was ist 2019 zu erwarten? Und wie tickt eigentlich der Herner Kinogänger? Diese und weitere Fragen beantwortet Markus Köther (44), Leiter der Herner Filmwelt, im Gespräch mit WAZ-Redakteur Lars-Oliver Christoph.

Die deutsche Kinobrache klagt über das abgelaufene Jahr. Sie auch?

© Barbara Zabka

Markus Köther: Es war sicherlich kein gutes Jahr. Es gab aber einen versöhnlichen Abschluss, weil die letzte Woche sehr erfolgreich war. Das hat unter anderem auch an Hape Kerkelings „Der Junge muss an die frische Luft“ gelegen. Der Film sprich auch Menschen an, die längere Zeit nicht mehr im Kino gewesen sind. Auch „Grinch“ und „Aquaman“ haben gut funktioniert.

In der Branche ist trotzdem von einem Besucherrückgang von 15 Prozent die Rede.

Das trifft für die Filmwelt nicht zu; bei uns ist der Rückgang geringer als im Branchenschnitt.

Hat Ihnen auch der Jahrhundertsommer das Wasser abgegraben?

Natürlich. Das spielte eine große Rolle.

Obwohl Ihre sechs Kinosäle doch eigentlich klimatisiert sind.

Ich gehe im Sommer sehr gerne ins Kino, um mich ein wenig abzukühlen. Aber der Deutsche ist offenbar noch nicht so weit. Sobald ein Sonnenstrahl durch die Wolken kommt, möchte er draußen sein. Der Amerikaner geht dagegen im Sommer sehr häufig ins Kino.

War auch die Fußball-WM trotz der deutschen Pleite ein Faktor?

Eine Fußball-WM ist immer ein Faktor. Wenn man sich die Statistik anschaut, stellt man fest: Die WM-Jahre sind tendenziell schlechtere Kinojahre.

Stichwort Netflix: Verlieren Kinos Besucher an Streaming-Portale?

Die Filmwelt setzt auf Qualität und Komfort: Markus Köther in einem der neuen Liegesessel, die es in zwei von sechs Sälen gibt.
Die Filmwelt setzt auf Qualität und Komfort: Markus Köther in einem der neuen Liegesessel, die es in zwei von sechs Sälen gibt. © Jürgen Theobald (theo)

Es gibt darüber keine validen Daten. Ich sehe es aber so, dass Netflix-Abonnenten sicherlich ein kinoaffines Publikum sind und das eine das andere nicht ausschließt. Wichtig wird es am Ende immer sein, dass man den Menschen einen Grund bietet, einen Film auf der großen Leinwand anzuschauen – bei bestem Licht, bei bestem Ton, bei gutem Sitzkomfort und bei gutem Service. Mein Argument ist: Auch gute Restaurants funktionieren nach wie vor. Ein Restaurant läuft nicht, wenn ich nur Tiefkühlpizzen aufwärme; das kann ich auch zu Hause. Es funktioniert, wenn mir von der Qualität und vom Ambiente etwas geboten wird. Und es gibt auch eine soziale Komponente: Der Mensch ist ein soziales Wesen, der muss auch mal raus und was unternehmen. Man kann nicht den ganzen Tag vor dem Bildschirm hocken und eine Serie nach der anderen streamen.

Haben Sie einen Netflix-Account?

Ja. Das Angebot ist aber inzwischen so groß, dass ich gar nicht mehr weiß, was ich gucken soll. Und wenn ich mal Zeit habe, was nicht so häufig vorkommt, dann lande ich immer wieder bei den Filmen, die ich sowieso schon kenne.

Auf Netflix gibt es mittlerweile auch Erstaufführungen von anspruchsvollen Filmen wie zuletzt „Roma“ oder populären Produktionen wie „Birdbox“ mit Sandra Bullock. Sehen Sie die Gefahr, dass immer mehr Premieren ins Netz verlagert werden?

Es geht bei diesem PR-Tool nur um Aufmerksamkeit und darum, mehr Menschen auf diese Plattform zu locken. Natürlich ist das nicht positiv für unsere Branche. Hier wandert Potenzial ab, keine Frage. Kino wurde aber schon oft für tot erklärt, früher unter anderem durch Video und DVD, heute haben wir eben Netflix. Unsere Branche stellt sich der Herausforderung, indem wir versuchen, immer besser zu werden. Es muss aber wohl auch in Hollywood ein Umdenken stattfinden. Filmemacher müssen wieder besser ihre Kreativität ausleben können.

Ein Kollege von Ihnen – Christian Bräuer von der AG Kino Berlin und Dresden – hat im Handelsblatt die These in den Raum gestellt: Uns fehlen die zugkräftigen Filme.

Mein Ansatz ist: Hollywood denkt mittlerweile weltweit, der Fokus liegt nicht auf Europa. Die Wachstumsmärkte sind in Asien und in Russland. Man muss sich mal die Zahlen von „Pacific Rim 2“ anschauen: Der Film hatte in China, Südkorea und Japan gigantische Besucherzahlen, während er in Europa und Deutschland keine Rolle spielte. Manche Produktion sind ein wenig am europäischen Geschmack vorbei gedreht worden.

In den deutschen Kino-Charts für 2018 steht der dritte „Avengers“-Teil mit 3,4 Millionen Besuchern an der Spitze, es folgen sieben weitere Fortsetzungen. Wird sich dieser Trend fortsetzen?

So lange das Eisen heiß ist, wird es geschmiedet. Man darf diese Fortsetzungen aber nicht überstrapazieren.

Ist diese Grenze nicht längst überschritten?

Es wird so lange produziert, wie die Kasse stimmt. Wenn bei den Fortsetzungen eine Ermüdung erreicht ist und die Besucherzahlen zurückgehen, werden andere Filme gedreht. Das ist der normale Lauf der Zeit.

Worauf können sich die Kinobesucher im Jahr 2019 freuen?

Von „Fack ju Göhte“-Regisseur Bora Dagetkin werde 2019 eine neue Komödie in den Kinos anlaufen, berichtet Filmwelt-Betreiber Markus Köther.
Von „Fack ju Göhte“-Regisseur Bora Dagetkin werde 2019 eine neue Komödie in den Kinos anlaufen, berichtet Filmwelt-Betreiber Markus Köther. © Constantin/ Kerstin Stelter

Es laufen interessante Sachen an. Superkreativ ist „Ralph reicht’s 2: Chaos im Netz“ von Pixar, in dem eine Spielfigur das Internet zerstört. Ich glaube auch an „Drachenzähmen leicht gemacht 3“ - okay, auch eine Fortsetzung (lacht). Kinder und Jugendliche finden das ganz toll. Ich bin persönlich sehr gespannt auf „Alita: Battle Angel“ von Robert Rodriguez, der von James Cameron mitproduziert worden ist. Ich habe einige Bilder gesehen – hier lohnt sich 3D richtig. Im Januar läuft der vielversprechende Thriller „Glass“ an. Viele Serienfans warten ja auf den Kinofilm von „Der Club der roten Bänder“. Vom „Fack ju Göhte“-Regisseur Bora Dagtekin wird etwas kommen, vermutlich wieder mit Elyas M’Barek in der Hauptrolle. Einer der größten Knaller 2019 – davon bin ich überzeugt - wird zur Weihnachtszeit „Die Eiskönigin 2“ sein. Der erste Teil war ein riesiger Erfolg. Und im Dezember startet dann ja auch „Star Wars 9“.

Tickt der Herner Besucher eigentlich anders als Kinobesucher in anderen Städten?

In Herne funktionieren die „Marvel“-Filme wie „Avengers“. Auch Horror geht gut in Herne.

Im Spielplan der Filmwelt tauchen recht selten Arthouse-Filme auf, also Filme mit höherem Anspruch. Gibt es für diese Sparte in Herne keinen Markt?

Reine Arthouse-Filme haben es hier schwer. Dieser Bereich wird ja auch abgedeckt durch die Reihe VHS-Filmforum.

Bei dem die Filme in der Regel aber erst Monate nach dem Bundesstart und fast zeitgleich zur DVD-Veröffentlichung laufen. Ist das nicht zu spät?

Das liegt in der Natur der Sache. Zweimal im Jahr findet eine Beiratssitzung fürs VHS-Filmforum statt, bei dem das Programm festgelegt wird. Wir haben jetzt die Filme bis Juni ausgewählt.

Wie kommt das VHS-Filmforum beim Besucher an?

Sehr gut. Filme, die im Arthouse-Bereich erfolgreich waren, laufen auch im Filmforum gut.

Und wie ist die Resonanz bei der Reihe Kino-Café?

Die Nachfrage ist nach wie vor sehr groß. Einige Mittwochvorstellungen fürs kommende Halbjahr sind bereits ausverkauft. Neu im Programm haben wir den „Kids-Club“, der einmal im Monat stattfinden soll. Wir stricken hier um einen Kinder- und Familienfilm ein Rahmenprogramm mit Aktionen wie Schminken und Basteln. Und am Ende gibt es dann noch ein Präsent.

Die WAZ Herne hat 2017 ermittelt, dass die Filmwelt im Vergleich zu anderen Kinos sehr günstig ist. Wird das 2019 so bleiben oder werden Sie an der Preisschraube drehen?

Nein, das ist nicht geplant. Wir versuchen, fair zu bleiben – das ist unsere oberste Maxime. Kino muss bezahlbar bleiben. Ich kann nicht nachvollziehen, dass Kino bisweilen als zu teuer empfunden wird. Wenn ich mir anschaue, was ein Besuch im Konzert, im Theater und im Zoo oder auch eine Achterbahnfahrt kostet, dann sind wir mit unserem Preis für zwei Stunden Unterhaltung doch sehr gut unterwegs.

Sie investieren immer wieder bei der Technik und beim Komfort – zum Beispiel mit Dolby Atmos und Liegesesseln. Gibt es auch für 2019 Pläne?

Das steht noch nicht fest. Wir haben ja nun erst einmal unsere beiden größten Säle auf den neuesten Stand der Technik gebracht und sehr kostspielig renoviert.

Vor 14 Jahren ist die Filmwelt eröffnet worden. Ihre Prognose: Wird es dieses Kino in 14 Jahren noch geben?

Wir – meine Frau und ich – werden alles dafür tun. Das, was wir machen, machen wir unheimlich gerne. Wir lieben dieses Kino und glauben an den Fortbestand. Was zunehmend schwieriger wird: Die Menschen haben immer weniger Zeit, der Druck wird immer größer. Zum Jahreswechsel hatten die Leute Zeit – und wir hatten die beste Woche des Jahres, das Kino war voll. Das hat man zum Beispiel bei „Bohemian Rhapsody“ gesehen. Der Film ist im November recht gut angelaufen, doch zwischen den Jahren waren einige Vorführungen sogar ausverkauft.

Nachos oder Popcorn?

Popcorn. Ich liebe Popcorn.

Til Schweiger oder Tom Cruise?

Dann eher Tom Cruise.

Lichtburg Essen oder Schauburg Buer?

Lichtburg.

Besuchen Sie häufiger andere Kinos – auch um zu spionieren?

„The Big Lebowski“ mit (v.li.) Jeff Bridges,  Steve Buscemi und John Goodmann ist der Lieblingsfilm von Markus Köther.
„The Big Lebowski“ mit (v.li.) Jeff Bridges, Steve Buscemi und John Goodmann ist der Lieblingsfilm von Markus Köther.

Ich fahre nicht gezielt durch die Gegend und schaue mir andere Kinos an. Meine Maxime ist: Das, was ich mache, will ich so gut wie möglich machen. Mein Fußballtrainer hat damals in Düsseldorf gesagt: Du gehst raus und gibst für 90 Minuten alles. Und wenn es nicht gereicht hat, dann kannst du erhobenen Hauptes vom Platz gehen. Das ist heute noch meine Lebenseinstellung.

Mein absoluter Lieblingsfilm?

The Big Lebowski.

Bei diesem Film habe ich das Kino vorzeitig verlassen?

Beim Horrorfilm „Saw“. Meine Frau wollte raus.

>> INFO: Zum Kino und zur Person

Die Filmwelt am Berliner Platz 7-9 hat sechs Säle mit 850 Plätzen. Im Kino arbeiten 35 Mitarbeiter, überwiegend auf Basis der geringfügigen Beschäftigung.

Der Meerbuscher Markus Köther arbeitet seit 2007 in der 2004 eröffneten Filmwelt. Der 44-Jährige leitet das Kino mit seiner Frau Mareike Politt-Köther, der Tochter des früheren „Kino-Königs“ Gerd Politt.