Herne. . Seit zehn Jahren bauen die Wanner SPD-Ortsvereine in der Fußgängerzone ihren Infostand auf. Die Gegenwind ist durch die Groko stärker geworden.

An einem Samstag des Jahres 2008 haben Genossen aus den vier SPD-Ortsvereinen im Bezirk Wanne einen Infostand im Schatten der Christuskirche aufgebaut. Das habe in der Fußgängerzone zu Verunsicherung geführt, sagt Birgit Klemczak (SPD Baukau-West). „Habe ich etwas verschlafen? Ist schon wieder Wahl? Das hat uns damals ein Bürger gefragt“, erzählt die SPD-Ratsfrau (57) und lacht.

Vier Ortsvereine bauen einen Tisch auf

Am Samstag vor dem dritten Advent haben Klemczak und Mitglieder der Ortsvereine Unser Fritz, Bickern, Wanne und Baukau-West kurz nach 10 den Tisch ausgeklappt, Info-Materialien, Nikoläuse und Kugelschreiber ausgepackt, den roten SPD-Schirm aufgespannt. So wie sie es in den vergangenen zehn Jahren an (fast) jedem dritten Samstag des Monats gemacht haben, um das Ohr am Bürger zu haben und dem Vorwurf zu begegnen: Ihr Politiker hört uns ja nur vor den Wahlen zu.

Die Vorzeichen der monatlichen „wir zeigen Präsenz“-Aktion haben sich jedoch dramatisch geändert. Die SPD stand im Bund damals noch bei knapp 30 Prozent. Heute ist es in Umfragen gerade mal die Hälfte, die Groko droht die Partei zu zerreißen.

Der Anti-SPD-Haltung begegnen

Natürlich würden sie in Wanne immer wieder auf Berlin, auf Nahles & Co. angesprochen, berichtet Uwe Purwin (55). „Es gibt auch viele, die uns sagen: Wir können euch wegen der Bundespolitik nicht mehr wählen“, so der Ortsvereins-Chef aus Unser Fritz. Die Kritik sei bisweilen sehr heftig, ergänzt Andreas Hentschel-Leroy (48) von der SPD Bickern. „Da muss man auch schon mal den Kopf einziehen.“

Dieser Anti-SPD-Haltung wollten sie entgegentreten, sagt Frank-Uwe Klemczak (58), Vorsitzender in Baukau-West. Seine Botschaft an Wannes Bürgerschaft: „Wir sind Kommunalpolitiker.“

Gummibärchen für die Bürger.
Gummibärchen für die Bürger. © Klaus Pollkläsener

Die Stimmung ist gut an diesem eisigen Samstag, auch wenn die Laufkundschaft überschaubar ist und einige nur für einen Schoko-Nikolaus oder Gummibärchen stehen bleiben. Vor Ort gibt es aus Sicht der ehrenamtlichen Politiker ja auch durchaus kleine Fortschritte. Auf den von Oberbürgermeister Frank Dudda angestoßenen „Pakt für Wanne“ verweist Purwin. Hier erhofften sie sich 2019 konkrete Ergebnisse.

Müll und Angsträume sind Thema

Und was brennt Bürgern bei den samstäglichen Open-air-Sprechstunden auf den Nägeln? Die Fußgängerzone sei immer wieder ein großes Thema, berichten die Genossen. Angsträume, Leerstand, Vermüllung - das bewege die Bürger. Das Thema Flüchtlinge sei ebenfalls sehr präsent, aber nicht dominant.

Auch die alten Animositäten zwischen Wanne und Alt-Herne kämen immer mal wieder zur Sprache. Uwe Purwin beschreibt die Befindlichkeiten so: „Wenn in Wanne Bagger anrollen, schimpfen einige Wanner: Jetzt wird wieder alles aufgerissen. Wenn in Herne Bagger anrollen, meckern Wanner: Alles Geld geht nach Herne, wir werden wieder benachteiligt.“

Leichtes Mitglieder-Plus im Ortsverein Wanne

Und wie wirkt sich der Sturzflug der Bundes-SPD zahlenmäßig an der Basis aus? „Wir haben 2018 im Ortsverein Wanne sogar ein leichtes Mitglieder-Plus“, berichtet Vorsitzender Winfried Marx. Aus Protest gegen das neuerliche Bündnis mit der Union seien Anfang des Jahres viele eingetreten, um im Mitgliederentscheid mit ,Nein’ zu stimmen: „Die sind aber alle geblieben“, so der 55-Jährige.

Der wissenschaftliche Mitarbeiter der SPD-Bundestagsabgeordneten Michelle Müntefering übt - „in meiner Funktion als Ortsvereinsvorsitzender“ - moderate Kritik am Kurs der Bundespartei. Die Parteibasis zu befragen, sei ja eine gute Sache. Aber irgendwann müsse die SPD-Spitze konkrete inhaltliche Vorschläge machen, so Winfried Marx.

Lob für die Landes-SPD

Seine drei Ortsvereins-Kollegen haben dagegen mit der Groko abgeschlossen. Die SPD müsse raus aus der Koalition, sagt Klemczak. Auch die Parteichefin steht in der Kritik. „Mit Nahles wird das nichts“, so Purwin. Immerhin: In der NRW-SPD gebe es Fortschritte, sagt Hentschel-Leroy. Die Partei habe sich in der Opposition von der früheren „Betriebsblindheit“ verabschiedet und stelle die richtigen Forderungen.

In der Fußgängerzone von Wanne: Europawahlkandidatin Kirsten Eink (re.) mit einer Bürgerin.
In der Fußgängerzone von Wanne: Europawahlkandidatin Kirsten Eink (re.) mit einer Bürgerin. © Pollkläsener

Nach knapp 90 Minuten wird an diesem Samstag dann doch noch ein bisschen Wahlkampf gemacht. Die Herner Europawahlkandidatin Kirsten Eink ist inzwischen eingetroffen, um im Dialog mit Bürgern für ein Kreuzchen bei der SPD und die Teilnahme am Urnengang im Mai 2019 zu werben.

Der Bezirksverordnete Frank Salzmann packt derweil noch Schoko-Nikoläuse ins Körbchen, um sie unters Wanner Volk zu bringen. Und Birgit Klemczak wagt den Blick in die Glaskugel: „Ich kann mir vorstellen, dass wir auch in zehn Jahren noch hier stehen.“

>>> MEHR ZUR KOOPERATION IN WANNE

Nicht nur beim monatlichen Info-Stand machen die vier Wanner SPD-Ortsvereine gemeinsame Sache.

So gibt es regelmäßig Kooperationen bei Bürgerveranstaltungen. Und einmal im Jahr fahren die Genossen zum gemeinsamen Wochenendseminar in ein Mescheder Hotel.

Nicht zuletzt: Am 19. Januar steigt in der Maschinenhalle Unser Fritz das schon traditionelle Wintergrillen der Sozialdemokraten im Bezirk Wanne. Die Eintrittskarten sind seit Wochen ausverkauft.