Wanne-Eickel/Herne. . Der Mangel an Lehrern stellt Herner Schulen zunehmend vor Probleme. Gerade Gesamtschulen sind betroffen. Aber die Schülerzahl steigt.

Die Leiterin der Gesamtschule Wanne-Eickel schlägt Alarm. „Wir bekommen unsere Lehrerstellen nicht besetzt“, sagt Katharina Rodermund. Derzeit seien acht Stellen unbesetzt. „Wir haben die Stellen zwar zugewiesen bekommen, aber der Markt ist einfach leer.“ Und damit steht die Gesamtschule Wanne-Eickel in Herne nicht alleine da. An 29 von 40 Schulen in Herne fehlen Lehrer. Das geht aus einer Antwort der Landesregierung hervor.

Enormer Unterrichtsausfall

Demnach liegt die Personalausstattungsquote, wie es formal heißt, an der Gesamtschule Wanne-Eickel bei 92,8 Prozent, an der Gesamtschule Mont Cenis bei 93,2 Prozent, am Gymnasium Eickel bei 92,5 Prozent – um nur ein paar Beispiele zu nennen. „Die Lage auf dem Lehrkräftearbeitsmarkt in NRW ist in einigen Lehrämtern – wie in nahezu allen anderen Bundesländern – sehr angespannt“, heißt es in einer Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage des Herner SPD-Landtagsabgeordneten Alexander Vogt. Es sei derzeit nicht möglich, alle zur Verfügung stehenden Stellen zeitnah mit grundständig ausgebildeten Lehrkräften zu besetzen, so das Schulministerium weiter.

Hauswirtschaft, Technik und MINT-Fächer unterbesetzt

„Ganz schlimm ist es in den Fächern Hauswirtschaft, Technik und den MINT-Fächern“, klagt Schulleiterin Katharina Rodermund. Der Lehrermangel führe zu enormem Unterrichtsausfall. Die Lehrer, die es am Markt noch gebe, wollten nicht an einer Gesamtschule arbeiten. „Wir sind eine Schule am Wind“, begründet die Schulleiterin das Problem. Es gebe einen hohen Anteil an Migranten, das Thema Integration sei wichtig, ebenso die Inklusion. „Bei uns ist wirklich schwere Arbeit erforderlich“, so Rodermund.

Katharina Rodermund ist die Schulleiterin der Gesamtschule Wanne-Eickel, spricht am Dienstag, 20. November 2018 über das Thema Lehrermangel an der Schule. Foto: Svenja Hanusch / Funke Foto Services
Katharina Rodermund ist die Schulleiterin der Gesamtschule Wanne-Eickel, spricht am Dienstag, 20. November 2018 über das Thema Lehrermangel an der Schule. Foto: Svenja Hanusch / Funke Foto Services © Svenja Hanusch

Besonders bedauert sie, dass die Schule neben dem Unterrichtsausfall ihre Konzepte nicht mehr umsetzen könne – beispielsweise die Sprachförderung in kleinen Gruppen in der Jahrgangsstufe 5 oder auch die Profilklassen in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) und Musik. Auch der Ganztag, der an einer Gesamtschule zum Konzept gehöre, könne nicht mehr in allen Klassen geboten werden. „Wir können mit den Lehrern einfach nicht mehr Unterricht machen“, so Rodermund.

Zwei zusätzliche Klassen

Was das Problem verschärft: Während es an Lehrern mangele, platze die Schule aus allen Nähten, wenn es um Schüler gehe. Im vergangenen Schuljahr musste die Gesamtschule Wanne-Eickel zwei zusätzliche 8. Klassen mit Seiteneinsteigern aufnehmen, fährt da nun achtzügig. „Man schiebt und schiebt, aber die Decke ist an allen Ecken und Enden zu kurz“, sagt Katharina Rodermund etwas resigniert.

Hartmann: Gesamtschulen die Leidtragenden

Klaus Hartmann, Leiter des städtischen Fachbereichs Schule, ist sich dieser Problematik bewusst: „Alle sind davon ausgegangen, dass die Schülerzahlen zurückgehen.“ Dann sei die Zuwanderungswelle gekommen. „Das Land ist von dem massiven Zuwachs genauso überrascht worden wie die Kommunen“, so Hartmann.

Auch das Thema Inklusion müsse ein Thema für alle bleiben, so Hartmann. Denn sonst verschärfe sich die Situation weiter. „Die Gesamtschulen sind im Moment die Leidtragenden“, sagt er. Und Schulleiterin Katharina Rodermund betont: „Wir sind an unserer absoluten Schmerzgrenze angekommen.“ Das einzige, was noch helfen könnte, sei, eine weitere Gesamtschule in Herne zu bauen.

Stadt für Hauptschulkasse an Realschulen

Derzeit müssen die Gesamtschulen aus Mangel an Hauptschulen fast alle Kinder aufnehmen, die nach der Klasse 6 und 7 die Realschule verlassen. Das möchte Klaus Hartmann ändern. Deshalb fordert er, dass es auch an den Herner Realschulen einen Hauptschulbildungsgang geben darf. „Wir sind dabei mit dem Land zu klären, inwieweit das geht“, sagt Hartmann. So solle das System entlastet werden.

Im Moment regelt Paragraf 132c des Schulgesetzes, dass Realschulen ab Klasse 7 einen solchen Bildungsgang mit den Abschlüssen der Hauptschule einrichten können, insbesondere wenn es in der Gemeinde oder im Gebiet keine öffentliche Hauptschule gibt. In Herne gibt es aber als letzte verbliebene Hauptschule noch die Hans-Tilkowski-Schule an der Edmund-Weber-/Dahlhauser Straße. Deshalb darf Herne die Realschulen nicht öffnen. Das bedauert Hartmann, denn: „Das würde eine enorme Entlastung für die Gesamtschulen bringen.“

Entsprechend angetan ist Schulleiterin Katharina Rodermund von dieser Option. „Ich finde, das ist dringend nötig“, sagt sie. Die Realschulen hätten die Lehrer und auch die Räume dazu. Umso mehr bedauert sie: „Die Gesetzeslage ist aber eine andere.“ Und die Bereitschaft für eine Gesetzesänderung sei wohl gering.

Zusätzliche Container nicht bezugsfähig

Die Container, die die Stadt angeschafft hat, um Räume für die zusätzlichen Seiteneinsteiger-Klassen zu schaffen, seien bisher nicht bezugsfähig, sagt Katharina Rodermund. Es fehle ein Wasseranschluss, die Tafeln seien sehr klein („Aus der letzten Reihe kann man kaum noch was lesen.“) und die Akustik sei eine Katastrophe, so die Schulleiterin.

Derzeit sind zwei Klassen in den Kunsträumen der Schule untergebracht. Das dürfe aber keine Dauerlösung sein. Gemeinsam mit der Stadt soll nun nach einer Lösung gesucht werden. Ein Wasseranschluss soll gelegt werden („Das ist allein aus hygienischen Gründen wichtig, damit man sich mal die Hände waschen kann“) und die Akustik müsse durch einen Schallschutz verbessert werden – vielleicht durch einen anderen Boden oder abgehängte Decken.