Herne. . Was tun, wenn Angehörige schwer erkrankt sind? Wie sollen sie betreut werden? In Herne gibt es ein neues Angebot: Ethikberater helfen Angehörigen.

Wenn sich ein Mensch am Ende seines Lebens befindet, ist das für alle eine schwierige Situation. Kompliziert wird es, wenn Entscheidungen über eine mögliche Weiterbehandlung wie künstliche Ernährung, Dialyse und ähnliches getroffen werden müssen. Nicht nur Angehörigen fällt diese Entscheidung schwer, auch Ärzte und Pflegekräfte sehen sich damit konfrontiert. Um Menschen in solchen Situationen Hilfe zu leisten, bietet das Palliativ-Netzwerk Wanne-Eickel, Herne, Castrop-Rauxel jetzt ein ambulantes Ethikkomitee an.

In NRW gibt es nur fünf solcher Projekte. „Wir haben vor gut zwei Jahren angefangen, uns mit Ethik zu befassen“, erklärt Karin Leutbecher, Vorstandsvorsitzende des Palliativ-Netzwerks. Ziel sei, Menschen in ethisch schwierigen Situationen zu unterstützen. Beispielsweise, wenn ein Patient künstlich ernährt wird, sich selber aber nicht mehr äußern kann, gelte, es die Frage zu klären, ob er das überhaupt wollte. „Wir möchten Handwerkszeug an die Hand geben, wie man in solchen Fällen beraten kann.“

Aus Fallbeispielen werden Strategien

Für die Ausbildung der aktuell zehn Ethikberater im Palliativ-Netzwerk ist Hartwig Trinn zuständig. Er hat die Gesamtleitung Seelsorge und Ethik in der St. Elisabeth- Gruppe. „In der Schulung besprechen wir allgemeine Grundlagen zum Thema, aber auch, wie eine ambulante Ethikberatung organisiert werden kann“, erklärt Hartwig Trinn. Anhand von Fallbeispielen wurden Strategien entwickelt. Wichtig sei, erst einmal einen ethischen Fokus zu finden. „Ziel ist, zu einer gemeinsamen Empfehlung zu kommen. Es ist ein kommunikativer Prozess, der die Angehörigen einbindet.“ Die Beratung bestehe immer mindestens aus einem Dreierteam, bei dem möglichst der Hausarzt des Patienten mit einbezogen werden soll.

„Unsere Gesellschaft ändert sich ganz langsam, es geht wieder zurück zur Individualisierung“, sagt Dr. Walter Wellmann, Vorsitzender des Ambulanten Ethikkomitees im Palliativ-Netzwerk. Auch die Rechtsprechung ändere sich, so dass nicht mehr einfach über den Kopf einer Person entschieden werden könne. „Der Wille des Patienten ist ausschlaggebend.“

Verschiedene Berufsbilder vertreten

Das Ethikkomitee besteht aus Personen verschiedener Berufe: Sozialarbeiter, Pflegekräfte, Heimleiter, Vertreter der Stadt, Palliativmedizinern sowie einem Juristen und einer Physiotherapeutin. Die Motivation der ehrenamtlichen Ethikberater ist hoch: „Ich hätte mir vor Jahren gewünscht, dass es einen Ethikberater gibt, als meine Eltern schwer krank waren“, sagt Brigitte Schlender-Gerke, die seit 32 Jahren Palliativschwester bei der Caritas ist. So ein Angebot habe wirklich gefehlt, findet auch Andrea Meier, ebenfalls Palliativschwester bei der Caritas.

Man müsse sich die Frage stellen, was das Therapieziel ist. Besteht eine Chance auf Heilung oder geht es darum, möglichst viel Lebensqualität zu erhalten? Das betrifft auch künftige Entscheidungen, ob die Person bei Komplikationen beispielsweise noch einmal in ein Krankenhaus soll oder ob man den Dingen seinen Lauf lässt. „Alle befinden sich in einer absoluten Ausnahmesituation“, sagt Diethelm Lahnstein. Der ehemalige Jurist ist mittlerweile im Ruhestand. „Für Angehörige kann deshalb ein Gespräch unter ethischen Aspekten erleichternd sein.“

>> WEITERE INFORMATIONEN: Kontakt

Oberbürgermeister Frank Dudda hat die Schirmherrschaft für die mobile ethische Fallbesprechung übernommen. Das Palliativ-Netzwerk Herne, Wanne-Eickel, Castrop-Rauxel ist unter der Hotline 0800 900 9191 täglich von 9 bis 17 Uhr kostenlos aus dem Festnetz zu erreichen.

Wer das Netzwerk unterstützen möchte oder sich zum Ethikberater ausbilden lassen möchte, findet Infos im Internet.