Herne. . Das Festival von WDR 3 und Stadt Herne widmet sich in zehn Konzerten Neid, Völlerei und anderen charakterlichen Defizite. Es gibt noch Karten.

Bei den 43. Tagen Alter Musik dreht sich vom 8. bis 11. November alles um die sieben Todsünden. Wie sich Zorn, Hochmut, Wollust, Neid, Völlerei, Faulheit und Geiz in der Musik vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert widerspiegeln, ist in zwei Opern und neun Konzerten zu erleben. Als ein Höhepunkt des Festivals von Kulturradio WDR 3 und Stadt Herne gilt die moderne Erstaufführung der vergessenen Stradella-Oper „Amare e fingere“ mit dem Ensemble Mare Nostrum. Für alle Konzerte gibt es noch Karten.

Zorn

Um den Zorn Gottes, der sich gegen die Menschen richtet, und den menschlichen Zorn geht es im Eröffnungskonzert mit dem Vokalensemble Polyharmonique und die polnische Instrumentalformation Orkiestra Historyczna. Sie begeben sich auf eine Reise durch die expressiven Welten des Hochbarocks, in denen italienische und deutsche Komponisten das drohende Feuer göttlichen Grimms schildern.
Donnerstag, 8. November, 20 Uhr, Kreuzkirche.

Hochmut

Vocalconsort
Vocalconsort © Scherhaufer

Das Vocalconsort Berlin bringt geistliche Werke aus dem England der Reformation zum Klingen - zum Lobe Gottes und des Herrschers Heinrich VIII, der für seine Grausamkeit gegenüber seinen Frauen bekannt war und sich zum Oberhaupt einer eigenen Kirche machte. Freitag, 9. November, 16 Uhr, Kreuzkirche.

Wollust

In die Abgründe von Macht und Leidenschaft in der römischen High Society des 17. Jahrhunderts führt Alessandro Stradellas „Amara e fingere“ (Lieben und heucheln). Stradella gilt als genialer „Bad boy“ des römischen Hochbarocks. Sein Werk vereint Liebe, Eifersucht, Verkleidung, Komödie und Drama, begleitet von Tanzszenen und Duellen - nach über 300 Jahren wiedererweckt von Andrea de Carlo und Mare Nostrum. Freitag, 9. November, 19 Uhr, Kulturzentrum In Antonio Vivaldis Oper „L’Olimpiade“ ist es der Kämpfer Licida, der seine Begierde nicht in den Griff bekommt und der sich über das Keuschheitsgebot der Olympischen Spiele hinwegsetzt. Ausführende sind das La Cetra-Barockorchester und ein Sängerensemble. Sonntag, 11. November, 19 Uhr, Kulturzentrum.

Neid

Vom Neid-gesteuerten Ränkespiel im Umkreis der Dresdner Hofkapelle Anfang des 18. Jahrhunderts lassen sich zwei Violine-Cembalo-Duos zum freundschaftlichen Wettspiel inspirieren: Evgeny Sviridov und Stanislav Gres aus Russland sowie Leila Schayegh und Johannes Keller aus der Schweiz. Samstag, 10. November, 16 Uhr, Kreuzkirche.

Völlerei

Pianist Stefan Irmer
Pianist Stefan Irmer © Rafał Korzeniowski

Genuss und Drogenrausch im 18. Jahrhundert: Der französische Adel liebte Tabak und Schokolade, in Deutschland stand Kaffeetrinken zum Teil unter Strafe. Französische und deutsche Unterhaltungsmusik von Charpentier bis Bach spiegeln die verbotenen Vergnügungen. Mit dem französischen Ensemble Le Caravansérail. Samstag, 10. November, 20 Uhr, Kulturzentrum.
Ein pianistisches Menü aus den „Péchés de vieillesse“ von Gioachino Rossini serviert Stefan Irmer. Der Pianist vermittelt seine gastronomische Programmauswahl auf vergnügliche Weise. Sonntag, 11. November, 11 Uhr, Kulturzentrum

Faulheit

In die faszinierende Welt der Lazzari oder Lazzaroni, die sich im Neapel des 17. bis 19. Jahrhunderts auf der Straße durchschlugen, entführt der Sänger Pino De Vittorio mit der Zupfinstrumenten-Formation Laboratorio ‘600. Die Müßiggänger hatten ihre eigene Musik, voller Rohheit und Poesie. S amstag, 10. November, 23 Uhr, Künstlerzeche Unser Fritz

Geiz

Vom Geiz des Klerus wie vom Aufbegehren gegen dessen Gier ist in den „Carmina Burana“ die Rede. Wie aktuell die Texte des Mittelalters sein können, zeigen - mal ernst, mal humorvoll - das Ensemble Candens Lilium und die Bläserformation Les Haulz et les Bas.
Sonntag, 11. November, 16 Uhr, Kreuzkirche

Christof Schlägers Hörner spielen Arvo Pärt

Klangkünstler Christof Schläger.
Klangkünstler Christof Schläger. © Gregor Schläger

Für ein Special sorgt die Stadt am Samstag (10.) um 19 Uhr: Wenn Christof Schläger seine 112 Schiffshörner erklingen lässt, trifft Alte Musik auf Neue Musik. Der Herner Klangkünstler führt das Chorwerk „Da pacem Domine“ des 83-jährigen estnischen Komponisten Arvo Pärt als Weltpremiere auf dem Platz vor dem Kulturzentrum auf. Basierend auf mittelalterlichen Bibelversen ist Pärts Komposition den Opfern des Attentats auf einen Zug in Madrid im Jahr 2004 gewidmet.

Christof Schläger hat Arvo Pärt persönlich kennengelernt, vermittelt durch das Goethe-Institut, als er 2013 in Helsinki ein Konzert mit Schiffshörnern gab. Zwei Jahre später besuchte er Pärt in Tallinn, um ihm „das völlig verrückte Projekt vorzuschlagen“, wie Schläger erzählt. Er traf auf einen „sympathischen, zurückhaltenden Mann“, der sich zunächst das Projekt nicht habe vorstellen können, sich dann aber überzeugen ließ. Schlägers „Urban Horns“ sind von ihm selbst entworfene, Druckluft-gesteuerte Instrumente aus Schiffshörnern, für die er in seinem Atelier am Computer Kompositionen schreibt, die bei der Live-Performance dem Raum angepasst werden.

Schläger arbeitet auch mit Abbauhämmern

Mit Schiffshörnern arbeitet Christof Schläger seit 2007, als er für eine Klangkunstausstellung in Kiel von einem Hersteller die ersten Basisteile geschenkt bekam, für die er dann die Klangtrichter baute. Für die Reihe „Kunst & Kohle“ hatte Schläger kürzlich unter anderem Abbauhämmer eingesetzt.

Für ihn passt das Pärt-Stück auch thematisch gut in die Tage Alter Musik, angesichts der „Todsünde“, die die Attentäter von Madrid begangen hätten. Den „Geist zu kontrollieren, statt sich Affekten hinzugeben“: Diesem moralischen Anspruch seien die Terroristen nicht gerecht geworden. Neben Pärt wird bei dem Konzert eine weitere Komposition zu hören sein. Schläger hofft, mit seiner halbstündigen Aufführung das Alte-Musik-Publikum im Kulturzentrum zumindest neugierig machen zu können, „weil es interessante Anknüpfungspunkte gibt“.

Im April 2019 wird „Da pacem Domine“ in Amsterdam beim World Minimal Music Festival aufgeführt.

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Karten gibt es noch für alle Veranstaltungen bei Stadtmarketing (Kirchhofstraße 5), im Bürgerbüro Wanne (Hauptstraße 241) und an der Festivalkasse im Kulturzentrum während des Festivals (fr 15-19, sa 11-20, so 10-19).

Einzelkarten kosten 18/9 Euro und 21/11 Euro an der Abendkasse. Festivalkarten gibt es für 126/63 Euro.

Parallel zum Festival veranstaltet die Stadt Herne vom 8. bis 11. November eine Musikinstrumentenmesse im Foyer des Kulturzentrums mit Tasteninstrumente der Alten Musik.

Dazu geben Studierende des Instituts für Alte Musik in Köln ein Werkstattkonzert mit Werken u.a. von Händel und Telemann: Samstag, 10. November, 13 Uhr, Kulturzentrum (12/6 Euro).