Herne. . Geboren wurde Clas Oliver Richter in Holsterhausen, doch als Korrespondent war die Welt sein Zuhause. Jetzt leitet er die NDR-Auslandsredaktion.
Die Cranger Kirmes - sie ist für viele „eingeborene“ Wanne-Eickeler und Herner, die längst in der ganzen Welt zu Hause sind, ein Grund, zumindest für ein paar Tage in die Heimat zurückzukehren. Das gilt auch für Clas Oliver Richter. Der 52-Jährige, der aus Holsterhausen stammt, leitet seit einigen Monaten die Auslandsredaktion des Norddeutschen Rundfunks und war zuvor sechs Jahre Leiter des Studios in Stockholm. Im Gespräch mit WAZ-Redakteur Tobias Bolsmann schildert er seinen Weg in die Welt und seine Arbeit als Fernsehjournalist.
Sie sind seit Jahren in der ganzen Welt unterwegs, doch wo liegen Ihre journalistischen Anfänge?
Richter: Für mich stand früh fest, dass ich Journalist werden wollte, auch wenn ich zunächst im elterlichen Betrieb bei Ford Heilmann eine Ausbildung absolviert habe. Während meines Publizistik-Studiums in Münster habe ich für Radio WAF in Warendorf gearbeitet. Ich habe dann im Laufe der Zeit Praktika in verschiedenen Redaktionen gemacht, übrigens auch bei der Herner WAZ. Doch als ich mit Fernsehen in Verbindung kam, wusste ich: Das muss es sein.
Warum?
Fernsehen zu machen, hat für mich persönlich einen sehr hohen Suchtfaktor, die Arbeit macht mir auch deshalb unheimlich Spaß, weil man im Team arbeitet. Ich habe dann beim NDR volontiert...
...und haben seitdem viele Weltereignisse begleitet.
Ja, ich war beim ICE-Unglück in Eschede vor Ort, beim 11. September habe ich in der Redaktion in Hamburg alle Sendungen produziert. Und da ich zehn Jahre lang in einem Pool von Reportern war, die Vertretungen für Kollegen übernommen haben, kenne ich alle Auslandsstudios, die in der Verantwortung des NDR liegen: Singapur, Peking, Tokio, London, Washington und Stockholm.
In Stockholm sind Sie Studioleiter geworden. Wie groß war dort Ihr Aktionsradius?
Wir waren verantwortlich für die skandinavischen Länder, aber auch für Grönland, Island und die baltischen Staaten. Das hatte zur Folge, dass ich an 120 Tagen im Jahr auf Reisen war. Als zum Beispiel die Krise in der Ukraine begann, waren wir fast jede Woche im Baltikum, um die Menschen dort zu fragen, wie sie sich mit dem großen Nachbarn Russland fühlen.
In Ihre Zeit als Studioleiter fiel auch der Prozess gegen den Massenmörder Anders Behring Breivik. Wie haben Sie den Prozess erlebt?
Für mich war es bemerkenswert, wie fair und zivilisiert alle mit diesem Fall und dem Täter umgegangen sind. Die Aufarbeitung im Prozess war detailliert, sehr diskret und fast unemotional. Aber der Prozess hat das ganze Land bewegt.
Der Prozess ist die eine Seite, die andere sind die Menschen draußen im Land. Wie gehen die mit dem Fall um?
Ich habe gespürt, dass man über den Anschlag nicht so gerne redet. Und als Außenstehender fragt man sich, wie ein so reiches Land, dem es so gut geht, so einen brutalen Attentäter hervorbringen kann.
Was waren sonst Fixpunkte Ihrer Arbeit?
Die Berichterstattung über die drei Königshäuser in Schweden, Norwegen und Dänemark hat uns viel beschäftigt. Ein anderes Thema, das immer ging, war Abba. Ich konnte mehrfach Björn Ulvaeus interviewen. Als die Neuigkeit kam, dass sie zwei neue Songs produziert hatten, war auch das eine Weltnachricht.
Wenn man immer auf Weltnachrichten gefasst sein muss: Wie groß ist der Druck für einen selbst?
Man ist eigentlich immer 24 Stunden an sieben Tagen im Dienst. Das Handy lag immer neben dem Bett. Man hat nie frei. Neben den vielen Reisetagen habe ich etwa zwei Drittel der Wochenenden gearbeitet. Irgendeiner hat immer eine Frage oder eine Bitte. Zum Beispiel die Tagesthemen, die kurzfristig ein kulturelles Schlussstück für die Sendung haben wollen.
Sie sind nach sechs Jahren nach Hamburg gewechselt und leiten dort die Auslandsredaktion des NDR. Warum der Wechsel?
Wenn man merkt, dass aus Neugier Routine wird, wenn man anfängt sich selbst zu kopieren, dann muss man etwas ändern. Dann braucht man an der Stelle auch jemanden mit einem frischen Blick. Deshalb bin ich froh über den Wechsel.
Wie lässt sich Ihre Aufgabe in Hamburg beschreiben?
Ich habe so etwas wie eine Sandwichrolle zwischen dem Chefredakteur auf der einen Seite und den Korrespondenten auf der anderen. Diese Aufgabe ist dann manchmal nicht so freudvoll, wenn der Chefredakteur sagt: Wir müssen sparen. Daneben arbeiten wir an zahlreichen Sonderprojekten. Da der NDR das Studio in London in seiner Verantwortung hat, bereiten wir uns zum Beispiel auf den Brexit vor. Hinzu kommen Dinge wie Programm-, oder Finanzmanagement und die Vorbereitung auf die digitale Zukunft.
Hört sich nach einem echten Bürojob an. Vermissen Sie nicht die Arbeit in einem Auslandsstudio?
In Hamburg ist das Leben deutlich berechenbarer, das ist gerade mit Blick auf die Familie wichtig. Wir planen unser Leben immer für einen Zeitraum von fünf Jahren. Generell ist die Auslandsberichterstattung für mich etwas, was mich immer interessieren wird.
Zum Schluss eine ganz andere Frage: Was war Ihr wichtigster Film?
In meiner Zeit in Stockholm habe ich sechs Jahre lang versucht, gegen das Bullerbü-Image Schwedens anzuberichten. Deshalb war mein wichtigster Film einer über die hohe Selbstmordquote bei der Volksgruppe der Sami in Nordschweden. Die Sami züchten Rentiere und sind immer noch nicht in der schwedischen Mehrheitsgesellschaft angekommen. Als der Film im deutschen Fernsehen ausgestrahlt worden war, haben die Sami uns gefragt, ob wir es hinkriegen, dass das schwedische Fernsehen ihn auch sendet, weil die selbst nie so einen Beitrag drehen würden.
>> ZUR PRSON
Clas Oliver Richter wurde in Holsterhausen geboren, mit sechs Jahren sei er aber nach Herne „emigriert“, sagt er im Spaß. Sein Abitur machte er am Otto-Hahn-Gymnasium. Sein Großvater gründete das Unternehmen Ford Heilmann an der Dorstener Straße.
Richter ist verheiratet und hat zwei Kinder.