Herne. . Evangelischen Gemeinden haben seit 2016 drei Geflüchteten Kirchenasyl gewährt. Warum sie befürchten, dass dies künftig unmöglich sein wird.
In drei Fällen haben evangelische Kirchengemeinden in Herne in den vergangenen zwei Jahren Geflüchteten Kirchenasyl gewährt und sie damit vor einer drohenden Abschiebung geschützt. Nach einer drastischen Verschärfung der Bedingungen durch die deutschen Innenminister befürchten die Protestanten, dass solche Akte der christlichen Nächstenliebe künftig seltener bis unmöglich werden könnten. „Das ist auch die politische Absicht dahinter“, sagt Flüchtlingsreferent Karl-Heinz Hoffmann vom Eine Welt Zentrum des evangelischen Kirchenkreises.
Großer psychischer Druck
Die Gemeinde Bladenhorst-Zion schützte 2016 in Horsthausen einen Nigerianer und 2017 eine Iranerin durch Aufnahme ins Kirchenasyl. Und von Februar bis Juni 2018 nahm die Petrus-Gemeinde im Lutherhaus in Herne-Süd einen Eritreer auf.
Für jeweils rund sechs Monate lebten die Asylbewerber in den geschützten Räumen. Die Dauer ist kein Zufall, denn: Es handelte sich hier wie in etwa 75 Prozent aller Kirchenasyle um Dublin-Verfahren. Heißt: In diesen Fällen muss das Asylverfahren laut Gesetz in jenem EU-Land durchgeführt werden, in dem die Geflüchteten erstmals registriert worden sind. Erst nach einem halbjährigen Aufenthalt in Deutschland haben sie hier ein Recht auf ein Asylverfahren.
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Die Reform sieht vor, dass die Frist in der Regel verdreifacht wird – von 6 auf 18 Monate. Wie Hoffmann glaubt auch Michael Brandt, dass dies aus Kalkül geschieht: „Man will damit die Zahl der Kirchenasylfälle reduzieren“, sagt der Pfarrer, dessen Gemeinde Bladenhorst-Zion seit Jahrzehnten in der Flüchtlingsarbeit engagiert ist.
Anstieg der Kirchenasylfälle seit 2015
Alles andere als eine steile These: Vertreter von Innenministerien sprechen von „rechtsfreien Räumen“, die der Staat nicht akzeptieren könne. Entscheidend für den Vorstoß dürfte der Anstieg der Kirchenasylfälle seit 2015 sein.
Aktuell sind rund 530 Fälle mit 850 Menschen bekannt - überwiegend in evangelischen, aber auch in einigen katholischen Gemeinden. Die Gemeinden müssen das Kirchenasyl anmelden und für eine nochmalige Prüfung der Behörden ein Dossier erstellen. Außerdem kommen sie für die Kosten auf.
18 Monate im Kirchenasyl – Pfarrer Horst Bastert von der Petrus-Kirchengemeinde hält dies für sehr problematisch. „Ein Kirchenasyl geht an die Substanz aller Beteiligten“, sagt er. Trotz des Schutzes sowie des Kontakts zu Gemeindemitgliedern habe das Kirchenasyl Züge eines Gefängnisaufenthaltes. Der psychische Druck auf den Geflüchteten sei groß.
Bei allen drei Kirchenasylen habe es sich um Härtefälle gehandelt, sagen die beiden Pfarrer. Die Geflüchteten seien auf die Kirchengemeinde zugegangen. Die Presbyterien hätten die Fälle beraten und dann die Aufnahme einstimmig beschlossen. Unterstützerkreise hätten die Betreuung übernommen.
Bilanz spricht für dieses Instrument
Die Verfahren des Nigerianers, der Iranerin und des Eritreers sind noch nicht abgeschlossen. Die bisherige Bilanz aller Kirchenasyle spreche aber eine klare Sprache, sagt Karl-Heinz Hoffmann: In 99 Prozent der Fälle erhielten die von der Kirche Geschützten nach Abschluss des Asylverfahrens einen Aufenthaltsstatus - von der Duldung bis zur Anerkennung.
Und was bewegt die Gemeinden? Von einer „christlichen Beistandspflicht“ spricht Horst Bastert. So sei der Eritreer - ein Christ - über Italien in die EU eingereist. Dort drohe ihm ein ungewisses Schicksal und schlimmstenfalls die Abschiebung. „Die Verhältnisse sind nicht vergleichbar. Flüchtlinge leben dort ohne Schutz als Obdachlose auf der Straße“, sagt der Pfarrer. Bei einem Urlaub in Mailand habe er sich ein Bild von den Zuständen machen können.
Würden die Pfarrer erneut einen Geflüchteten aufnehmen? Ausschließen wollen sie das trotz der Verschärfung nicht. Das müsse aber im Einzelfall überlegt und genau geprüft werden, sagen sie.