herne. . Werden in Herne höhere Strafen gegen junge Hartz-IV-Empfänger verhängt als in anderen Städten? Die offizielle Statistik legt diesen Schluss nahe.

Das Jobcenter verhängt in Herne gegen junge Hartz-IV-Empfänger wesentlich härtere Strafen als die Behörden in Nachbarstädten. Und auch der Bundesschnitt liegt deutlich unter dem Herner Niveau. Darauf weist Norbert Kozicki, Mitglied des lokalen Verdi-Vorstandes und des Sozialforums, unter Verweis auf eine offizielle Statistik der Bundesagentur für Arbeit hin.

Kürzungsbeitrag liegt deutlich über dem Bundesschnitt

 Herne Leistungskürzungen bei unter 25 jährigen Hartz IV Empfaengern
Herne Leistungskürzungen bei unter 25 jährigen Hartz IV Empfaengern © Miriam Fischer

„Der durchschnittliche Kürzungsbetrag lag im Juni bei unter 25 Jahre alten Menschen in Herne bei 179,54 Euro, in Bochum bei 110,12 Euro und bundesweit bei 128 Euro“, erklärt der Diplom-Sozialwissenschaftler und frühere Falken-Geschäftsführer. Damit liege der durchschnittliche Kürzungsbeitrag in Herne rund 63 Prozentpunkte über dem der Stadt Bochum und über 40 Prozentpunkte über dem Bundesschnitt für diese Altersgruppe (siehe auch Grafik).

Stichproben der WAZ in der Statistik der Arbeitsagentur zeigen: Die Juni-Bilanz ist kein Ausreißer. So lagen beispielsweise die monatlichen Sanktionen in Herne gegen Leistungsbezieher unter 25 Jahren im Oktober 2017 im Schnitt bei 181,56 Euro (Bochum: 115,69 Euro; Gelsenkirchen 88,59 Euro). Auch in der Bilanz der Sanktionen für alle Altersgruppen liegt Herne vor Bochum und Gelsenkirchen und über dem Bundesschnitt – wenn auch nicht so deutlich wie bei den unter 25-Jährigen.

Greift das Herner Jobcenter besonders hart durch? Der von der WAZ mit der Untersuchung von Kozicki konfrontierte Herner Jobcenter-Chef Karl Weiß will sich auf eine Diskussion gar nicht erst einlassen. „Wir handeln nach Recht und Gesetz und haben keinerlei Spielraum“, betont der Geschäftsführer. Und: Es sei unredlich, Zahlen zu vergleichen.

Agentur zweifelt selbst an Gesetz

Norbert Kozicki zweifelt dagegen daran, dass es keine Spielräume gebe: Es könne doch nicht sein, sagt er, dass sich junge Leistungsempfänger in Herne mehr zuschulden kommen ließen als die in anderen Städten.

Und was sagt die Politik? „Mir sind diese Zahlen nicht bekannt gewesen“, erklärt Volker Bleck (SPD), Vorsitzender des Sozialausschusses, auf Anfrage. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass die Zahl der in Herne mehrfach sanktionierten Leistungsempfänger höher sei als anderswo. Die Politik sollte sich dieses Themas annehmen und der Sache auf den Grund gehen, so der Ratsherr.

Hintergrund: Die Sanktionen gegen junge Arbeitslose sind laut Gesetz deutlich höher als für Leistungsempfänger über 25 Jahren. Nach Angaben der Regionaldirektion NRW der Arbeitsagentur entfallen über 80 Prozent aller Strafen auf Meldeversäumnisse. Nach der Kritik aus der Bundespolitik stellt inzwischen selbst die Bundesagentur für Arbeit die Höhe der Leistungskürzungen infrage und regt Reformen an.

In Herne wird schon länger der Ruf nach Abschaffung aller Sanktionen laut – unter anderem durch die Initiative JobcenterWatch. Eine Begründung: Das in Hartz IV definierte Existenzminimum dürfe nicht auch noch gekürzt werden.