Herne. . Neben den Geschichten des Herners Friedhelm Wessel enthält „Bor!“ auch Texte weiterer Autoren sowie viele Bilder aus dem alten Ruhrgebiet.

Die Älteren werden sich noch an ihn erinnern, an den Leichtathleten Emil Zátopek. Der Tschechoslowake hatte einst Kultstatus. Aber nicht nur das. Er ließ auch bei der Jugend das „olympisches Fieber“ steigen, als die Spiele 1956 im australischen Melbourne ausgetragen wurden, erzählt Autor Friedhelm Wessel in seinem neuen Buch über das Ruhrgebiet mit dem Titel „Bor“, dem bekannten Ausdruck für Erstaunliches.

Steinstoßen auf der Pferdewiese

Die jungen Leute waren derart von den Wettkämpfen fasziniert, dass sie ihr eigenes olympisches Ding drehten. Steinstoßen auf der Pferdewiese, Sprungwettbewerb im Hinterhof und Rundlauf mit Überquerung des Ostbaches ließen sich die findigen Jungs von damals als Disziplinen einfallen. Die Geschichte, die der langjährige Zeitungsredakteur niedergeschrieben hat, ist eine von 18 Episoden aus dem Revier früherer Jahrzehnte.

Damals war es auch noch üblich, wie es der heimatverbundene Herner sehr lebendig schildert, dass am Samstag großer Badetag war. Duschen waren zwar schon erfunden, aber kaum irgendwo eingebaut. Da musste eine Zinkwanne herhalten und über das ganz frische, zuvor im großen Einkochkessel erhitzte Wasser konnte sich auch nur das erste Kind bei der Waschaktion freuen. Die nachfolgenden Familienmitglieder mussten mit dem Zustand Vorlieb nehmen, den der Vorgänger hinterlassen hatte. Nur gut, dass sich da die Väter in der Zechenkaue säuberten.

Zahlreiche Fotos aus Wessels Bildarchiv

Zu dem neuen Band hat Wessel auch zahlreiche Fotos aus seinem reichhaltigen Bildarchiv beigesteuert, so dass der Leser eine Reihe von Impressionen bekommt, wie es in den Wohnzimmern des Ruhrgebiets ausgesehen hat, welche festliche Kleidung Frauen und Männer bei Feierlichkeiten trugen und was zum Innenleben einer gediegenen Kneipe gehörte.

Rauchen war noch Standard, für Männer wie für Frauen. Wer nicht gleich zahlen konnte, für den schrieb der Wirt einen Deckel, also eine Strichliste mit der Anzahl der Getränke. Der Journalist hat eine Geschichte ausgegraben, was einem Gastronomen passierte, der sich dieser Praxis widersetzte.

Mehrere Autoren haben Texte beigesteuert

Friedhelm Wessel mit dem neuen Buch.
Friedhelm Wessel mit dem neuen Buch. © Dietmar Wäsche

Neben Wessel haben auch noch weitere Autoren an dem Buch mitgewirkt, unter anderem Peter Allekotte. Der bekennende Camper erzählt vom Urlaub Mitte der 70er-Jahre. Die große Fahrt im Sommer führte zum Campingplatz in Lingen(!). Lothar Lange hat Erlebnisse aus dem damaligen Freibad Grimberg zusammengetragen, das an Sommertagen stets proppenvoll war. Ein Blick zurück in den Schulalltag längst vergangener Tage bietet Thomas Althoff. „Mondpalast“-Hausautor Sigi Domke ist mit einem Text über das Autofahren vertreten, und Hubertus A. Janssen steuert Gedichte bei.

So haben der Herausgeber und die Verfasser amüsante, kuriose und unterhaltsame Geschichten zutage gefördert. Sehnsucht kommt allerdings beim Anblick von Fotos auf, die im September 1959 entstanden sind. Sie zeigen Autobahnen im Ruhrgebiet: fünf Fahrzeuge. Das Wort Stau gehörte wohl noch nicht zur Alltagssprache.

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Friedhelm Wessel und die Autoren Lothar Lange und Peter Allekotte laden für Mittwoch, 17. Oktober, ab 18 Uhr zur Lesung des Historischen Vereins ins Schollbrock-Haus ein (Karl-Brandt-Weg 1). Der Eintritt ist
frei.

Das Buch ist im Bottroper Verlag Henselowsky Boschmann erschienen. Das Buch hat 80 Seiten und kostet 9,80 Euro.

Friedhelm Wessel (74) hat schon über 25 Bücher über das Ruhrgebiet veröffentlicht.