Zuspruch und Gegenwind gibt es in Herne für Sahra Wagenknechts linke Bewegung „Aufstehen“. Ein Herner wird Gründungsmitglied des Bündnisses.
Linke Mehrheiten will die von Sahra Wagenknecht (Linke) angestoßene Sammlungsbewegung „Aufstehen“ organisieren. Vier Tage vor der Konstituierung des Bündnisses erstellte die WAZ ein Meinungsbild und befragte Herner Politiker und Gewerkschafter.
Norbert Arndt (Verdi)
Norbert Arndt ist nicht nur Befürworter von „Aufstehen“, sondern wird am Dienstag auch Geburtshelfer der linken Sammlungsbewegung sein. „Ich fahre nach Berlin, um aktiv an der Gründung teilzunehmen“, sagt der Verdi-Sekretär. Es sei höchste Zeit, dass ein parteiübergreifendes bundesweites Bündnis aus der Taufe gehoben werde. Viele Menschen hätten die Hoffnung verloren. Eine Sammlungsbewegung könne dafür sorgen, „die Dynamik der Alternativlosigkeit“ in der Sozialpolitik zu durchbrechen. Er stimme Wagenknecht zu, dass die SPD dabei eine Schlüsselrolle spiele. Die Kritik an Hartz IV unter anderem durch SPD-NRW-Chef Thomas Kutschaty seien erste Zeichen in die richtige Richtung, sagt Sozialist und SPD-Mitglied Arndt.
Daniel Kleibömer (Linke)
Linke-Vorsitzender Daniel Kleibömer steht der neuen Bewegung skeptisch gegenüber und zweifelt an den Erfolgschancen. „Es gab schon häufiger die Möglichkeit, eine linke Sammlungsbewegung zu gründen. Es ist aber nie dazu gekommen“, sagt er. Aus parteipolitischer Sicht befürchtet Kleibömer, dass die Positionen in seiner Partei durch die Sammlungsbewegung verwässert werden könnten. „Man müsste zu große Kompromisse eingehen.“ Dass aus „Aufstehen“ am Ende eine neue Partei entstehen könnte und dies zur Spaltung der Linkspartei führen könnte, sei nicht völlig auszuschließen. „So groß schätze ich die Gefahr zurzeit aber nicht ein“, erklärt der Linke-Sprecher. Und was sagt die Linke-Basis? Die Mehrzahl der aktiven Mitglieder in Herne sei gegen „Aufstehen“, so Kleibömer.
Alexander Vogt (SPD)
„Wir brauchen in Deutschland eine Bewegung, die sich für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und linke Politik einsetzt – auch über Parteigrenzen hinweg“, sagt der SPD-Vorsitzende Alexander Vogt. Nicht zuletzt die Ereignisse in Chemnitz hätten gezeigt, dass hier Bedarf bestehe. Die „Aufstehen“-Initiative sehe er jedoch sehr kritisch: „So etwas kann nicht von oben verordnet werden“, sagt der Landtagsabgeordnete. Und: Für eine neue Bewegung wären „neue Köpfe“ nötig und nicht Akteure, die wie Sahra Wagenknecht stark polarisierten.
Susanne Marek (Grüne)
Grünen-Chefin Susanne Marek erteilt „Aufstehen“ eine Absage und sieht sich damit in ihrer Partei in bester Gesellschaft: „Unsere Bundesspitze hat sich bereits gegen diese Sammlungsbewegung ausgesprochen“, sagt die Stadtverordnete. Die Bewegung sei zu sehr an die Person Sahra Wagenknecht geknüpft. Die Grünen seien dagegen eher basisdemokratisch orientiert. Ihre Partei treibe ja zurzeit die Erneuerung an und werde in einigen Punkten sicherlich Verbündete suchen und Bündnisse eingehen. Für eine große linke Sammlungsbewegung sehe sie zurzeit aber keine Notwendigkeit, erklärt Susanne Marek.
Eric Lobach (DGB)
Das sieht Eric Lobach ganz anders: „Es muss über die Parteigrenzen hinweg ein Bündnis geben – auch um dem Erstarken des rechten Randes etwas entgegenzusetzen“, sagt der Herner DGB-Vorsitzende. Der neuen Sammlungsbewegung stehe er „kritisch-solidarisch“ gegenüber. „Es geht hier nicht um die Gründung einer neuen Partei“, betont der Sozialdemokrat. Jenseits der Parteipolitik müssten neue Wege gesucht werden. Dass die Linke-Bundestagsfraktions-Chefin Sahra Wagenknecht eine führende Rolle spiele, hält Eric Lobach für problematisch, denn: „Sie polarisiert.“
Norbert Kozicki (Sozialforum)
Er hoffe, dass die neue linke Sammlungsbewegung endlich zu mehr sozialer Gerechtigkeit in Deutschland führen werde, sagt Norbert Kozicki vom Herner Sozialforum. Das sei insbesondere für eine unter Kinderarmut leidenden Stadt wie Herne von großer Bedeutung. „Die Parteien müssen in einen vernünftigen Dialog kommen. Bisher geht es meistens nur um ,deine Partei, meine Partei’“, sagt der parteilose Gewerkschafter, der einst der SPD (sehr lange) und der Linken (ganz kurz) angehörte. Die Politik müsse sich wieder an Inhalten und dem Ziel einer gerechten Gesellschaft orientieren, fordert der frühere Falken-Geschäftsführer.