Herne. . WAZ öffnet Pforten: Der frühere Leiter des Bochumer Schulmuseums, Peter Schneller, ließ im „Klassenzimmer anno 1900“ die Vergangenheit aufleben.

Die Aufforderung von Peter Schneller löste gleich eine gewisse Heiterkeit aus: Die Besucher des Heimatmuseums sollten im Klassenraum von anno dazumal ihre Hände auf den Tisch legen, „so wie es damals, um das Jahr 1900, üblich war, wenn der Lehrer durch die Reihen ging“, erläuterte der Sozialpädagoge, der 15 Jahre lang das Bochumer Schulmuseum geleitet hat. Er nahm die zwölfköpfige Gruppe, die an der Aktion „WAZ öffnet Pforten“ teilnahm, mit auf eine Zeitreise.

Schule musst auf die Hygiene achten

Das Bild von Kaiser Wilhelm II. und große Tafeln mit Buchstaben in Sütterlinschrift zeigten den Gästen schon sehr plakativ, in welcher Epoche sie sich nun wiederfanden. Wenn die Lehrer es seinerzeit mit der Sauberkeit ihrer Zöglinge sehr ernst nahmen, dann nutzten sie zwar die Gelegenheit, Druck auf die Kinder auszuüben, aber das Prozedere habe durchaus einen tieferen Sinn gehabt, so Schneller. Denn zu Zeiten, in denen es in Wohnungen noch keine Toiletten gab, geschweige denn ein Bad oder ein Waschbecken, sollte die Schule doch auch auf Hygiene achten.

Tafeln lagen im rechten Winkel

Aufstellen! Peter Schneller  (l.) lässt nichts durchgehen.
Aufstellen! Peter Schneller (l.) lässt nichts durchgehen. © Michael Korte

Wenn ein Lehrer so durch die Reihen schritt, dann schaute er auch ganz genau hin, ob die Schiefertafeln, auf denen die Kinder schrieben, im passenden Winkel auf dem Schultisch lagen und ob Mädchen und Jungen eine aufrechte Sitzhaltung eingenommen hatten, erzählte Peter Schneller. Was passierte, wenn die Schüler auch nur etwas von der Norm abwichen, konnten sich die Besucher selbst ausmalen. „Klar, dann gab es Schläge.“ Mit denen hatten ebenso die Kinder zu rechnen, die dem Pfarrer nicht pfeilschnell eine richtige Antwort gaben, welche Bibeltexte denn am Wochenende zuvor in den Gottesdiensten zu hören waren. Überhaupt habe das Fach Religion zu der Zeit noch eine ganze andere Bedeutung gehabt, allerdings hätten die Kinder meist Lehrsätze und Texte auswendig lernen müssen, berichtete der Pädagoge.

Erinnerungen an die eigene Schulzeit

Die Erzählungen über das strenge Regiment, das die meisten Lehrer führten, weckte bei vielen Gästen Erinnerungen an die eigene Schulzeit. Denn Schläge waren tatsächlich bis in die 1960er Jahre nicht unüblich.

Die Unterrichtszeiten wiederum, schienen auf den ersten Blick den Schülern keine besonderen Härten abzuverlangen. Morgens von 8 bis 12 Uhr, nachmittags von 14 bis 16 Uhr mussten sie die Schulbank drücken. In der Mittagszeit „ging’s nach Hause zum Essen“. Wenn die Kinder am Nachmittag zurückkamen, war aber für sie noch längst nicht Freizeit angesagt. „Hausaufgaben mussten noch erledigt werden und natürlich waren sie in die Hausarbeit eingebunden“, erklärte Peter Schneller. „Viele Familien waren schlichtweg auf die Mithilfe angewiesen, um über die Runden zu kommen.“

Kaisers Kinder als Trendsetter

Peter Schneller mit der Schulkleidung für Mädchen.
Peter Schneller mit der Schulkleidung für Mädchen. © Michael Korte

In der Region sei Krupp nicht nur einer der größten Arbeitgeber, sondern auch einer der reichsten Männer gewesen. Ein großer Teil der Beschäftigten habe aber eher in Armut gelebt. Daher sei es auch für viele Familien äußerst schwierig gewesen, ihren Kindern den großen Wunsch nach Matrosenkleidung zu erfüllen. Trendsetter war damals der Nachwuchs des Kaisers, der auf Fotos entsprechend posierte.

In dem Klassenraum des Heimatmuseums hat schon eine Fülle an Utensilien aus alter Zeit eine neue Heimat gefunden und wird wahrscheinlich schon bald um weitere Erinnerungsstücke ergänzt, erfuhr die Besuchergruppe. Barbara Itzek (68) berichtete Peter Schneller, dass sie noch eine ganze Reihe von Fundstücken daheim habe. „Auf ein solches Angebot gehe ich gerne ein“, meinte Schneller, schließlich sei die Sammlung im Bochumer Museum auch durch Spenden immer weiter gewachsen.

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Das Klassenzimmer anno 1900 im Heimatmuseum Unser Fritz zieht auch außerhalb der WAZ-Aktion immer wieder viele Besucher an.

Zum Museum, das als Teil des Emschertalmuseums die jüngere Stadtgeschichte abbildet, gehören noch weitere Inszenierungen wie zum Beispiel die Jugendstil-Drogerie Kleffmann, ein rekonstruierter Bergbaustollen oder eine Kneipen-Szenerie.