Herne. . Vor 70 Jahren konnten die Herner erstmals mit D-Mark bezahlen. Nicht wenige rieben sich verwundert die Augen: Die Läden waren prall gefüllt.

Die meisten Bürger, die heute vor 70 Jahren einkaufen wollten, trauten ihren Augen nicht. „Die Auslagen der Geschäfte waren auf einmal prall gefüllt“, erinnert sich Friedrich-Wilhelm Barkowski. Der Heimatforscher war damals zwar erst zwölf Jahre alt, aber die Bilder sind ihm im Gedächtnis geblieben, denn „noch zwei Tage vorher herrschte in den meisten Geschäften gähnende Leere. Über Nacht war alles anders geworden “. Der Tag, von dem hier die Rede ist, war der 21. Juni 1948, als die „Verordnung zur Neuordnung des Geldwesens“ in Kraft trat, wie es offiziell hieß. In Westdeutschland zahlten die Bürger jetzt mit D-Mark.

Tags zuvor hatten viele Menschen Schlange gestanden, weiß Gerd Schug, der seine Freizeit der Heimatgeschichte widmet. Auch er war damals noch ein Kind von gerade mal zehn Jahren. Doch die Erlebnisse jener Zeit hat er noch gut vor Augen. Die Stadtverwaltung hatte Umtauschstellen eingerichtet, „in denen die Leute das neue Zahlungsmittel bekamen und ihre Reichsmark abgaben“. Da alle das neue Geld haben wollten, gab es einen regelrechten Run auf die Ausgabestellen, die in Schulen und Kneipen eingerichtet waren. Nur wer Lebensmittelkarten besaß, hatte das Recht auf die neuen Geldnoten.

„Kopfgeld“ für die Bevölkerung

Die Summen waren genau festgelegt: Das Kopfgeld, wie es seinerzeit wirklich genannt wurde, betrug 60 D-Mark. „Ausgezahlt bekamen die Bürger nur 40 Mark“, weiß Günter Bernau zu berichten. „Die weiteren 20 Mark folgten einige Wochen später.“ Für den heute 84-Jährigen, ehemals Mitarbeiter der Sparkasse, und Ehefrau Marlies ist Lokalgeschichte ein Steckenpferd.

Die Aufteilung des Geldes in zwei Chargen war keine Herner Besonderheit, sondern vielmehr hatten Besatzungsmächte klar festgelegt, dass die Bevölkerung das neue Geld nicht in einem Schwung, sondern in zwei Summen zu unterschiedlichen Terminen bekommen sollte. Zu den Verfügungen der Kontrollbehörden gehörte auch, dass Erspartes schrumpfte: Aus 100 Reichsmark wurden 6,50 Mark. „Ich hatte Geld von meinem Onkel auf ein Konto getan und davon blieb leider nicht viel übrig“, sagt Gerd E. Schug. Manche Bürger, so belegen es Zeitungsartikel aus den Jahren, beklagten das Vorgehen der Alliierten, auf solche Weise werde der „kleine Mann“ geschädigt. „Aktien behielten hingegen ihren Wert“, erklärt Schug.

Der 21. Juni war darüber hinaus, wie Friedrich Barkowski erläutert, der Anfang vom Ende eines groß angelegten Schwarzhandels. Denn neben der Reichsmark gab es vor allem eine andere, wichtige Währung: Zigaretten. Mit ihnen trieben manche Bürger einen schwunghaften Handel, um an Lebensmittel zu gelangen. Im dritten Jahr nach Ende des Krieges kostete beispielsweise ein Pfund Butter 250 Reichsmark - bei einem durchschnittlichen Monatsgehalt von 170 Reichsmark. Da versuchten manche Bürger, sich mit Rauchwaren ein Zubrot zu verdienen.

Kaufleute beschimpft

Den exakten Termin der D-Mark-Einführung hatten die Besatzungsmächte lange Zeit geheim gehalten. Erst wenige Tage vorher wurde über das Radio und Plakate an Litfaßsäulen die Währungsreform bekannt gegeben. „Die Menschen haben dann natürlich versucht, noch etwas für ihre Reichsmark zu bekommen, sie wussten ja nicht, was sie erwartet“. So berichten die Zeitungen, die übrigens angesichts des Papiermangels nur alle zwei Tage erschienen, von großem Andrang in den Geschäften. „Doch es gab eben nur wenig Ware“, sagt Marlies Bernau, deren Eltern bis in die 60er-Jahre hinein einen Bäcker- und Lebensmittelladen hatten. Ihr Vater sei auch häufig gefragt worden, warum denn erst nach der Währungsreform die Regale wieder gefüllt gewesen seien. Er habe zur Antwort gegeben, dass er vorher Bestellungen von der Anzahl der Lebensmittelkarten und von Lieferanten abhängig gewesen sei. Als die D-Mark den 20. Geburtstag feierte, meinte ein Geschäftsmann gegenüber der WAZ, dass die Kaufleute oft beschimpft worden seien, sie hätten Güter gehortet. Das stimme aber nicht. Fabrikanten hätten vielmehr kurz vor dem 20. Juni Waren sogar auf Kredit angeboten und später in D-Mark abgerechnet.

Das große Angebot der Geschäfte war für die Bevölkerung natürlich verlockend, nach all den Jahren der Entbehrungen. Zahlreiche Bürger setzten das Geld auch gleich um in Kleidung, technische Geräte oder gutes Essen. Zudem hatten die Menschen lange genug über sich ergehen lassen müssen, dass es Lebensmittel nur auf Karte und nur rationiert gab.

Nur noch wenige Stellen nehmen die Mark an

Mittlerweile ist die D-Mark längst Geschichte. Ihr Ende kam in zwei Schritten: Am 1. Januar 1999 verschwand sie als Buchungsgröße und am 1. Januar 2002 löste sie der Euro in Münzen und Scheinen ab .

Die Mark hat allerdings ihren Wert nicht verloren. Wer noch daheim auf Geldnoten oder Münzen stößt, kann sie gegen Euro eintauschen. Allerdings nehmen sie eine ganze Reihe von Bankfilialen nicht mehr an. Auf Anfrage der WAZ erklärten Sprecher der Volksbank, der Sparda-Bank, der Commerzbank, der Deutschen Bank und der Postbank, dass Kunden mit D-Mark-Beständen gebeten werden, sich an die zuständige Bundesbank zu wenden. Niederlassungen sind u.a. in Dortmund und Bochum.

Umtauschkurs ist gleich geblieben

Die Sparkasse teilte mit, dass bei der Rücknahme eine Gebühr in Höhe von einem Prozent des Umtauschwertes (mindestens 2 Euro) erhoben werde, um den Aufwand („Aufbereitung und Lagerung wie auch für die sortenreine Abgabe der Bestände an die Bundesbank“) zu decken. Es komme durchaus noch „des Öfteren vor, dass Herner Bürger D-Mark-Bestände tauschen lassen wollen“, sagt Sparkassen-Sprecher Jörg Velling.

Der Umtauschkurs ist seit der Euro-Einführung gleich geblieben: ein Euro für 1,95583 DM. Laut Bundesbank sind 2017 allein in der Dortmunder Filiale 1,3 und in Bochum eine Million Mark zurückgeflossen. Bundesweit waren es 90 Millionen Mark.

Ware gegen D-Mark bietet Horst Strunk vom Puma Profi Shop an der Hauptstraße in Wanne. Nachdem er mehr aus Zufall vor vielen Jahren auf die Idee gebracht worden sei, habe sich der Service bewährt, sagt er. Manche Münzsammler suchten ihn auf, sagt er, aber ebenso erlebe er es häufiger, dass Menschen im Nachlass von Angehörigen noch D-Mark-Bestände gefunden hätten.