Herne. . Fast 300 Teilnehmer eines „Freundschafts- und Solidaritätsfestes“ demonstrierten gegen eine Veranstaltung mit AfD-Politiker Tillschneider.
Die Veranstaltung mit AfD-Rechtsaußen Hans-Thomas Tillschneider am Sonntagmorgen in der Zille im Kulturzentrum ging fast im Volkszorn unter. Die rund 60 Teilnehmer trafen auf fast 300 Demonstranten, die mit Reden und Musik ein lautstarkes Gegenzeichen auf dem Willi-Pohlmann-Platz setzten.
„So ein Spektakel hat man nicht alle Tage, vor allem nicht in Sachsen-Anhalt, da sind wir gesellschaftlich akzeptiert“, sagte Tillschneider, der mit Gesinnungsgenossen bis weit nach dem geplanten Beginn seines Vortrages vor dem Kuz ausharrte und den Reden des „Freundschafts- und Solidaritätsfestes“ lauschte. „Stoppt AfD“ lautete es auf dem Plakat, das Klaudia Scholz von der Linkspartei für die Demo gegen Rechts gemalt hatte. Über ein halbes Dutzend Polizeiwagen war ringsum samt Personal abgestellt, bis zum Ende blieb aber trotz der kontroversen und brisanten politischen Gemengelage alles friedlich.
Verdi-Sekretär Norbert Arndt dankte den Teilnehmern für ihre Zivilcourage bei der Aktion „Herne stellt sich quer“ und geißelte den „braunen Ungeist, der sich in ganz Europa breit macht.“ Arndt zeigte sich weiterhin enttäuscht darüber, dass die Stadtverwaltung das Shoah-Denkmal für die Aktion nicht öffnen wollte, vor allem deren Begründung, das könne die AfD-Anhänger „provozieren“. DGB-Chef Eric Lobach rief dazu auf, sich am „Aufstand der Anständigen“ zu beteiligen, die AfD nutze die Veranstaltung mit Tillschneider, um Vorurteile gegen Muslime zu schüren. Oberbürgermeister Frank Dudda, der als Privatperson ans Mikrofon ging, machte deutlich, dass alle Bürger willkommen seien, die dabei helfen, die soziale Situation in Herne zu verbessern, die AfD aber „einen anderen Weg“ gehe. Auch Bürgermeister Erich Leichner hatte den Weg als Privatmann zum Kuz gefunden.
Brücke zwischen den Weltreligionen
Eine Brücke zwischen den Weltreligionen schlug Michael Rosenkranz, Vorsitzender Jüdischen Gemeinde: „Der Islam hat Juden und Christen von Anfang an Achtung entgegen gebracht.“ Tuncay Nazik, Imam der islamischen Gemeinde Röhlinghausen, der die Buchstaben AfD nicht einmal in den Mund nehmen wollte, appellierte: „Wir dürfen das Feld nicht den Antisemiten und Antimuslimen überlassen!“ Hier schloss sich Dekanatsreferent Heinz Otlips an und forderte, öffentliche Räume nicht den „Rändern“ zu überlassen.
Neben bekannten Gesichtern aus Politik und Verwaltung sah man auch zahlreiche Normalos, die auf dem „Freundschaftsfest“ klare Kante zeigen wollten. „Dafür, dass Herne 160 000 Einwohner hat, könnten es hier ein paar mehr sein“, sagte Jörg Wilking (58). Dirk Dittmann pflichtete ihm grundsätzlich bei, fand aber das Verhältnis von 60 AfD-Anhängern und knapp 300 Gegendemonstranten „beeindruckend genug.“
Weniger beeindruckend und etwas abgestanden fanden etliche Teilnehmer den Beitrag von Jochen Bauer, der im GEW-Landesvorstand ist und versuchte, selbst komponierte Lieder wie den AfD-Blues und alte Kampflieder der Arbeiterbewegung vorzutragen. Sie hörten aber „trotz alledem“ zu. Der Gewerkschafter gab sich ja schließlich alle Mühe. Die Rockbands „Edy Edwards“ und „Belle Epoque“ hatten anschließend reichlich Gelegenheit, den Schaden wieder gut zu machen.