Herne. . Mit einem Fest im Strünkeder Park ist am Samstag das Kunstwerk „Coal Market“ von Ibrahim Mahama eingeweiht worden. Kritik war nicht zu hören.

Die Herner haben ein neues Fotomotiv. Handys und Fotoapparate wurden gezückt, um an diesem sonnigen Samstagnachmittag festzuhalten, was die Stadt schon vor der offiziellen Eröffnung bewegt und gespalten hatte: die Verhüllung von Schloss Strünkede.

Zwar haben es der ghanaische Künstler Ibrahim Mahama und seine Kletterer doch nicht geschafft, bis Samstag das Schloss komplett mit Jutesäcken einzukleiden. Doch zumindest die Front ist bedeckt, bis auf das Tor zum Schlosshof, in dem Oberbürgermeister Frank Dudda vor großer Runde „Coal Market“ offiziell eröffnet.

OB: „Monumentales Kunstwerk“

Dass er zu der Installation steht, hat der OB im Vorfeld schon betont, und so fällt auch seine Rede fast euphorisch aus. „Wir erleben hier ein monumentales Kunstwerk“, sagt er. „Das ist schon eine große Freude.“ Dass es Anlass ist zu Diskussionen, stört ihn nicht, im Gegenteil: „Wir reden dadurch mehr über Kunst als es in Herne üblich ist.“ Wenn die Verhüllung nicht „schön“ im landläufigen Sinne sei, habe das mit der Melancholie zu tun, die das Ende der Kohle begleite. Der als zurückhaltend bekannte Künstler war anwesend, hielt sich aber im Hintergrund.

Als Leiter des Emschertalmuseums würdigte ihn Oliver Doetzer-Berweger: „Mit Ibrahim Mahama dürfen wir Kunst auf internationalem Niveau in Herne begrüßen“, sagt er und dankte den Sponsoren, die das ermöglicht hatten, von RAG und Anneliese-Brost-Stiftung über das Land und die Herner Sparkasse bis zur Kulturinitiative.

Schloss hat eine Bergbaugeschichte

Für das Netzwerk der RuhrKunstMuseen bemühte sich Ferdinand Ullrich, denen entgegenzukommen, die bisher keinen Zugang zu der Skulptur gefunden haben. Auch das Schloss habe eine Bergbaugeschichte, erklärte er: „Es ist 1900 von der Harpener Bergbau AG gekauft worden.“ Mit dem Ende der Bergwerke im Ruhrgebiet ende nicht die Zeit der Steinkohle. Diese komme demnächst aus China, Kolumbien und Afrika. Auch dafür ständen die Säcke, die eine eigene Geschichte als Transportmedium mitbrächten. Dass diese Säcke „verschlissen und verbraucht“ seien, unterscheide Mahama von dem Verpackungskünstler Christo, der für den Reichstag eine „wunderschöne Hülle“ verwandt habe. Ullrich bezeichnete „Coal Market“ als „Werk, das das Potenzial hat, in unser aller Erinnerung zu bleiben.“

Auf der Brücke konnten die Besucher den Jutebahnen ganz nahe kommen. Einige Säcke sind ausgebleicht, sie hat Mahama schon bei seinen Verhüllungsprojekten in Kassel und Venedig genutzt. Ein Bochumer Kunstkenner hatte einen besonderen Tipp: Vom Innenraum durch die verhängten Fenster schauen. Da verändern Licht und leichte Bewegungen im Wind die Farbe der Säcke immer wieder von Neuem.

Während auf Facebook die Kritik an der Verhüllung deutlich ist (,fürchterlich“, „abgrundtief hässlich“, „Kulisse für Halloween“), ist das Kunstwerk bei der Eröffnung zumindest öffentlich durchgängig gelobt worden. „Die sollen doch erst mal gucken, bevor die sich aufregen“, schlug eine Mitfahrerin im Shuttle-Bus zum Schloss den Kritikern vor.

Kontroverse um das Werk

Die Kulturausschussvorsitzende Bettina Szelag, die im Vorfeld nach einer eventuellen Schädigung der Schlossmauern durch die Säcke gefragt hatte, sah über ihre „hausfraulichen Bedenken“ hinaus keinen Anlass zur Kritik. „Ich war von der Idee von Anfang an begeistert. Dass wir das in Herne haben, ist grandios.“ Dafür sei viel Geld nach Herne geflossen. „Das überwältigt mich mehr, als ich erwartet habe“, gab Kulturdezernentin Gudrun Thierhoff zu. Die Unterschiedlichkeit der Säcke mache deren ursprünglichen Nutzen deutlich. Ein weiterer Effekt: „Man nimmt die Strukturen des Schlosses ganz anders wahr.“ Die Kontroverse um das Werk sei in Ordnung, so lange sie nicht mit rassistischen Äußerungen verbunden sei. Das Geld für die Skulptur werde keinem anderen Bereich entzogen, sondern sei zusätzlich da.

„Eine überwältigende Kulisse“ fand auch der Leiter des Fachbereichs Kultur, Peter Weber. Claudia Stipp, die Leiterin des Kulturbüros, war ebenfalls angetan, findet das verhüllte Schloss aber auch „ein bisschen gruselig“. „Ich habe erst gedacht, das ist so ein billiger Christo-Abklatsch“, sagte der Herner Künstler Willy Zehrt. „Ist es aber nicht. Der Mahama hat da ein ganz starkes Zeichen gesetzt.“