Herne. . Die „Flora“ in Wanne war einst ein publikumsstarker Vergnügungs- und Freizeitpark. Warum er einst groß wurde und dann an Bedeutung verlor.

Er ist ein richtiges kleines Idyll, mitten im Wanner Norden. Begrenzt von Flora-, Heid- und Rathausstraße lädt der Flora-Marzina-Park mit seinem abwechslungsreichen Baumbestand dazu ein, eine gemächliche Runde um den Teich zu ziehen, einen Blick in den Mini-Wasserfall zu werfen, auf einer der Bänke Platz zu nehmen oder einfach den Anblick der zurzeit in voller Blüte stehenden rosafarbenen Japanischen Kirschbäume zu genießen und sich den Duft der weiß blühenden Traubenkirsche um die Nase wehen zu lassen. Selbst die Verkehrsgeräusche dringen nur gedämpft in die kleine Anlage, an der Ortsunkundige schnell achtlos vorbei laufen.

Anfang des 20. Jahrhundert war das natürlich etwas ganz anderes, da war die Flora Marzina eine große Nummer im Ruhrgebiet. Tausende von Besuchern aus den Großstädten ließen sich in das „größte und schönste Gartenetablissement im Kohlengebiet“ locken, so eine Anzeige in der Sodinger Zeitung von 1910. Einen Teich gab es schon damals, nur mit seinen 8000 Quadratmetern erheblich größer als der heutige. Der von vielen Besuchern genutzten Möglichkeit, den Gondelteich mit Booten zu befahren, verdankte der Park seinen Beinamen als „Venedig von Wanne.“ Und in der Mitte des Teichs lag eine kleine Insel, mit einem großen Entenhaus darauf.

Seltene wilde Buschwindröschen

Davon ahnen die wenigen Exemplare, die heute ohne Eile durch das brackige Wasser ziehen, natürlich nichts. Aber sie haben es auch ohne Insel und eigenes Häuschen gut angetroffen. Unter Kanadagänsen scheint der Flora-Marzina-Park ebenfalls noch ein Geheimtipp zu sein, nur ein einziges Pärchen hat es für sich entdeckt. „Das ist auch gut so“, sagt Hiltrud Buddemeier, Vorsitzende des BUND Herne, „alles andere wäre für den Teich schlecht.“

Nicht nur Enten und Gänse lassen es sich dem heute etwas mehr als einem Hektar (10 000 Quadratmeter) großen Park gut gehen: Ein Zaunkönig saust haarscharf in Kopfhöhe vorbei und verschwindet im Gebüsch, unter dem Hiltrud Buddemeier ein Feld mit wilden Buschwindröschen entdeckt: „Die gibt es in Herne kaum noch“, freut sie sich. Elstern, Tauben, ein Eichelhäher, Meisen, Amseln und andere heimische Vögel kreuzen fleißig hin und her, lassen sich in Ulmen, Eichen und Birken nieder.

„Das ist ja gar nichts“, werden alteingesessene Wanner jetzt sagen. Zu ihren Glanzzeiten prunkte die Flora Marzina nicht nur mit einem Gondelteich, im Park gab es sogar einen kleinen Tierpark mit verschiedenen Vögeln wie Silberfasanen und Störchen, aber auch mit Hirschen, Füchsen, Wolf und Waschbären.

„Mustergültiger Kuhstall“

17 Morgen, das sind etwa 42 500 Quadratmeter (die Größe eines Morgens variiert von Region zu Region), war die Flora einst groß und ist allein der Privatinitiative eines (Zimmer-)Mannes zu verdanken, der aus Altenessen nach Wanne zog: Wilhelm Marzina.

Er kaufte 1898 die Gaststätte Bundert und Nehring, die an der Ecke Heidstraße/Hindenburgstraße (heute: Hauptstraße) lag und erweiterte das Gebäude um einen kleinen und einen großen Saal (1000 Personen), richtete eines der ersten Kinos in Wanne ein, kaufte zu seinem anfangs zwei Morgen großen Land noch dazu.

Es entstanden ein Musikpavillon mit Konzertmuschel, eine künstliche Turmruine mit Wasserfall und 1906/07 das „Schweizerhaus“, ein „mustergültig eingerichteter Kuhstall, der zu besichtigen war“, berichtete die Wanner Eickeler Zeitung am 21. August 1928 in einem Rückblick auf 30 Jahre Flora Marzina. Und damit immer noch nicht genug: Für Kinder gab es einen „Sportplatz mit Schaukeln, Rundlauf und Karussell – einen Spielplatz mit Wipptieren, verschiedenen anderen Geräten, und einen Bolzplatz gibt es auf dem Gelände auch heute noch. Und die städtische Kita an der Florastraße.

Nur das Schweizerhaus blieb erhalten

„Das war hier einmal ein richtiger kleiner Vergnügungs- und Freizeitpark“, weiß auch Hiltrud Buddemeier aus Erzählungen und alten Dokumenten. Denn mit dem Zweiten Weltkrieg war es auch mit dem Flora-Park vorbei - fast alles wurde zerstört, nur das Schweizerhaus blieb erhalten. Doch auch schon zuvor hatte der Niedergang der Flora langsam eingesetzt: Die Unterhaltung war teuer, insbesondere die des Tierparks, die Stadt Wanne-Eickel war zu einer Unterstützung nicht bereit.

Im Schweizerhaus wurden nach 1945 „aus dem Osten vertriebene Eisenbahner“ untergebracht, ist einem Protokollbuch der Gemeindevertretung Wanne zu entnehmen. 1948 übernahm die katholische Kirchengemeinde St. Laurentius das Gelände zunächst, baute eine Freilichtbühne und einen Sportplatz. bevor die Stadt es kaufte.

Die Zeiten des Vergnügungsparks waren vorbei. An den Rändern entstanden Wohnhäuser, am 3. Oktober 1959 eröffnet Wanne-Eickels Oberbürgermeister Edmund Weber auf dem Gelände das städtische Altenheim Flora Marzina. Später kauften es die Marseille-Kliniken. Das Schweizerhaus wurde 1967 abgerissen.

Der Park selbst scheint lange Zeit brach gelegen zu haben und soll sich in ein „düsteres Wäldchen“ verwandelt haben. Erst 1976 machte sich die Stadt, zu dem Zeitpunkt schon die Stadt Herne, daran, den Park wieder herzurichten und legte zum Beispiel Skattische und feste Tischtennisplatten an. Beides gibt es heute nicht mehr. Erhalten blieben eine Grünanlage, der Teich und der kleine Wasserfall, die ein wenig an die Glanzzeiten des Flora-Marzina-Parks erinnern.