Herne. . An der Vödestraße in Herne-Süd sorgte im April 1968 eine junge Bande für Unruhe. Anwohnerinnen trauten sich nicht mehr allein aus dem Haus.

Vor 50 Jahren hat es mächtig gekracht an der Vödestraße in Herne-Süd. Ina Thom wohnt schon in der fünften Generation unmittelbar an der Stadtgrenze zu Bochum und war im April 1968 zehn Jahre alt, als die WAZ berichtete: „Junge Bande terrorisiert die Vöde – Krawalle, Überfälle, Drohungen.“

Bei Anbruch der Dunkelheit hätten sich Frauen nicht mehr allein auf die Straße getraut, schrieb unsere Zeitung damals. „Ich hatte keine Angst“, blickt Ina Thom zurück. Doch da gehörte das Mädchen zweifellos zur Minderheit. Die Randale eskalierte an einem Sonntagabend, nachdem ein junger Mann in der inzwischen abgerissenen Gaststätte Schneider an der Ecke Vödestraße/Flottmannstraße auf dem Tisch getanzt hatte und Lokalverbot bekam. Daraufhin kehrte der Mann mit einer Verstärkung von rund 20 Jugendlichen zurück. Sie machten Krach, warfen Mülleimer um, schlugen Gartenzäune kaputt und vermöbelten einen Gast sogar mit einer Eisenstange.

Angriff vereitelt

Doch zum Angriff auf das Lokal und zur Verwirklichung des Vorhabens „Wir schlagen den Wirt tot“ ist es laut Bericht nicht mehr gekommen. Die Schneider-Gäste gingen zum Gegenangriff über, die Bande nahm Reißaus. Sie ließ Steine, Schlagstöcke und Trümmer zurück. Als die Polizei mit ihren Streifenwagen eintraf, war der Spuk zu Ende. „Doch die Jugendlichen können zu jeder Zeit wiederkommen“, lautete die Warnung damals.

„Die Nachbarn haben alle Angst. Wir können nur noch in Gruppen auf die Straße gehen“, sagte eine Frau. Seit drei Monaten kommt die Straße nicht zur Ruhe: eingeworfene Scheiben, eingeschlagene Autofenster, geknackte Automaten im „Haus Schneider“ mit 1000 Mark Beute, ein gestohlenes Auto, das später in Bochum wiedergefunden wurde, Beschädigungen, Schlägereien, Überfälle, Drohungen, Anpöbeleien waren anscheinend an der Tagesordnung.

Die Vödestraße heute
Die Vödestraße heute © Martin Tochtrop

„Ich sah, wie sie zwei junge Mädchen ins Auto zerrten und ihnen die Haare abschnitten“, berichtete ein Mann. Die verängstigten Nachbarn nahmen an, dass die „jugendlichen Rabauken“ aus dem sogenannten „Asyl“ stammten. Das war die Unterkunft für sozialschwache Bürger an der Zillertalstraße auf Bochumer Seite. Aber auch Herner Jugendloche sollten unter den Randalierern sein.

Auch wird berichtet: „In den kleinen Grünanlagen am Erlenweg und dem leer stehenden Haus an der Flottmannstraße treiben sie sich mit ganz jungen Mädchen herum.“ Das kaum abgesicherte verfallene Gebäude soll oft „Schauplatz ausgelassenen Treibens“ gewesen sein.

Müll und Schmutz

Kot, Zigarettenstummel, Trümmer und Abfall hätten dort herumgelegen. Was vor 50 Jahren ein „Schandfleck“ war, ist heute nicht mehr wiederzuerkennen. Wo das Haus Schneider stand, sind schmucke Reihenhäuser gebaut worden. Und am berüchtigten Asyl auf der anderen Seite der Stadtgrenze? „Da stehen heute schöne Häuser, das ist fast ein Nobelviertel dort“, sagt Ina Thom. Sie habe immer gerne an der Vödestraße gewohnt, früher zur Miete, mittlerweile in ihrem Eigenheim.

Dass es eine Zeit gab, als die Vödestraße so negativ in die Schlagzeilen geriet: Man würde es nicht glauben, wenn man es nicht schwarz auf weiß hätte.