herne. . In Herne ist eine Diskussion darüber entbrannt, ob Frauen mit niedrigem Einkommen kostenfreie Verhütungsmittel erhalten sollen.

In Städten wie Dortmund, Gießen oder Marl müssen Frauen mit niedrigem Einkommen ihre Verhütungsmittel nicht selbst bezahlen. Auch in Herne gibt es nun Bewegung: Die Politik denkt darüber nach, ab 2019 Geld für dieses Angebot in den Haushalt einzustellen – zur Überbrückung, bis der Bund eine Finanzierung sichert.

„An der Notwendigkeit eines solchen Angebots kann es keinen Zweifel geben“, sagte Volker Bleck (SPD) am Mittwoch in der Sitzung des Sozialausschusses. Der Ausschussvorsitzende gab aber zu bedenken, dass die Kostenübernahme eine freiwillige Leistung sei und von einer Haushaltssicherungsgemeinde wie Herne nicht so einfach übernommen werden könne.

Bundesrat ist für eine Kostenübernahme

„Es wäre nur eine Überbrückung“, sagte Sabine Blesken von der Schwangerenkonfliktberatungsstelle der Stadt, die zuvor mit ihrer Kollegin Agnes Neuendorf im Ausschuss für eine Kostenübernahme geworben hatte. Denn: Der Bundesrat setze sich dafür ein, dass der Bund die Finanzierung flächendeckend sichert.

In Deutschland müssen Frauen Kosten für Verhütungsmittel ab dem 20. Lebensjahr selbst tragen. Bis 2004 hatte das Sozialamt bei Frauen mit geringem Einkommen die Kosten für vom Arzt verschriebene Verhütungsmittel übernommen, um ungewollte Schwangerschaften zu verhindern und Gesundheitsrisiken auszuschließen.

Über Hartz IV ließen sich hormonelle Verhütungsmittel wie z.B. eine mehr als 400 Euro teure Spirale nicht finanzieren, erklärten Blesken und Neuendorf. Der Regelsatz sehe monatlich 15,80 Euro für Gesundheitspflege und davon fünf Euro für Verhütung vor. Einige Kommunen hätten einen Fonds aufgelegt, um Verhütungsmittel für Frauen in sozialen und finanziellen Notsituationen zu bezahlen, so Blesken. Dortmund stelle dafür jährlich rund 50 000 Euro zur Verfügung. Umgerechnet auf Herne wären etwa 13 000 Euro nötig.

Bundestagsabgeordnete sehen Handlungsbedarf

Der Bund ist 2017 aktiv geworden und hat zunächst ein Modellprojekt aufgelegt. In den teilnehmenden Städten werden bedürftigen Frauen auf Antrag die Kosten für Verhütungsmittel erstattet.

Auch die Herner Bundestagsabgeordneten Michelle Müntefering (SPD) und Paul Ziemiak (CDU) sehen Handlungsbedarf.
Auch die Herner Bundestagsabgeordneten Michelle Müntefering (SPD) und Paul Ziemiak (CDU) sehen Handlungsbedarf. © Jürgen Theobald

Und was sagen die Herner Bundestagsabgeordneten? Michelle Müntefering (SPD) und Paul Ziemiak (CDU) sehen Handlungsbedarf. Die SPD habe sich bereits im Programm zur Bundestagswahl 2017 dafür eingesetzt, dass für Frauen mit niedrigem Einkommen der kostenlose Zugang zu Verhütungsmitteln sicherzustellen sei, so Müntefering. Es sei aber nicht gelungen, dies im GroKo-Vertrag zu verankern. Sie hoffe sehr, dass nun eine Lösung gefunden werde.

Darauf setzt auch Ziemiak. Einen Seitenhieb kann er sich aber nicht verkneifen: Die damalige rot-grüne Bundesregierung habe das Problem geschaffen, sagt er. „Und nun wollen die selben Parteien das Problem bei den Jobcentern abladen.“ Es stelle sich grundsätzlich die Frage, ob es sich hier um eine Sozialleistung oder eine Gesundheitsleistung handele.

INFO: Das Modellprojekt „Biko“

„Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung gilt für alle Frauen“, sagte die damalige Parlamentarische Staatssekretärin Elke Ferner 2017 zum Start des Modellprojekts „Biko“.

Das vom Bund für zwei Jahre aufgelegte Projekt finanziert vom Arzt verschriebene Verhütungsmittel für Frauen mit wenig Einkommen in sieben Städten und Kreisen. Außerdem gibt es ein ergänzendes Beratungsangebot. Beteiligt ist unter anderem der Kreis Recklinghausen.