Herne. 35 Jahre hat der gebürtige Wanne-Eickeler Jörg Laftsidis im Bergbau gearbeitet – rund zwei Drittel seines Lebens. Zum Abschied fühlt er Wehmut.

Wenn man Jörg Laftsidis nach dem 21. Dezember dieses Jahres fragt, weiß er sofort Bescheid, worauf man hinaus will: Dann findet in Bottrop die offizielle Feier zum Ende des deutschen Steinkohlebergbaus statt. Die gesamte deutsche Politprominenz wird wohl zum Ende dieser prägenden Epoche dem Bergbau nochmal ihre Reverenz erweisen. Für den gebürtigen Wanne-Eickeler endet dann auch seine ganz persönliche Ära. 35 Jahre hat der Reviersteiger im Bergbau gearbeitet, rund zwei Drittel seines bisherigen Lebens. Und er hätte gerne noch verlängert.

Wenn er ein wenig von seiner Familiengeschichte erzählt, offenbart sich schnell, dass diese Ära weit in seine Vergangenheit reicht. „Ich bin mit dem Bergbau groß geworden“, sagt der 52-Jährige im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Von der elterlichen Wohnung in Bickern aus konnte er den Förderturm von Zeche Pluto sehen, dort malochte sein Vater - und das im klassischen Sinne des Wortes. Was er damit meint: „Seine Unterarme waren so groß wie meine Oberschenkel“. Sein Vater war als Gastarbeiter aus Griechenland in den Pott gekommen und verdiente als Hauer sein Geld.

Den Vater manchmal von der Arbeit geholt

Manchmal habe er seinen Vater von der Arbeit abgeholt. Da lag es nahe, dass auch der Sohn Kumpel wird, doch ganz so klar habe der Fall nicht gelegen, erzählt Laftsidis. „Ich habe mehrere Bewerbungen geschrieben, auch bei Heitkamp habe ich mich beworben.“ Und dann fiel doch die Wahl auf den Pütt. Mit 17 Jahren begann er seine Lehre als Vermessungstechniker, erste Station: Zeche Consolidation in Gelsenkirchen.

Bei seiner ersten Schicht unter Tage sei er erstmal von den Kollegen geprüft worden, ob er denn in Sachen Fußball an die richtigen Farben glaube. Ja, er war damals ein Königsblauer und ist es heute immer noch. Wie zum Beweis zieht er beim Gespräch mit der WAZ seine Dauerkarte aus dem Portemonnaie.

Bergbau war in den 70ern ein Beruf mit Zukunft

Jörg Laftsidis (r.) mit einem Kollegen         
Jörg Laftsidis (r.) mit einem Kollegen         © Laftsidis

Wenn Laftsidis heute zurückschaut, erinnert er sich an einen Beruf, der damals Zukunft hatte. Das erste große Zechensterben lag Jahre zurück, mit der Ölkrise in den 70er-Jahren erlebte der Steinkohlebergbau eine Renaissance. Damals seien den Kumpeln sogar Bleibeprämien angeboten worden, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Doch das Hoch hielt nicht an, das schleichende Sterben der Zechen setzte wieder ein. Laftsidis, selbstverständlich Gewerkschaftsmitglied und Vertrauensmann, hat sich mit allem, was in seiner Macht stand, dagegen gestemmt. Er hat in Bonn und Berlin gegen das Kohle-Aus demonstriert und hat 1997 in der legendären Menschenkette gestanden, die einmal quer durchs Ruhrgebiet reichte. Laftsidis lässt deutlich durchblicken, dass er die politische Entscheidung immer noch nicht nachvollziehen kann. „Ich hätte mir gewünscht, dass man zumindest ein Bergwerk auflässt“, sagt er.

Knappschaftsältester und Schöffe

Doch er ist kein Träumer oder Romantiker, er ist sich bewusst, dass die politischen Kämpfe ausgefochten sind. Etwas Nostalgie spürt man, wenn er über seinen Job spricht. Die Zeche, das sei ein ganz besonderer Arbeitsort gewesen, der mit nichts anderem zu vergleichen sei. Die Arbeit unter Tage habe schon zusammengeschweißt. Laftsidis hat früh Führungsaufgaben übernommen, im Alter von 22 Jahren war er schon Steiger. 30 Jahre war er bei der Grubenwehr, hat an Wochenenden durchgearbeitet. Zweimal in dieser ganzen Zeit habe er wegen Krankheit gefehlt. Seine Schwester Maria Laftsidis-Krüger sagt über ihn: „Mein Bruder lebt für den Bergbau.“

Das Ende des Bergbaus werde ein tiefer Einschnitt in seinem Leben sein, so Laftsidis, der noch auf Prosper-Haniel in Bottrop arbeitet. Doch er ist schon in seine Zukunft gestartet. Seit Februar ist er Knappschaftsältester, damit habe er immer etwas zu tun. Schon jetzt klingele mehrmals am Tag sein Telefon. Darüber hinaus hat er sich als Schöffe beworben. Die Chancen stehen gut, die Gerichte suchen dringend ehrenamtliche Richter. Ein beruflicher Neuanfang ist trotz seiner erst 52 Jahre nicht mehr möglich. Zunächst geht Laftsidis in die Anpassung, später wird er die sogenannte Knappschaftsausgleichs-Rente erhalten.

„Langweilig wird mir nicht“

Den Begriff Rente mit Jörg Laftsidis zusammen zu bringen fällt nicht leicht. Er sieht fit aus - und fühlt sich auch so. Kein Wunder, er ist passionierter Jogger, nach dem Ausscheiden aus dem Beruf werden seine Strecken wohl länger werden. „Langweilig wird mir nicht.“

Seine aktuelle Gefühlslage umschreibt er mit Wehmut. Eigentlich hätte er schon Ende 2014 aufhören können, doch Laftsidis entschied sich weiterzuarbeiten - bis zum Ende in wenigen Monaten. Wenn die letzte - symbolische - Kohlenlore zu Tage gebracht wird, dann werde er eine Träne verdrücken, da ist sich Jörg Laftsidis jetzt schon sicher.