Herne. . Das LWL-Museum für Archäologie verknüpft die Themen auf unterhaltsame Weise. Ein umfangreiches Beiprogramm ergänzt die sehenswerte Schau.

Mal angenommen, Nordamerika versänke und würde erst in 2000 Jahren von Archäologen wieder ausgegraben. Wie heutige Wissenschaftler anhand von Funden die Vergangenheit rekonstruieren, so würden zukünftige Forscher dann die Relikte unserer Zivilisation deuten - und dabei völlig daneben liegen. Diese Idee hat der amerikanische Zeichner und Autor David Macaulay weitergesponnen. Sein „Motel der Mysterien“ begrüßt im LWL-Museum die Besucher der neuen Sonderausstellung „Irrtümer und Fälschungen der Archäologie“.

Klobrille als Collier gedeutet, TV als Altar

David Macaulay in seiner Installation, die dem Buch  Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services
David Macaulay in seiner Installation, die dem Buch Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services © Ingo Otto

Nach Büchern zur Architektur habe ihn die Archäologie gereizt, erklärte der aus den USA angereiste Macaulay am Mittwoch - für ihn eine Art „detective story“. Macaulay hat sich bereits 1973 einen Spaß daraus gemacht, seinen Detektiv, den Forscher Carson, auf die falsche Fährte zu schicken. Das verschüttete Motel hält dieser für eine Kult- und Grabstätte, die Kloschüssel ist in seinen Augen eine heilige Urne, die Klobrille das Collier einer Priesterin und der Fernseher ein großer Altar. Pappwände mit Szenen aus dem neu aufgelegten und ins Deutsche übersetzten Buch und Vitrinen mit „fehlinterpretierten“ Objekten von der Duschhaube bis zum Telefon stimmen im Eingangsbereich auf das Thema „Irrtümer“ ein.

200 Stücke von 60 Leihgebern zur Verfügung gestellt

Fünf Irrtümer haben die Ausstellungsverantwortlichen in Pavillons neben fünf Fälschungen gestellt. 200 Stücke wurden von 60 Leihgebern zur Verfügung gestellt und vom Museum multimedial arrangiert. 800 000 Euro standen zur Verfügung, einschließlich der Kosten für die Präsentation am zweiten Standort, dem Hildesheimer Roemer- und Pelizaeus-Museum.

Ein Eimer - fälschlicherweise wurden die Beschläge als Krone gedeutet.
Ein Eimer - fälschlicherweise wurden die Beschläge als Krone gedeutet. © Caroline Seidel

Das sicher spektakulärste Objekt dürfte das Einhorn sein: ein Modell, gebaut nach naturwissenschaftlichen Zeichnungen, die irrtümlich zusammenfügten, was nicht zusammengehörte, Knochen von Mammuts nämlich und von Wollnashörnern, während das Horn von einem Narwal stammt. Hinter den in Herten gefundenen Feuersteinen steckte eine Marketing-Idee eines Wurstfabrikanten. Die vermeintliche Krone mit Bügel, auf die ein Hobbyarchäologe 1838 in Xanten stieß, ließ auf ein Fürstengrab schließen. Später stellte sich heraus: Der Bügel war ein Henkel, die „Krone“ der Beschlag eines Eimers. Irrtümer auch das.

Tiara aus dem Louvre ausgeliehen

Die Tiara aus dem Louvre.
Die Tiara aus dem Louvre. © Ingo Otto

Eine andere Krone gehört in die Abteilung Fälschungen. Das Museum Louvre kaufte die angebliche Tiara des skythischen Königs Saitaphernes für 200 000 Franc an, um dann festzustellen, dass sie die Nachbildung eines Goldschmieds war. Pannen wie sie auch dem eigenen Haus passiert seien, erklärt Josef Mühlenbrock. Ein westfälischer Schädel, der einen Platz in der Dauerausstellung finden sollte, war von einem Gutachter als 27 000 Jahre alter „Urwestfale“ erkannt worden, bis eine erneute Untersuchung das Museum auf den Boden der Tatsachen zurückholte.

Für den scheidenden Museumsleiter ist die sehenswerte Sonderausstellung die erste in eigener Regie und zugleich die letzte. Auch Projektleiter Tobias Esch, der die Ausstellung konzipiert und realisiert hat, verlässt Herne: Er wird Museumsleiter im Bayerischen Manching. Mehr zur Ausstellung auf der Kulturseite im Mantelteil.

>>> UMFANGREICHES BEGLEITPROGRAMM

Die multimediale Ausstellung mit ihren knappen, aber aussagekräftigen Texten lässt sich gut individuell erkunden. Wer mehr will, kann auf das umfangreiche Begleitprogramm zurückgreifen.

Der Förderverein des Archäologiemuseums sponsert wieder eine Vortragsreihe. Sie beginnt am Freitag, 23. März, um 19 Uhr im Museum. David Macaulay, der Verfasser des „Motel of Mysteries“, berichtet an diesem Abend über das „Making of“ seines Buches. Der Eintritt ist frei. Am 17. Mai spricht der scheidende Leiter des Museums, Josef Mühlenbrock, darüber, wie es zu der Ausstellung kam. Um die chemische Kriminaltechnik geht es am 7. Juni, und die Hitler-Tagebücher sind Gegenstand des Vortrags am 5. Juli. Weitere Vorträge folgen bis Oktober. Am 26. Mai fährt der Förderverein zur „Einhornhöhle“ bei Scharzfeld im Harz.

Eine „Nacht der Irrtümer und Fälschungen“ feiert das Museum zusammen mit seinem 15. Geburtstag am Gründonnerstag, 29. März, von 20 bis 24 Uhr. Die Besucher gehen auf eine Zeitreise in das Jahr 4022, in dem der Archäologe Howard Carson eine Grabkammer des 21. Jahrhunderts entdeckt. Die Theatergruppe NotaBene setzt diese Geschichte aus dem „Motel of Mysteries“ in Szene. Dazu konfrontiert der Herner Musiker Michael Völkel die Besucher mit musikalischen Plagiaten. Und in der „Fälscherwerkstatt“ können die Besucher ihr Talent unter Beweis stellen.

Führungen durch die Sonderausstellung starten jeden Sonn- und Feiertag um 16 Uhr. Die nächsten Führungen in Gebärdensprache sind am 14. April und 9. Juni, 15 Uhr. Für blinde und sehbehinderte Menschen wird am 6. Juni, 15 Uhr, eine Führung angeboten.

In Kreativseminaren entlarven Jugendliche und Erwachsene u.a. Fälschungen mittelalterlicher Schreiber und stellen Kopien von archäologischen Funden her. Kinder lernen beim Osterferienprogramm „Zeichnen wie David Macaulay“.

>>> MEHR INFOS

„Irrtümer und Fälschungen der Archäologie“ ist ab Freitag, 23. März, bis 9. September im LWL-Museum für Archäologie zu sehen: di, mi, fr 9-17 Uhr, do 9-19 Uhr, sa/so 11-18 Uhr, Europaplatz 1.

Der Eintritt zur Sonderausstellung kostet 5 Euro, ermäßigt 3 Euro, Kinder/Jugendliche 2 Euro. Eine Familienkarte gibt es für 11 Euro. Schülergruppen zahlen 1,60 pro Person.

www.irrtuemer-ausstellung.lwl.org