Herne. . Die Ahnenforschung im Stadtarchiv boomt. Die Freigabe von Personenstandsbüchern und die Digitalisierung von Urkunden machen es Laien leichter.
Ahnenforschung ist so etwas wie Schatzsuche, man merkt das ganz schnell. Wer einmal damit anfängt, nach seinen Wurzeln zu recherchieren, wer einmal in den Personenstandsbüchern des Stadtarchivs am Willi-Pohlmann-Platz gestöbert hat, die Geburtsurkunde seines Ururgroßvaters entdeckt hat wie Manfred Kolk, den lässt es nicht mehr los. Der 71-Jährige wollte eigentlich nur so etwas wie einen Stammbaum seiner Vorfahren anfertigen, inzwischen forscht er seit fünf Jahren. „Das ist wie kriminalistische Arbeit“, sagt der ehemalige Installateur.
Forschen am Computer
„Ahnenforschung boomt“, erklärt Archivarin Martina Koch. Vor allem seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2009. Damals, so berichtet sie, seien die Personenstandsbücher von den Standesämtern in die Archive gewandert, seit diesem Zeitpunkt könne jedermann darin forschen und nicht nur Verwandte ersten Grades, die dazu auch noch ein berechtigtes Interesse nachweisen mussten. Eine weitere Erleichterung für Ahnenforscher wie Manfred Kolk ist die Digitalisierung des Stadtarchivs: Das Forschen am Computer macht die Sache um einiges einfacher. Einerseits. Andererseits hat der Rentner festgestellt, dass er Blut geleckt hat, immer tiefer in die Verwandtschaftsbeziehungen eindringt. Kolk zeigt ein Foto, das um 1900 herum entstanden sein muss. „Der einzige, den ich von diesem Bild persönlich gekannt habe, ist der junge Mann links. Das ist mein Großvater.“ Abgebildet sind die Urgroßeltern mit neun Kindern. Zusammen mit den Verwandtschaftszweigen seiner Ehefrau, die Manfred Kolk ebenfalls erforscht, kommt er inzwischen auf sage und schreibe 674 Personen. Ein riesiger Stammbaum, der nur mit Hilfe eines Computerprogramms nachgezeichnet werden kann.
Wer Ahnenforschung betreibt, der lernt Menschen auf der ganzen Welt kennen. „Ich fand beispielsweise heraus, dass es Franz-Josef Kolk nach England verschlug und dass ein Verwandter namens David Moore in England ebenfalls nach seinen Wurzeln recherchiert. Wir stehen in Kontakt miteinander. Ich spreche zwar kein Englisch, aber wir verstehen uns trotzdem irgendwie gut.“
Anfragen aus aller Welt
Die Nachkommen mancher Herner hat es in die USA gezogen, oder sie sind gar nach Brasilien ausgewandert. Martina Koch erinnert sich an ein Ereignis im sonst eher beschaulichen Alltag einer Stadtarchivarin, wo richtig was los war: „Da hat uns die amerikanische Moderatorin Chelsea Handler besucht, sie in den USA so etwas wie Thomas Gottschalk bei uns. Da mussten wir sogar den Willi-Pohlmann-Platz absperren, und ein amerikanisches Team drehte einen Film.“ Das war vor knapp fünf Jahren, die damals 38-jährige Moderatorin hatte erfahren, dass ihre Großeltern Elisabeth und Karl Stöcker aus Herne kamen. Und dass ihr Großvater nach der Kriegsgefangenschaft in den USA jenseits des Atlantiks bleiben wollte.
Noch exotischer sind die Anfragen, die Martina Koch aus Brasilien erreichen. „In diesem Jahr waren es schon drei“, berichtet die Archivarin und zeigt eine Mail. Der Absender sucht darin nach der Geburtsurkunde seines Großvaters Ernst M. Rochol, 1902 in Herne geboren. Der Brasilianer verwendet dabei ein Übersetzungsprogramm, das er auf „superfreundlich“ eingestellt haben muss. In seiner Mail an Martina Koch heißt es in der Anrede: „Hallo mein Schatz, wie geht es dir?“