Herne. . Reinhold Sibbe und Richard Linek eröffneten 1980 an der Bahnhofstraße 11 das Biodola. Eine Party im Schnittpunkt erinnert an diese Ära.
Zwei Häuser weiter in der „Lichtburg“ läuft gerade „Der elektrische Reiter“ mit Robert Redford und Jane Fonda, als sich an der Bahnhofstraße 11 das erste Mal die Türen zum Disco-Club Biodola öffnen. Es ist Donnerstag, 5. Juni 1980, Fronleichnam. „The best way to get Disco-Action“ hat in schönstem Party-Englisch die Riesen-Anzeige in der WAZ versprochen. Um 20 Uhr soll es losgehen. Reinhold Sibbe und Richard Linek haben die erste Etage über dem „CC Pub“ angemietet und als Club eingerichtet. Herne hat einen neuen Laden, und er ist brechend voll. Die nächsten zwei Jahre wird hier heftig gefeiert.
„Biodola“ nach einem Strand auf Elba benannt
Von der Reifen-Branche ins Diskotheken-Geschäft und zurück führte Reinhold Sibbe, heute 67, das Abenteuer Biodola. „In Mettmann gab es eine Disco namens ,Ipanema’“, erklärt der gelernte Kaufmann die Namenswahl. In diesem Stil sollte auch der neue Club in Herne aufgebaut werden. Biodola: So hieß ein Strand auf Elba, den Sibbe mehrmals besucht hatte. Sonne, Sand ... diese Assoziation gefiel den Jungunternehmern, die sich mit Kunstpalmen, Sitzgruppen und Teppichen an den Wänden eine relaxte Atmosphäre an die Bahnhofstraße holten.
Noch wichtiger: die Musik. „Als wir damals mit 13 das Biodola betraten, lag auf dem Plattenteller Anne Clarks „Sleeper in Metropolis“, erinnert sich Bernd Faust. „Es war der Startpunkt einer tollen Ära, die uns musikalisch bis heute geprägt hat.“ Faust - Mitveranstalter der 80ies-Party im Schnittpunkt (siehe Kasten) huldigt mit seinem Zwillingsbruder Dirk heute noch als DEVO-tion (mit Lars Kauter) dem Spirit der 80er Jahre.
Fortschrittliche Musik verschiedener Stile
„Wir waren sehr fortschrittlich“, sagt Sibbe über die Musikauswahl, die viele Richtungen abdeckte. Soul, Reggae, Rock, Pop, aber auch New Wave, Neue Deutsche Welle. Von Prince über Robert Palmer bis zu The Cure spannte sich der Bogen, Heaven 17 oder Hot Chocolate - alles ging. „Zu uns kamen Gäste aus dem ganzen Ruhrgebiet“, sagt Sibbe, der viel selbst auflegte. 30 Jahre war er da gerade, und „vielleicht ein bisschen blauäugig“ wie er im Nachhinein sagt.
Doch der Erfolg gab den Betreibern zunächst Recht. Sibbe: „Es hat vom ersten Tag an gebrummt.“ 400 Leute passten gleichzeitig in den Laden, 700 bis 800 am Abend waren keine Seltenheit. Jeden Tag war Party. „Viele kamen, wenn die Kneipen und 12 oder 1 Uhr zumachten, noch zu uns.“ Bisweilen gab es Theater mit den Besitzern der alten Drogerie Lesener gegenüber. „Die haben uns ein paar Mal das Ordnungsamt geschickt“, sagt Sibbe, „dann mussten wir runterdrehen.“ Legendär: die „Chaotenbälle“, Motto-Partys, die keinen Karneval brauchten.
Nach der Tanzschule noch in die Disco
Eine, die sich gerne an das Biodola erinnert, ist Andrea Wörmann. 16 war sie damals und immer mit einem Freund und einer Freundin unterwegs. „Wir waren sonntags in der Tanzschule Schmidt-Hutten und sind dann da meistens um kurz nach acht abgehauen.“ Dann gings ins Biodola. „Da gab es so eine Stufe, da haben wir immer gestanden.“ Wenn sie nicht gerade getanzt hat, gerne zu Peter Tosh oder Jimmy Cliff. Ihre Eltern seien einverstanden gewesen, sagt Andrea Wörmann, heute 53, Steuerfachangestellte und seit kurzem selbstständig. „Wir haben dafür gesorgt, dass wir ein vernünftiges Publikum hatten“, sagt Reinhold Sibbe.
Nach zwei Jahren war wirtschaftlich die Luft raus
Nach einem guten Jahr wurde es enger, erinnert sich Sibbe, die Konkurrenz schlief nicht. „Die Fixkosten waren hoch“, sagt er. „Wir hatten allein 5000 Mark Miete.“ Dazu kam das Personal vom Zapfer bis zum Türsteher, bis zu 15 Leute, die bezahlt werden wollten. Am Ende siegte die Vernunft: „Wir haben verkauft.“ Ende März 1982 gingen im legendären Biodola die Lichter aus - mit einer Riesenparty. „Da war die Hütte noch mal so voll wie im ersten Jahr. Um elf Uhr gab es keine Getränke mehr.“ Die Erinnerungen bleiben, nicht nur bei Sibbe, der zurück ging in die Reifenbranche, sondern auch bei vielen Hernern, die bei ihm ihre Nächte verbracht haben. „Ich werde heute noch angesprochen auf die schöne Zeit.“
>>> DIE 80ER-JAHRE-PARTY
An die Biodola-Ära erinnert die 80ies-Party am Samstag, 3. März, um 20 Uhr im Schnittpunkt an der Freiligrathstraße.
Ein DJ des zweiten Biodola-Clubs (nach dem Verkauf durch Sibbe und Linek) bringt Original-Tapes inklusive Anmoderationen und Jingles mit.
Der Abend ist seit Wochen ausverkauft. An der Abendkasse gibt es einige wenige Restkarten.
Auf eine andere Institution der frühen 80er-Jahre-Szene in Herne, den „Bunker“ am Westring, kommt die WAZ in einer ihrer nächsten Ausgaben zurück.
Wer Fotos oder Geschichten zu anderen Szene-Läden der 80er-Jahre beizusteuern hat, möge sich an die WAZ-Redaktion wenden: redaktion.herne@waz.de.