herne. . Der Rat fordert die Bezirksregierung auf, die Suez-Erweiterung abzulehnen. Und: Künftige Erweiterungen will die Politik grundsätzlich verhindern.

Die Herner Politik hat ein klares Signal gesetzt: Einstimmig verabschiedete der Rat am Dienstag eine Resolution gegen die von der Firma Suez beantragte Erweiterung der Verbrennungsanlage Südstraße. Der Rat forderte die zuständige Bezirksregierung Arnsberg auf, die Genehmigung nicht zu erteilen. Und: Durch eine Änderung des Bebauungsplans sollen in Zukunft Erweiterungen verhindert werden.

Eine solche Anlage passe nicht ins Ruhrgebiet und schon gar nicht in eine dicht besiedelte Stadt wie Herne, so der einmütige Tenor im Rat. Die Verabschiedung der Resolution sei ein „fast einmaligen Vorgang“, sagte Pascal Krüger (Grüne). Es sei nicht hinnehmbar, dass Bürger noch stärker belastet würden. Krüger und SPD-Fraktions-Chef Udo Sobieski erinnerten daran, dass es seit der Inbetriebnahme einer „Versuchsanlage“ für die Aufbereitung belasteter Böden im Jahr 1993 bereits 21 Genehmigungen für Erweiterungen gegeben habe. Die SPD kämpfe zwar sonst um jeden Arbeitsplatz, doch dieser Betrieb dürfe langfristig keinen Bestand in Herne haben, so Sobieski.

CDU und OB: Entscheidung ist noch nicht gefallen

Die Firma Suez will ihre Anlage an der Südstraße in Herne-Süd erweitern - zum 21. Mal seit Inbetriebnahme.
Die Firma Suez will ihre Anlage an der Südstraße in Herne-Süd erweitern - zum 21. Mal seit Inbetriebnahme.

Die Resolution sei ein starkes Signal, sagte CDU-Fraktions-Chefin Bettina Szelag. Die Stadt sei im Genehmigungsverfahren zwar ein „zahnloser Tiger“, doch: „Brüllen kann ein Tiger auch ohne Zähne.“ Szelag und OB Frank Dudda betonten, dass die Entscheidung über die Erweiterung noch nicht gefallen seien. Arnsberg habe zugesagt, die auf der Informationsveranstaltung der Stadt (siehe unten) vorgebrachten Fragen und Einwendungen ins Verfahren einzubeziehen.

„Mir ist heute ein Stein vom Herzen gefallen. Das ist ein Tag der Hoffnung für alle Herner“, sagte Klaudia Scholz, Linke-Ratsfrau und Sprecherin der Bürgerinitiative „Dicke Luft“. Ihrem Lob für die Geschlossenheit der Politik und dem Dank an engagierte Bürger ließ sie auch Kritik folgen. Stadt sowie SPD und CDU seien bisher zu passiv gewesen: „Das war ein klares Versagen.“ Das sah Sobieski anders: Die Politik habe in der Vergangenheit das Problem immer wieder thematisiert, sagte er.

Ergänzend zur Resolution brachten SPD und CDU im Rat den Antrag ein, den Bebauungsplan für die Südstraße so zu ändern, dass zumindest nach dem aktuellen Genehmigungsverfahren keine Erweiterungen mehr erlaubt sind. Ist das rechtlich überhaupt möglich? Ja, begegnete Umweltdezernent Karlheinz Friedrichs im Rat einigen Zweiflern. Dank einer 2017 erfolgten Gesetzesänderung sei dies für potenzielle Störfallbetriebe wie Suez durchaus denkbar.

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Auf Einladung der Stadtverwaltung werden am heutigen Mittwoch die für die Genehmigung zuständige Bezirksregierung Arnsberg sowie die Firma Suez über die Erweiterung der Anlage in Herne-Süd informieren.

Die öffentliche Veranstaltung beginnt um 16.30 Uhr im Bürgersaal des Sud- und Treberhauses am Eickeler Markt 1.

Die Resolution im Wortlaut

Die vom Rat verabschiedete Resolution im Wortlaut. Der Antrag wurde gemeinsam gestellt von SPD, CDU, Grünen, Linkspartei, Piraten-Alternative Liste, FDP und Unabhängige Bürger gestellt. Die AfD sei ganz bewusst nicht einbezogen worden, sagte CDU-Fraktions-Chefin Bettina Szelag im Rat:

„Der Rat der Stadt Herne spricht sich gegen eine Erweiterung der Abfallbehandlungsanlage Suez an der Südstraße aus. Die Bezirksregierung Arnsberg wird als zuständige Genehmigungsbehörde aufgefordert, die geplante Genehmigung nicht zu erteilen.

Darüber hinaus bittet der Rat der Stadt die Firma Suez, in regelmäßigen Abständen – mindestens alle sechs Monate – die Öffentlichkeit zu informieren, welche Art von konterminierten Böden und welche Mengen zur Weiterverarbeitung von dem Unternehmen angenommen wurden. Ebenfalls soll bekannt gegeben werden, welche Schadstoffe (Art und Menge) im jeweiligen Berichtszeitraum in die Luft abgegeben wurden, um so für eine bessere Transparenz in der besorgten Bevölkerung zu sorgen.

Begründung: Die Anlage wurde vor rund 25 Jahren als Versuchsanlage zur Reinigung belasteter Böden zeitlich befristet genehmigt. In den folgenden Jahren wurde eine dauerhafte Betriebsgenehmigung erteilt und die Anlage mehrfach nachgerüstet. Trotzdem gibt es immer wieder Beschwerden der Nachbarschaft insbesondere über Geruchsbelästigungen. Auch besteht in großen Teilen der Bevölkerung die Angst vor möglichen gesundheitlichen Schädigungen.

Die geplante Betriebserweiterung und eventuell zukünftige Erweiterungsverfahren sind den Anwohnern und umliegenden öffentlichen Einrichtungen (u.a. Schulen; Kindergärten) nicht zumutbar.“

Fragenkatalog der Hiberniaschule

Die Hiberniaschule hat einen Fragenkatalog an die für die Genehmigung zuständige Bezirksregierung erstellt, der auch noch erweitert werden soll. Die Fragen der Vertreter der Schule und des Hibernia-Kindergartens:

– Wie sehen die möglichen Auswirkungen bei einer Genehmigung des Antrags auf den Luftreinhalteplan Ruhrgebiet 2011 Teilplan Ost auf Ebene der aktuellen Europa - und Bundes Umweltmaßnahmen aus?

- Auf welcher Gesetzesgrundlage soll die Genehmigung erteilt werden? Wir können hier keine Gesetzesgrundlage erkennen, auf der eine so erhebliche Änderung, Erweiterung und Ausweitung mit derart gefährlichen und unbekannten Stoffen gerechtfertigt werden könnte. Der Art. 14 GG kommt unserer Kenntnis nach in diesem Umfang und auch nach aktueller Rechtsauffassung dafür nicht in Frage, denn er ist keine pflichtenfreie Rechtsposition, die die Eigentumsgarantie zu einem Grundrecht auf unabänderlichen Bestandsschutz macht. Vielmehr muss, wer sich auf den Bestandsschutz beruft, ihn auch inhaltlich begründen. D.h. Änderungen, die nach der einfachgesetzlichen Rechtslage nicht genehmigungsfähig sind, können dies auch nicht durch einen Rückgriff auf Art. 14 GG werden.

- Gibt es für Suez bereits Ausnahmeregelungen, die einen erhöhten Ausstoß von Stickoxiden oder anderen Emissionen genehmigen und wenn ja um welche handelt es sich?

- Wie sind die Laufzeiten der einzelnen Ausnahmegenehmigungen gesetzlich geregelt?

- Wie wird in Zukunft mit Ausnahmeregelungen für die Einhaltung der Grenzwerte verfahren?

- Basiert der Genehmigungsantrag auf einer Fortführung von Ausnahmegenehmigungen?

- Sollen die Ausnahmegenehmigungen erneuert werden?

- Wenn ja welche, wie lange und mit welcher Begründung?

- Welche Grenzwerte werden Ihrer eigenen Aussage nach den vorliegenden Unterlagen deutlich unterschritten?

- Welche Stoffe können bei einer Genehmigung der Erweiterung in Zukunft verbrannt werden, welche Stoffe dürfen angenommen, gelagert und/oder aufgearbeitet werden?

- Wie kann auch in Zukunft ausgeschlossen werden, dass Frackingschlämme angenommen werden?

- Können radioaktive Belastungen nach der Genehmigung des Antrags von Suez dauerhaft ausgeschlossen werden?

- Laut Umweltverträglichkeitsprüfung wird davon ausgegangen, dass aus gutachterlicher Sicht keine erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu erwarten sind, wie sind die geplanten Messverfahren dazu, um dies sicherzustellen?

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