Herne. Die Notunterkunft an der Buschkampstraße bietet 180 Schlafplätze. Helmut Pieper lebt seit drei, Nachbar Willi Sturm seit einem halben Jahr dort.
In dem engen, grell-grün gestrichenen Zimmer thront neben vollem Aschenbecher und der leeren Packung Fleischsalat eine kleine Plastik-Tanne auf dem Schrank. Helmut Pieper schaltet die geliebte Tiersendung im gespendeten Fernseher ab und humpelt langsam in die Gemeinschaftsküche.
Den „schlimmen Fuß“ zieht er hinter sich her. Seit drei Jahren wohnt der 65-Jährige in dem Zimmer in der Obdachlosenunterkunft an der Buschkampstraße. Die Plastik-Tannne: ein kleines bisschen Heimeligkeit. Das Leben auf den grell-grünen acht Quadratmetern ist für den Herner normal geworden.
Eigentlich nur eine Zwischenlösung
180 Schlafplätze gibt es in der städtischen Notunterkunft in Holsterhausen, die in diesen Tagen zu 85 Prozent belegt ist. Übrigens in bitterkalten Wintertagen nicht mehr, als im Sommer. In der Unterkunft landen Menschen aus unterschiedlichsten Gründen: Sie haben ihre Wohnung bei einer Zwangsräumung verloren, sind gerade aus dem Gefängnis entlassen worden oder die Polizei hat sie den Mitarbeitern als Hilfe suchend gemeldet.
Die roten Häuser der Buschkampstraße sollen eigentlich nur eine Zwischenlösung sein. „Wir sind bemüht, die Menschen innerhalb von drei Monaten auf den freien Wohnungsmarkt zu vermitteln“, sagt Verwaltungsangestellter Thorsten Rusch (49). „Es muss in Herne niemand auf der Straße schlafen.“
Lob für die Verwaltung des Hauses
Viele Jahre hat Helmut Pieper genau das gemacht. In Bochumer und Herner Wälder habe er sich rumgetrieben. „Die kenne ich besser als der Förster.“ In eine Obdachlosenunterkunft wollte er damals nie. „Dann hätte ich die Hunde abgeben müssen.“ Schibi und Jenna haben den heute 65-Jährigen durch manch kalte Winternacht gebracht.
Sein Trick: „Einer lag auf dem Bauch, einer auf den Füßen.“ Doch irgendwann hätten die Tiere das Leben auf der Straße nicht mehr vertragen. „Ich musste sie einschläfern lassen.“
WG-Nachbar Willi hatte Probleme in der Wohnung
Als dann auch noch der rechte Fuß „schlimm“ wird, bezieht er das grüne Zimmer der Alten-WG. Familie habe er nicht, an der Buschkampstraße fühlt er sich wohl. „Ich bin hier zufrieden, besonders mit der Verwaltung“, sagt der 69-Jährige. Dass das in der Zeitung steht, ist dem ehemaligen Kraftfahrer besonders wichtig. „Die kümmern sich hier gut um uns.“
Alten-WG-Nachbar Willi Sturm schiebt seinen Rollator durch die Küche. Von zwei Oberschenkelhalsbrüchen erzählt der 60-Jährige. Seit einem halben Jahr wohnt der in der Unterkunft.
Beide verstehen sich gut
Mit seiner Wohnung habe es „nicht geklappt“. Das karge Zimmer mit Spind und Bett soll nicht immer sein Zuhause bleiben. „Aber momentan geht es nicht anders.“
Willi und Helmut verstehen sich gut. In der Küche quatschen sie über „Mord und Totschlag, was halt so passiert“. Willi Sturm schiebt den Rollator langsam aus seinem Zimmer zum Tisch herüber, Helmut Pieper zieht einen Stuhl heran. „Na, dann komm’ mal rüber mit deinem Rolls-Royce.“
Kennenlerngespräch zum Einzug
Wer in die Obdachlosenunterkunft an der Buschkampstraße kommt, den erwartet als erstes ein Kennenlerngespräch mit einem der Sozialarbeiter. Dabei wird auch die Hausordnung besprochen: „Jeder darf sein Feierabendbier trinken“, sagt Thorsten Rusch (49).
Aber: „Drogen dulden wir nicht, da müssen wir im Sinne aller Bewohner handeln“, sagt Fabian Helsper (30) Auch eine Nachtruhe gelte ab 22 Uhr. Dann ist auch ein Sicherheitsdienst vor Ort, genau so wie am Wochenende oder an Feiertagen. Manche Bewohner verlassen die kargen Zimmer nach wenigen Wochen, andere erst nach Jahren wieder.
Bei Behördengängen oder der Wohnungssuche helfen die Sozialarbeiter, die „eigentlich immer“ eine offene Tür für alle Angelegenheiten haben. „Das funktioniere häufig, aber nicht immer. „Es gibt Menschen, die sind nicht so bestrebt, ihre Angelegenheiten zu regeln“, sagt Fabian Bartels.