Herne. Wie kommt der Entwurf des GroKo-Papiers in Herne an? Das sagen Lokalpolitiker und die Bundestagsabgeordneten von SPD und CDU.

Es ist vollbracht: Der Entwurf für eine neuerliche Große Koalition liegt auf dem Tisch, nun hat zunächst die SPD-Basis das Wort. Die Reaktionen der Herner Parteichefs fallen unterschiedlich aus.

SPD

Nicht unzufrieden zeigt sich Hernes SPD-Chef Alexander Vogt in seiner ersten Reaktion auf den GroKo-Entwurf: „Viele der Punkte, die der Parteitag gefordert hatte, sind drin“, sagt der Landtagsabgeordnete. Die Inhalte des Entwurfs müssten nun im Detail geprüft werden. Ob er im Mitgliederentscheid am Ende für oder gegen eine GroKo stimmen werde, könne er noch nicht sagen: „Wir gehen nun erst einmal in die Diskussion“, so Vogt. Sehr positiv bewerte er dagegen die Vorschläge für die Verteilung der Ministerien. Hier habe die SPD auf jeden Fall punkten können, insbesondere mit dem Finanzministerium.

CDU

„Ich hoffe auf eine Große Koalition, glaube aber nicht daran“, sagt CDU-Vorsitzender Timon Radicke. Er gehe davon aus, dass die SPD-Basis den ausgehandelten Kompromiss ablehnen wird. Das fände er fatal: „Die Situation erinnert mich an die Endphase der Weimarer Republik: Die großen Parteien reiben sich an Kleinigkeiten auf. Das macht mir Sorge.“ Dass die Mitglieder der 20-Prozent-Partei SPD nun über 80 Millionen Einwohner entscheiden werden, halte er für falsch. Radicke übt aber auch deutliche Kritik an seiner eigenen Partei. Es reiche nicht, für „ein Deutschland einzutreten, in dem man gut und gerne lebt“, so sein Seitenhieb auf die CDU-Kampagne zur Bundestagswahl. Die Partei müsse wieder Visionen und Konzepte für die Zukunft entwickeln: „Die CDU kann nicht nur Bundeskanzlerin Angela Merkel sein.“ Unzufrieden ist der 32-Jährige auch mit der geplanten Verteilung der Ministerien: Hier habe die Union der SPD zu große Zugeständnisse gemacht.

Grüne

„Wenn ich das Ergebnis mit den Jamaika-Verhandlungen vergleiche, gibt es Rückschritte beim Klimaschutz“, bemängelt der Kreisvorsitzende der Grünen, Pascal Krüger. Es solle dazu lediglich eine Kommission gebildet werden, da seien schnelle Ergebnisse nicht zu erwarten, so Krüger weiter. „Mit der Verschiebung der Klimaziele von 2020 auf 2030 verweigert sich die Groko der wichtigsten Zukunftsforderung des Jahrhunderts“, erklärt das Ratsmitglied. Weitere Kritikpunkte: die Abschaffung des Solidaritätszuschlages, weil er auch auf Kapitalerträge entfalle und damit Reiche begünstige. Die Erhöhung des Kindergeldes wiederum sei kein Schritt gegen die wachsende Kinderarmut, eher im Gegenteil: „Das erhöhte Kindergeld wird mit den Sozialleistungen verrechnet und kommt deshalb ärmeren Bevölkerungsschichten gar nicht zu Gute.“

FDP

Immerhin: Einen positiven Punkt kann FDP-Chef Thomas Bloch der Weichenstellung für eine GroKo abgewinnen: „Olaf Scholz wäre ein guter Finanzminister.“ Und der SPD zollt der Liberale Respekt: Für das miese Bundestagswahlergebnis habe die Partei „verdammt viel sozialdemokratische Politik durchgesetzt.“ An den geplanten Inhalten lässt Bloch jedoch kein gutes Haar: „Ich sehe kein Aufbruchthema, keine Idee.“ Dass die FDP nicht bereit war, in einem Jamaika-Bündnis solche Ideen zu liefern, hält er nach wie vor für die richtige Entscheidung: Die Zugeständnisse an die Grünen durch die CDU seien einfach zu groß gewesen. Jamaika sei damit im Bund aber nicht tot: Durch personelle Veränderungen bei den Grünen und in der CSU erhöhten sich die Chancen auf ein solches Bündnis.

Linke

„Mit einem schlechten Kompromiss kann man keine gute Politik machen. Das Ergebnis ist nicht gut für Deutschland und nicht gut für die soziale Sicherheit“, kritisiert Linke-Vorsitzender Daniel Kleibömer den GroKo-Entwurf. Besonders enttäuscht sei er beim Thema Gesundheit: „Die Zusammenführung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung wäre ein Meilenstein gewesen.“ Entsetzt sei er über die Verabredungen zum Familiennachzug für Flüchtlinge.

AfD

AfD-Chef Armin Wolf geht Rot-Schwarz hart an. „Die GroKo ist ein Verliererbündnis, getrieben von der Angst vor Neuwahlen“, erklärt der Ratsherr. Die Pläne für die Neuauflage der GroKo bezeichnet Wolf als „einen Kuhhandel zur Versorgung gescheiterter Politiker“. Weder in sozialer noch in sicherheitspolitischer Hinsicht würde es eine Verbesserung für Deutschland geben. Und: Wirtschaftlich würde sie Stagnation und Niedergang bedeuten.

>> WEITERE INFORMATIONEN: Das sagen die Bundestagsabgeordneten

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering.
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering.

„Schritte in die richtige Richtung“: So nennt die SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering das GroKo-Papier, das sie in Berlin mit ausgehandelt hat. Positiv seien beispielsweise Bildungsinvestitionen oder die Einschränkung von befristeten Verträgen. Die wichtigen Ministerien Finanzen und Arbeit, sagt sie zur WAZ, könnten der SPD die Möglichkeit geben, „auf diese Entwicklungen großen Einfluss zu nehmen“. Wie die Basis entscheide, sei noch nicht abzusehen: „Es kommt jetzt jedenfalls darauf an, die praktische Politik zu bewerten.“ Müntefering selbst will sich die Ergebnisse jetzt selbst „sehr genau anschauen“.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Paul Ziemiak.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Paul Ziemiak.

Die Inhalte des Vertrages könnten sich sehen lassen, sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete Paul Ziemiak; auch er hat das Papier mitverhandelt. Gerade bei Fragen des Familiennachzugs, der Digitalisierung und der Förderung von Familien „haben wir sehr gute Lösungen gefunden“, sagt er zur WAZ. So gut die Inhalte seien, so „wenig glücklich“ zeigt er sich über die Ressortverteilung: „Insbesondere das Finanzministerium hätte ich mir bei der CDU gewünscht“, so Ziemiak, der bei der Bundestagswahl in Herne angetreten ist. Die SPD-Mitglieder, die das letzte Wort haben, müssten sich nun fragen, ob sie an die Partei denken oder an das Land.