Herne. . Wenn es in den ersten drei Jahren mit der Entwicklung nicht rund läuft, steht das Team der Lebenshilfe Kindern und Eltern zur Seite.

Großer Protest im Hause Krüger. Es hat geklingelt, Elli erwartet Frau Droll. Aber es ist nicht Ulrike Droll, die da gerade die Treppe heraufsteigt, sondern der Besuch von der WAZ. Lachend erklärt Elisabeths Mutter, wie sehr sich Elli jede Woche auf die Heilpädagogin freut. Elisabeth ist mit einem Down Syndrom und zu früh geboren. Ein Kind von über 200 Kindern im Jahr, die von der Frühförderstelle der Lebenshilfe betreut werden.

Spielzeug ist der Entwicklung angemessen

Auch Maxim gehört dazu. Ein Jahr und drei Monate ist er jetzt alt. Seine Mutter Katharina Lehmann rechnet anders: Wäre Maxim pünktlich zur Welt gekommen, würde er erst am 12. Februar seinen ersten Geburtstag feiern. Ein extremes Frühchen, geboren in der 24. Schwangerschaftswoche. Sandra Kessen von der Frühförderung besucht die Familie einmal in der Woche in ihrer Wohnung in Börnig. Ihren blauen Korb kennt Maxim schon. „Ich biete ihm Spielzeug an, das für seinen Entwicklungsstand angemessen ist“, erklärt die Sozialpädagogin. „Und dabei gucke ich, dass wir in Kontakt kommen.“ Seine Mutter darf zusehen, erzählen, was es Neues gibt, Fragen stellen.

Maxim (1 Jahr, 3 Monate) ist in der 24. Schwangerschaftswoche als Frühchen zur Welt gekommen. Mama Katharina Lehmann (28) bekommt Unterstützung von Sandra Kessen ( Frühförderung der Lebenshilfe Wanne-Eickel).
Maxim (1 Jahr, 3 Monate) ist in der 24. Schwangerschaftswoche als Frühchen zur Welt gekommen. Mama Katharina Lehmann (28) bekommt Unterstützung von Sandra Kessen ( Frühförderung der Lebenshilfe Wanne-Eickel).

Nur 580 Gramm hat Maxim bei seiner Geburt im Bochumer St. Elisabeth-Krankenhaus gewogen. Über ein halbes Jahr blieb er auf der Neugeborenen-Intensiv-Station. Kurz nach der Entlassung machte Sandra Kessen den ersten Hausbesuch. Was Katharina Lehmann und ihr Mann an Sandra Kessen schätzen: „Sie unterstützt uns und gibt uns Hoffnung.“ Zum Beispiel, wenn sie von anderen erzähle, die es auch geschafft haben. Jemanden zu haben, „der Ahnung hat“, sei ein gutes Gefühl. Momentan ist Maxim motorisch noch nicht auf dem Stand wie Gleichaltrige und hat Probleme mit dem Essen. Aber er robbt und fängt jetzt an zu krabbeln.

Spezielle Übungen macht Sandra Kessen mit ihm nicht. „Wir achten auf alle Entwicklungsbereiche“, sagt sie. Bewegungen, Sehen, Hören, Körperwahrnehmung, Sprache, Spielverhalten.“ Das alles will zusammen beobachtet werden. „Maxim ist viel wacher geworden“, freut sich die Heilpädagogin über Fortschritte.

Spaß beim Spielen ist die Hauptsache

Heilpädagogin Ulrike Droll mit Elisabeth.
Heilpädagogin Ulrike Droll mit Elisabeth.

Auch Elli, zweieinhalb Jahre alt, entwickelt sich gut. Mit ihrem Polizeiauto flitzt sie durch die Wohnung, seit einer Woche läuft sie auch. Auch Ulrike Droll bringt eine Tasche mit spannendem Inhalt mit. Elli holt Kastanien aus einer Dose und sortiert sie wieder ein. „Aufräumen“ ist ihr Ding. Der rosa Ball kommt heute nicht so gut an und verschwindet deshalb wieder. Seifenblasen gehen besser. „Das Wesentliche ist der Spaß“, sagt die Heilpädagogin, die Elli kennt, seit sie zwei Monate alt ist. „Wenn es ihnen Freude macht, lernen die Kinder am effektivsten.“ Sie lässt Elisabeth vieles ausprobieren, guckt „was gerade dran ist“. Bilderbücher gucken, unterschiedliche Dinge fühlen wie einen Ball und Tücher, etwas Hartes, etwas Raues. Auch Rasierschaum hat sie schon getestet, weil der eine besondere Konsistenz hat und man soviel damit machen kann. „Den mag sie aber nicht so.“

Ellis Mutter Svenja Krüger hat von der Heilpädagogin schon einige Anregungen übernommen. Für sie ist die Betreuung in vieler Hinsicht wertvoll. „Elli war sehr oft krank, da war der Besuch von Frau Droll oft die einzige Abwechslung.“ Gerade nach den Operationen - es gab mehrere, am Darm und am Herzen - sei sie anfangs unsicher gewesen. Ihre Tochter ist im Juli 2015 acht Wochen zu früh geboren, was sich zusätzlich zum Down Syndrom bemerkbar macht. Wenn Elli heute entwickelt sei wie eine Zweijährige, habe die Begleitung durch die Frühförderung dazu viel beigetragen, ist die Mutter überzeugt.

Manchmal heißt es einfach „Abwarten“

Sie selbst hat noch etwas anderes gelernt: Abwarten, nicht zu viel zu wollen. „Das kommt schon“, hört sie von der Heilpädagogin. Zu bremsen oder auch mal zu pushen, auch das ist deren Aufgabe. Jemanden an ihrer Seite zu haben, „auf dessen Rat man sich verlassen kann und die Erfahrungen hat“, tut ihr gut, zumal Elli ihr erstes Kind ist. „Es wird sich noch einiges tun“, ist sie zuversichtlich.

215 Kinder wurden im vergangenen Jahr betreut

Mitarbeiterinnen der Frühförderstelle mit Leiter Ludger Koopmann.
Mitarbeiterinnen der Frühförderstelle mit Leiter Ludger Koopmann.

Kann das Kind schon krabbeln? Spricht es? Ist es aufmerksam? Gerade beim ersten Kind sind viele Eltern unsicher, was die Entwicklung angeht. „Das gleicht sich schon aus“, beruhigen sich viele, hat Ludger Koopmann festgestellt, und deshalb kämen Eltern ganz kleiner Kinder selten. Koopmann leitet die Frühförderstelle der Lebenshilfe Wanne-Eickel am Nachtigallenweg, die - wie der Name schon andeutet - ganz früh ansetzt, wenn sich Kinder auffällig oder verzögert entwickeln oder bei ihnen eine Behinderung vorliegt oder vermutet wird. Aktuell sind 110 Kinder angemeldet. Im vergangenen Jahr wurden 215 in ihrer Entwicklung unterstützt. Die Zahlen steigen.

„Häufig sind es extrem früh geborene Kinder“, sagt Koopmann, die in der 23. oder 24. Schwangerschaftswoche auf die Welt kommen, „mit verschiedenen Symptomen“. Das Gute sei: „Wir brauchen nicht direkt eine Diagnose.“ Auch wer ohne ärztliche Empfehlung vorspricht, kann den kostenlosen Dienst nutzen, sofern das Kind unter drei Jahren ist, im Ausnahmefall darüber hinaus.

Hausbesuche sind für die Eltern und Kind angenehm

„Zu 80 Prozent gehen wir in die Familien“, sagt Koopmann, „dahin, wo sich die Kinder am wohlsten fühlen.“ Taube Kinder und blinde, herzkranke, schwerst mehrfach behinderte, Down-Kinder: Sie alle können eine Begleitung durch das Team aus zehn Heil- und Sozialpädagogen erwarten.Die Frühförderstelle in Holsterhausen ist eine von bundesweit 1000 und war 1978 eine der ersten überhaupt.

„Grundlage aller Angebote ist das Spiel“, heißt es in einer Information der Einrichtung. Darüber lerne das Kind. Zusätzlich erhalten die Eltern, die in besonderem Maße belastet seien, Unterstützung und Beratung. Neben Krankenhausaufenthalten und Arztbesuchen hätten sie auch mit Vorurteilen und Ablehnung zu kämpfen. Eine ambulante Gruppenförderung ergänzt die Hausbesuche. In der Turnhalle machen die Kinder zusammen mit anderen Bewegungserfahrungen.

>>> FEIER AM SAMSTAG

Die Frühförderung feiert am Samstag, 27. Januar, am Nachtigallenweg 25 den 40. Geburtstag mit den aktuell angemeldeten Kindern und deren Eltern von 10 bis 12.30 Uhr.

Ein großes Jubiläumsfest findet am 15. September statt. Dann sind auch ehemalige Familien und Kooperationspartner eingeladen.

Kontakt: WAN 466576 oder kontakt@fruehfoerderung-herne.de.