Ob Rostlaube oder Oldtimer: In der Wanner Werkstatt von Riccardo Tiricanti (54) bekommen alle Fahrzeuge eine Chance für die Straße.

Riccardo Tirincanti selbst schenkt den Espresso im Aufenthaltsraum seiner Werkstatt ein. Nicht eines der vielen hübschen Mädchen um ihn herum. Kalendergirls, die auch im 21. Jahrhundert noch zur Grundausstattung einer ordentlichen Autowerkstatt zu gehören scheinen. Und ein großer amerikanischer Kühlschrank natürlich, mit Getränken, die gestandene Schrauber nur nach Feierabend trinken. Tirincanti repariert Brot-und-Butter-Autos, die oftmals ihre letzte TÜV-Plakette tragen, ihre allerletzte. Sein Herz aber hängt – seit Kindesbeinen – an ganz alten Alfa Romeos, Fiats, Porsches. An Autos mit Schick und Charme, mit Herz und Seele. Der 54-Jährige hat sich mit dem Restaurieren von Oldtimern ein zweites Standbein geschaffen – mit der rostigsten Arbeit der Welt.

Italiener und Deutsche

Das Schaufenster an der Stöckstraße in Wanne könnte auch einem Spielfilm der 60er-Jahre in Palermo entspringen. Zwei weiße Fiat 600 und ein Alfa Spider, drumherum ein halbes Dutzend wie aus dem Ei gepellter alter Motorräder, rundüberholte MV Agustas, die das Herz eines Motorradfans wummern lassen wie einen Achtzylinder.

Ahmet Demirkazik und ein Alfa Spider.
Ahmet Demirkazik und ein Alfa Spider.

In der Werkstatt – abseits des Showrooms – sieht es für einige Automobile nach einem langen, heißen Weg aus, den das Schweißgerät ihnen bereiten wird. Nach einer Mille Miglia über Monate, vielleicht sogar über Jahre, bis bei den beiden Daimler-Benz-Modellen und dem Alfa Spider mit Baujahr 1978 wieder alles im Lack ist. „Den Spider habe ich als Schrotthaufen gekauft“, sagt Tirincanti. Sein Azubi Ahmed Demirkazik (22) bürstet gerade das Blech, es sprüht Funken. Hier sieht auch der Laie, dass eine Lehre in einem „Fachbetrieb für historische Fahrzeuge“ etwas ganz Anderes ist als eine in einer Standard-Autowerkstatt: „Hier kann ich meinen Lehrlingen von Grund auf zeigen, wie Autos konstruiert sind, wie sie funktionieren. Wir machen zum Beispiel komplette Generalüberholungen von Motoren, das lernt man nicht einmal bei Mercedes oder BMW.“ Riccardo Tirincanti liebt die alte Schule, seine Website ist gestaltet wie zu einer Zeit, als es noch gar keine Websites gab. Dort kann man Legenden lesen und Legendäres über einen Mann, der über sich schreibt: „Ich wurde am 7.4.1963 in Pesaro in Italien als Sohn des Radio- und Fernsehtechnikers Guiseppe Tirincanti geboren, womit der Grundstein zur ‘Bella Macchina’ gelegt wurde. Mein Vater war schon Freidenker und Tüftler und schuf den ersten Prototypen eines elektrischen Klaviers von der Firma Galanti, was heute allerdings nicht mehr zu beweisen ist.“

Seine deutsche Mutter sei Fremdsprachenkorrespondentin gewesen (bei Schwing arbeitete sie, wie man im Gespräch erfährt) und habe die „typisch deutschen Eigenschaften des Fleißes.“ So sei die Basis gelegt worden für „Findigkeit, Kombinationsgabe und Fleiß“ gepaart mit Verständnis für Technik und schöner Formgebung. Soweit Originalton Tirincanti.

Das erste Mofa

Mit 14 nahm er das erste Mofa auseinander. „Das habe ich kaputt geschraubt, musste mir ein zweites als Ersatzteillager zulegen.“

Ein Mercedes-Coupé
Ein Mercedes-Coupé

Später, mit dem Abitur nahm er es nicht so genau, auch wenn es auf seiner Internetseite vielleicht den Eindruck erweckt: „Ich bin ein halbes Jahr vor der Abiprüfung von der Schule gegangen. Das Gymnasium war nicht mein Ding.“ Dafür aber ehrliches Handwerk. Lehre und Meisterprüfung schloss er mit Bestnoten ab. An der Wand hängt ein Foto von einem schwarzen Alfa Montreal. „Von dem musste ich mich trennen, man kann nicht alles behalten.“ Scheiden tut weh. Und so wird es auch sein, wenn der silberne 911-er Porsche Targa das letzte Mal seinen Boxer in der Garage grollen lässt. „Auf Dauer muss er weg. Er ist ein Teil meiner Alterssicherung, ich will mir ein Haus kaufen.“ Das klingt nicht gut – von einem Mann mit Benzin im Blut.

Seit über 18 Jahren ist Riccardo Tirincanti selbstständig: „Manchmal, wenn ich nachts nicht schlafen kann, denke ich: ,Wärst du doch besser irgendwo Arbeitnehmer geworden!’“ Die Pacht für die Werkstatt, Strom-, Heiz- und Personalkosten, die Bürokratie, und, und und: „Es ist ein hartes Brot, gerade hier in Wanne-Eickel.“ Die Kunden hätten nicht viel Geld, viele fragten, ob sie ihre Rechnung in Raten bezahlen könnten.

Ein alter Matra in der Garage
Ein alter Matra in der Garage

Tirincanti repariert in erster Linie ganz normale Autos, die Oldtimer seien gut für die „Saure-Gurken-Zeit“, also wenn er keine Kundenaufträge habe. Dann kauft er selbst historische Fahrzeuge und baut sie wieder auf, nimmt aber auch Fahrzeuge – Autos und Motorräder – von Kunden an, denen er ein zweites Leben – oftmals nach langem Herzstillstand – einhaucht.

Lange Liste von Objekten

„Restaurationen habe ich immer durchgeführt, sowohl für mich selbst als auch für Kunden und Freunde“, sagt Tirincanti, der wie ein Jäger die „Strecke“ seiner bisherigen Restaurationsobjekte präsentiert: Dazu gehören diverse Alfas, wie Gulia oder Bertone, Mercedes Strich-Achter, SL und andere, der gute alte Käfer, der Opel Kadett natürlich, aber auch diverse luftgekühlte Porsche. Einen der ersten „heißen Kisten“, an denen Tirincanti schraubte, war in der Jugend ein „breiter gemachter“ Ford Capri. Den nannte man damals übrigens: Maurerporsche. Einen echten Porsche, einen 914-er, hat er sogar mal von elektronischer Einspritzung auf Vergaser umgebaut. „Der Einspritzer hat zu viel Elektronik, die kann man nicht schmecken“, philosophiert Tirincanti.

Unter den restaurierten Motorrädern befindet sich zwar eine Reihe von Japanern in Gestalt von Kawasakis und Suzukis, ansonsten schlägt Tirincantis Herz auch hier eher allegro, wenn er italienische Motoguzzis, Ducatis, Laverdas oder Lambrettas in Schwung bringt.