Wanne-Eickel. . 1971 fertigte Werner Messner eine Replik der Jungfrau von Eickel an. Dann verschwand sie, nach einem kurzen Intermezzo. Jetzt ist sie wieder da.
Da steht sie nun, die Jungfrau von Eickel: sichtlich in die Jahre gekommen, das Gewand ramponiert, der Korpus kopflos, die Krone nur noch von einer Hand gehalten, die andere fehlt. Ihr bemitleidenswerter Zustand ist nicht verwunderlich, denn sie hat viele Jahrzehnte unbeachtet und vergessen im Keller der Konditorei Messner gelegen. Doch ihre Rettung naht.
Durch Gespräche mit Horst „Hotte“ Schröder, immer interessiert an Wanne-Eickeler Historie und Histörchen, erinnerten sich die Messnersöhne Werner und Matthias, dass ihr Vater 1971 eine Replik der echten Jungfrau von Eickel angefertigt hatte, die im April 1940 der „Metallspendenaktion“ der Nazis zum Opfer gefallen war. Seit 1909 hatte sie den zentralen Platz in Eickel, den Eickeler Markt, geziert, die Hohenzollernkrone hoch erhoben. Der Brunnen selbst wurde erst 1960 abgebaut.
„Die Jungfrau samt Brunnen wieder aufzubauen, war buchstäblich eine Schnapsidee“, lacht Werner Messner junior. „Sie wurde bei einer fröhlichen Geburtstagsfeier meines Vaters von einigen alten Eickelern ausgebrütet und sollte anlässlich eines Offenen Tages bei der Hülsmann-Brauerei umgesetzt werden.“ Kurz vor dem Datum erschienen Schreiner Krieger und Installateur Paga bei Werner Messner senior, um nachzufragen, wie weit er denn mit der Jungfrau sei, sie seien mit dem Brunnen fertig. „Vater hatte ganz schön Stress“, erzählt Werner Messner junior. „Er hatte das alles nicht ernst genommen.“
Werner Messners Ehefrau stand Modell
Die Ehefrau von Werner Messner senior musste ran, auf dem Küchentisch stand sie Modell, wie die echte Jungfrau, die Hände hoch über dem Kopf erhoben und wurde von ihrem Mann genau vermessen. Als Konditormeister handwerklich wie künstlerisch begabt, baute Messner senior die Jungfrau nach: mit Moniereisen und Gipsbeton. Weil die Zeit drängte, trocknete er die 1,66 Zentimeter große Statue im Ofen. Danach bekam sie von Maler Hermes einen bronzefarbenen Anstrich, der sie schimmern ließ wie weiland die echte Jungfrau. Und am Tag der offenen Tür bei Hülsmann stand sie hoch oben auf ihrem Brunnen – allerdings auf dem Gelände der Brauerei und nicht auf dem Eickeler Markt. Und noch einen gravierenden Unterschied gab es zum echten Brunnen: Aus dem neuen floss kein Wasser, sondern – Bier.
Mit Schokolade überzogen auf einem Kuchenbrunnen
Danach verschwand die Jungfrau, von der übrigens kein konkreter Name überliefert ist, wieder für viele Jahre aus der Öffentlichkeit, bis Werner Messner senior auf die Idee kam, sie anlässlich eines Handwerkermarkts wiederzubeleben und mit Schokolade überzogen auf einen Brunnen aus Kuchen zu stellen. Zwei D-Mark kostete ein Stück Brunnentorte, was zur Mitfinanzierung eines echten Wiederaufbaus dienen sollte. Doch dazu kam es nie, das Geld wurde dann für andere Zwecke gespendet.
Die Eickeler aber, sie hängen an ihrem verloren gegangenen Brunnen. Als der Markt in den 90er-Jahren komplett umgestaltet wurde, setzten sich viele Poahlbürger vehement dafür ein, wieder einen Brunnen zu bekommen. Es hätte ja nicht ein Hohenzollern-Jungfrauen-Brunnen sein müssen. Aber sie fanden in Politik und Verwaltung kein Gehör, der Marktplatz wurde ohne Brunnen umgebaut. Und die Jungfrau verschwand erneut für Jahrzehnte in den Tiefen des Messnerschen Kellers. Bis jetzt eben Hotte Schröder mit wehender Mähne als beherzter Retter die Szene betrat.
Mit Krankentransport zur Jugendkunstschule
In einer Gemeinschaftsaktion wurde die Jungfrau nicht nur unter einigem Ächzen (die Dame wiegt immerhin knapp 60 Kilo) wieder ans Tageslicht geholt, sondern ganz vorsichtig auf einer professionellen Krankentransportliege von einem professionellen Unternehmen zur Jugendkunstschule gebracht, wo sie nun ihrer Restaurierung harrt.
In der Werkstatt der Jugendkunstschule (JKS) in Wanne-Eickel soll die Jungfrau nun, so weit das möglich ist, restauriert oder „kreativ neu gestaltet“ werden, wie es Simone Köhler, Leiterin der Jugendwerkstatt, formuliert. Mit acht Jugendlichen, die sich im Übergang von der Schule zum Beruf befinden, wird sich Steinmetz und Bildhauermeister Rene Schuster daran machen zu überlegen, wie sich die Jungfrau wiederherstellen lässt. „Das hängt auch davon ab, wie weit die Mittel reichen, die wir noch nicht haben“, sagt Simone Köhler, die hofft, dass sich für das Projekt ein Sponsor oder Einzelspender finden. Für die Jugendlichen sei es eine schöne Sache, dass sie an etwas mitarbeiten könnten, das Geschichte hat (und noch so eine kuriose) und das anschließend auch zu sehen ist, sagt Simone Köhler. Denn noch einmal soll die Jungfrau nicht wieder in Vergessenheit versinken: In Rücksprache mit dem Heimatmuseum Unser Fritz soll sie voraussichtlich dort ihren Platz finden – diesmal nicht malade im Krankentransporter, sondern in voller Schönheit triumphierend im Cranger Kirmeszug.
Der Brunnen selbst ist verschollen
Ob sie dort aber auf dem echten Brunnen Platz nehmen kann, ist zweifelhaft. Nach Recherchen von Hotte Schröder ist der Brunnen 1960 abgebrochen worden; die Einzelteile sollen nummeriert auf den Waldfriedhof Wanne-Eickel gelagert worden sein. Dort sind sie trotz aller Bemühungen nicht zu finden.
Spenden für die Restaurierung der Jungfrau sind möglich unter dem Stichwort „Jungfrau von Eickel“, Jugendkunstschule Wanne-Eickel, Volksbank Bochum Witten, IBAN DE61 4306 0129 0252 7252 00, BIC GENODEM1BOC