Herne. . Die Zahl der Gottesdienstbesucher nimmt seit Jahren deutlich ab. Herner Pfarrer heißen jeden willkommen – auch wenn er nur zu Weihnachten kommt.
Am Sonntag werden die katholischen wie die evangelischen Kirchen in Herne und Wanne-Eickel voll sein. Weil es ein besonderer Sonntag ist: der vierte Advent und – vor allem – Heiligabend. Wäre es ein „normaler“ Sonntag, sähe das anders aus, dann blieben viele Plätze, wenn nicht ganze Reihen, leer. Die katholische Pfarrei St. Dionysius hat wegen des Schwundes an Besuchern die Zahl der Gottesdienste in diesem Jahr deutlich reduziert. In den evangelischen Gemeinden sei dies nicht geplant, so Kornelius Heering, Pfarrer der evangelischen Kreuzkirche: „Wir haben sowieso weniger Gottesdienste als die katholischen Gemeinden.“ Doch auch bei den Protestanten schrumpft die Zahl der Gottesdienstbesucher erheblich.
Kürzere Gottesdienste stoßen auf keine Gegenliebe
Sowohl Kornelius Heering als auch sein katholischer Kollege Georg Birwer, Pfarrer von St. Dionysius in Herne, erwarten nicht, dass die Kirchen noch einmal so voll sein werden wie in den 1950er-/1960er-Jahren. Zum ersten Mal seien die Menschen nicht mehr gezwungen, überhaupt einer Kirche anzugehören, so Birwer. Und die Art zu leben, habe sich geändert.
Darauf zielte auch die Jahrestagung der Evangelischen Kirche Deutschland, die empfahl, die Gottesdienste nicht nur einladender und professioneller zu gestalten, sondern auch kürzer, weil die Menschen am Sonntagvormittag anderes zu tun hätten als in der Kirche zu sitzen. Zumindest von letzterem halten Heering und Birwer, unabhängig voneinander dazu befragt, gar nichts. „Eine Messe darf nie heruntergerissen werden“, sagt Birwer, „auch nicht, wenn an einem Werktag nur fünf Besucher da sind.“
Das Wort steht im Mittelpunkt
Es komme immer auf die Qualität des Gottesdienstes an, stimmen die beiden Pfarrer überein. „Er soll lebendig und fröhlich, aber auch still und nachdenklich sein. Wir liefen in eine Falle, wenn wir den Gottesdienst allzu sehr säkularisierten. Die Messe ist kein Event, der Pfarrer kein Moderator“, betont Birwer. Den Besuchern, so Kornelius Heering, sei „ein guter Input“ wichtig, das Bibelwort soll etwas mit ihrem Leben zu tun haben und es komme darauf an, wie dies vermittelt werde.
Während die Messe in der katholischen Kirche stark auf die Eucharistie, das Abendmahl, ausgerichtet ist, steht bei den Protestanten das Wort stärker im Fokus – und damit auch die Predigt. „Du kannst über alles predigen, nur nicht über 20 Minuten“, heißt ein geflügelter Satz unter den Pfarrern. Kornelius Heering schmunzelt: „Ach was. Bei einer schlechten Predigt schaut man schon nach fünf Minuten auf die Uhr, bei einer guten auch nach zwanzig nicht.“ Von der Dauer hänge es nicht ab, ist auch Georg Birwer überzeugt. „Es geht um den Inhalt und den Vortrag, darum, die Menschen zu erreichen.“ Er ist überzeugt davon, dass das möglich ist, nicht nur mit einer Predigt. „Wenn sich die Menschen angesprochen fühlen, dann kommen sie auch.“
Verschiedene Formen entwickelt
Zum Beispiel bei speziellen Gottesdiensten und -formen wie dem Worship-Gottesdienst für junge Leute, den die Evangelische Kirche anbietet oder Messen mit Taize-Gebeten und -gesängen. Es gibt Gottesdienste speziell für Kindergartenkinder und deren Angehörige, Gottesdienste zum Beginn und Ende des Schuljahres. Pfarrer Heering hat kürzlich in Bochum an einem Gottesdienst für alle Neugeborenen der Gemeinde und deren Eltern und Großeltern teilgenommen: „Großartig“. Georg Birwer überlegt, künftig die Sonntagabendmessen, die in St. Bonifatius „für die Stadt“ stattfinden, mit bestimmten Themen oder Formen zu verbinden, zum Beispiel als Requiem für die verstorbenen Gemeindemitglieder.
Frei sprechen statt ablesen
Wer heute in die Kirche geht, geht freiwillig. „Und das ist auch gut so“, stimmen Kornelius Heering und Georg Birwer überein. Jeder sei willkommen. Deshalb nehmen sie es auch niemandem übel, wenn er nur zu den Hochfesten die Kirche besucht. Als „U-Boot-Christen“ werden solche Kirchgänger gerne tituliert: Sie tauchen nur Weihnachten und Ostern kurz auf und dann wieder für den Rest des Jahres ab. „Die Gemeinde gehört niemandem. Wir sind alle nur zu Gast“, sagt Birwer.
Worüber er an Weihnachten predigen wird, will er ebenso wenig verraten wie Kornelius Heering. Beide halten nichts davon, eine Predigt abzulesen: Stichworte und dann frei sprechen, ist ihr Credo. Kornelius Heering steigt dazu auch auf die Kanzel, was in den katholischen Kirchen heute unüblich ist. „Zum einen musste das Lesepult dem großen Tannenbaum in der Kreuzkirche weichen“, sagt Heering. „Die Kanzel hat einen großen Vorteil: Es ist möglich, Blickkontakt mit der Gemeinde aufzunehmen.“ Die Gottesdienstbesucher sehen ihn, er sieht sie. „Und die Zeiten, in denen die Gläubigen von oben herunter abgekanzelt wurden, sind schon lange vorbei.“
>> EINE KURZE BEGRIFFSERKLÄRUNG
Gottesdienst ist der Oberbegriff für die Zusammenkunft von Menschen, die mit Gott in Verbindung treten wollen. Er folgt meist einem bestimmten Ritus und kann in Kirchen, Synagogen und Moscheen stattfinden, aber auch außerhalb dieser festen Orte.
Eine Heilige Messe oder auch nur „Messe“ bezeichnet in der katholischen Kirche einen Gottesdienst, bei dem sich dem Wortgottesdienst eine Eucharistiefeier anschließt. Eucharistie bedeutet Danksagung. Eine andere Bezeichnung ist Abendmahl oder Kommunion.
In der katholischen Kirche gehört das Abendmahl zu jeder Heiligen Messe dazu. In der evangelischen Kirche wird das Abendmahl bei weitem nicht in jedem Gottesdienst ausgeteilt.
Evangelische Gottesdienste als Messen zu bezeichnen, ist unüblich. Es gibt sie aber als lutherische oder deutsche Messe.