Herne. . Die Hebammen Stella Groß-Ophoff und Christiane Thelen erzählen, was ihren Beruf besonders macht. Sie arbeiten im St. Anna und im Marien Hospital.

Es gibt Berufe, deren Alltag sich nicht planen lässt. Hebammen haben in der Klinik zwar gewisse Strukturen, aber trotzdem ist jeder Tag anders. Stella Groß-Ophoff und Christiane Thelen sind beide im Schichtdienst in Krankenhäusern der St. Elisabeth Gruppe Katholische Kliniken Rhein-Ruhr tätig. Darüber hinaus arbeiten beide freiberuflich in der Vor- und Nachsorge und geben Kurse. Im Gespräch mit Jennifer Humpfle erzählen die beiden, wie ihre Arbeitstage aussehen und warum der Beruf sie immer wieder fasziniert.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

Groß-Ophoff: Einen typischen Arbeitsalltag gibt es eigentlich nicht. Der Alltag einer Hebamme ist immer individuell. Eine spontane Geburt ist nicht planbar und es kann sein, dass auf einmal zwei, drei Frauen vorbeikommen, manchmal aber auch gar keine.

Zu Beginn des Jahres wurden im Marien Hospital neue Kreißsäle eröffnet.
Zu Beginn des Jahres wurden im Marien Hospital neue Kreißsäle eröffnet. © Rainer Raffalski

Was machen Sie in Ihrer Schicht?

Thelen: Häufig besteht der Alltag im Kreißsaal aus der Betreuung der Schwangeren rund um die Geburt. Auch Geburtseinleitungen finden statt. Hier gilt es dann, die Frauen bis zur Entbindung engmaschig zu betreuen.

Groß-Ophoff: Zusätzlich machen wir CTG-Kontrollen, Kreißsaalführungen, Elternabende, Beratungstelefonate, geburtsvorbereitende Akupunktur, Geburtsplanungen, Hilfe auf der Wöchnerinnenstation. Wir beide betreuen beide Frauen in der Vorsorge, parallel zum Frauenarzt, so dass die Frauen rundum gut versorgt und gut auf die Geburt vorbereitet sind. Unser Ziel ist, dass die Frauen so selbstbestimmt wie möglich entbinden dürfen.

Wann haben Sie den ersten Kontakt mit den Schwangeren?

Groß-Ophoff: Unterschiedlich. Manchmal schon ab dem positiven Schwangerschaftstest. Gerade wenn es das zweite Kind ist und die Frauen wissen, dass sie von mir betreut werden möchten, müssen sie jetzt schon anrufen. Manche Frauen melden sich in der 12. Woche.

Thelen: Das ist eigentlich schon fast das späteste...

Groß-Ophoff: Frauen, die das erste Kind bekommen, melden sich meistens so zwischen der 9. und 12. Woche.

Thelen: Manche melden sich aber auch erst zwischen der 20. oder der 30. Schwangerschaftswoche, weil im Geburtsvorbereitungskurs gesagt wurde, eine Hebamme wäre nicht schlecht. Nicht immer weist der niedergelassene Gynäkologe die Patientinnen zeitnah darauf hin, sich eine Hebamme zu suchen.

Wie lange betreuen Sie die Frauen?

Thelen: Acht Wochen nach der Geburt, manche auch 12, zunächst engmaschig, dann in größeren Abständen. Dann können sie sich noch melden, bis zu der Zeit, wenn die Kinder ein Dreivierteljahr alt sind. Es geht dann um die Thematik des Abstillens und Zufütterns.

Welche Fragen haben die Frauen bzw. Familien am häufigsten?

Thelen: Typische Fragen gibt es eigentlich nicht. Es gibt Themen, die sich wiederholen. Ist das Kind zu kalt, zu warm angezogen? Reicht meine Muttermilch? Wird das Kind denn satt? Wann fällt die Nabelschnur ab?

Groß-Ophoff: Oder auch, mir tun die Brüste weh oder ich habe Rückenschmerzen oder Sodbrennen, was kann ich machen?

Sind die Frauen besser informiert als früher?

Thelen: Mal so, mal so. Es gibt wirklich die sehr belesenen Frauen, die manchmal auch zu viel googeln, die aber selber auch schnell merken, dass ihnen das nicht gut tut.

Groß-Ophoff: Der eine hat das Bedürfnis sehr viel zu lesen, der andere lässt es eher auf sich zukommen. Ich sage den Frauen immer, ,Don’t google with the Kugel’. Es ist besser, wenn du mich als Hebamme oder den Frauenarzt fragst, um nicht noch weiter verunsichert zu werden.

Wie ist das Verhältnis zu Ärzten? Wird Ihre Arbeit wertgeschätzt?

Groß-Ophoff: In Deutschland ist es gesetzlich festgelegt, dass eine Hebamme ohne einen Arzt die Geburt leiten darf, umgekehrt aber nicht.

Thelen: Zum Großteil arbeiten wir geburtshilflich alleine. Es kommt zu jeder Geburt ein Arzt dazu, insbesondere bei auftretenden Auffälligkeiten. Ansonsten sind wir angesehen, und es ist ein gutes Miteinander. Teilweise müssen wir bei niedergelassenen Ärzten noch etwas an unserer Wertigkeit arbeiten.

Warum sind Sie Hebamme?

Thelen: Es ist mein zweiter Beruf. Ich bin eigentlich gelernte PTA und habe mein Abitur an der Abendschule nachgeholt, weil ich Pharmazie studieren wollte. Ich bin aber durch eine Hausgeburt einer Arbeitskollegin auf den Beruf Hebamme gestoßen und habe gedacht: Das ist es. Es geht nicht um die Arbeit mit kleinen Kindern, als Hebammen wissen wir, dass das zweitrangig ist. An erster Stelle steht die Frau.
Groß-Ophoff:
Für mich stand schon früh fest, dass ich Hebamme werden möchte. Ich bin im familiären Umfeld mit dem Beruf konfrontiert worden. Ich habe während meiner Schulzeit im Kreißsaal hospitiert bei einer freiberuflichen Hebamme. Meine ganzen Schulferien habe ich dort verbracht, weil es einfach für mich klar war, dass ist das, was ich werden möchte. Es ist einfach immer wieder ganz individuell etwas Besonderes, wenn man in eine Familie mit hineingelassen wird und sie einem das Vertrauen schenken und einen teilhaben lassen an diesem Wunder.

Was war Ihr schlimmstes Erlebnis?

Thelen:Die schlimmsten Erlebnisse sind die Totgeburten. Diese sind emotional eine Herausforderung. Manchmal kommen die Frauen mit Wehen und merken noch gar nicht, dass das Kind nicht mehr lebt, und man versucht dann, Herztöne aufzuschreiben und muss den Frauen mitteilen, dass das Kind leider verstorben ist. Dann noch diese Geburt mit ihnen zu erleben, das ist emotional schon wirklich sehr hart.

Was war Ihr schönstes Erlebnis?

Thelen: Wir haben eine Frau betreut, die eine Blinddarm-OP hatte und sie wurde auf der geburtshilflichen Station wach, weil bei der OP festgestellt wurde, dass sie circa in der 25. Woche schwanger ist. Und ich war die erste, die ein CTG schreiben durfte. Neben mir stand der werdende Vater, der weinte, weil sie sich dieses Kind so gewünscht hatten und dachten, sie können nie Kinder kriegen. Da kriege ich jetzt noch eine Gänsehaut.

>>>INFO

Die Zahl der Hebammen in Deutschland sinkt. Als Christiane Thelen ihre Ausbildung angefangen hat, kamen auf 25 Plätze rund 1000 Bewerberinnen, sagt sie. Heute sind es nur noch die Hälfte.
Die Ausbildung soll künftig durch einen Studiengang abgelöst werden, der aber ebenso viel Praxis enthält wie die Ausbildung.
Wer keine feste Hebamme findet, für den bieten beide Häuser verschiedene Angebote wie die 24 Stunden Stillambulanz oder die Stillcafés. Auch können Frauen jederzeit im Kreißsaal oder auf der Station anrufen oder vorbeikommen, wenn sie Fragen haben. 24-35 Jahre: In diesem Alter sind die werdenden Mütter aktuell nach Angaben der St. Elisabethgruppe in Herne. Wann Frauen das erste Mal Kinder bekommen, schwankt alle paar Jahre. Zurzeit werden werdende Mütter wieder jünger.