Diese Feuerwehrleute gehen bei der 112 in Herne ans Telefon
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Herne. Die Feuerwehr-Leitstelle ist Tag und Nacht besetzt. Männer erleben in dem schmucklosen Raum tragische Fälle und penetrante Anrufer.
Die Feuerwehr-Leitstelle an der Sodinger Straße ist Tag und Nacht besetzt
Die Disponenten erleben in ihren 24-Stunden-Schichten tragische Fälle und penetrante Anrufer
Zwei Stunden hängen die Männer pro Schicht hintereinander am Telefon, dann haben sie Pause
Die rote Lampe leuchtet: Notruf. Jürgen Schmidt rückt sein Headset zurecht. „Die Feuerwehr Herne, wo ist der Einsatzort?“ Es sind die ersten Minuten der 24-Stunden-Schicht des 56-Jährigen in der Herner Feuerwehr-Leitstelle an der Sodinger Straße. „Mama geht’s nicht gut“, sagt die Kinderstimme am Telefon. Der etwa zehnjährige Junge hat seine Mutter leblos im Bett gefunden. Jetzt zählt jede Sekunde.
Wer in Herne und Wanne-Eickel die 112 wählt, der spricht mit ihnen: den Männern, die sich im Feuerwehr-Sprech Disponenten nennen. In einem schmucklosen Raum in der Leitstelle an der Sodinger Straße („eine Übergangslösung“) klingeln die Telefone. Drei Feuerwehrleute nehmen an diesem Vormittag die Notrufe im Stadtgebiet entgegen, koordinieren Löschfahrzeuge und Krankentransporte. 140 000 Hilferufe erreichen die Leitstelle jährlich, daraus resultieren knapp 30 000 Einsätze.
Kameraüberwachung in der Wache
„Person ohne Bewusstsein“: Mit wenigen Klicks tippt Jürgen Schmidt die Wohnungsadresse in den Computer. Eine kurze Durchsage. Der Blick auf die Kameraüberwachung zeigt den ausrückenden Rettungswagen. Der Notarzt rast vom Krankenhaus zu der Herner Wohnung. Dort ist der zehnjährige Junge immer noch am Telefon. Hauptbrandmeister Jürgen Schmidt erklärt dem Kind, wie es seine Mutter wiederbeleben soll.
Mittlerweile ist auch ältere Bruder da. Drücken, drücken – beatmen. Telefonreanimation nennen die Feuerwehrleute das. Währenddessen kämpft sich der Rettungswagen durch den Berufsverkehr. Acht Minuten darf er in städtischen Gebieten brauchen. Für die Betroffenen wirkt das oft wie Stunden.
In der Leitstelle leuchtet die rote Lampe wieder. Disponent Thomas Kraft kennt die Nummer schon. Die ältere Dame ist vor zwei Tagen auf den Hintern gefallen, hat dort jetzt einen blauen Fleck. Sie will ins Krankenhaus, hat heute schon zwei Mal angerufen. „Warum dauert das so lange?“, fragt die Seniorin. Sie habe doch am Nachmittag noch einen Termin mit dem Heizungsableser. Thomas Kraft bleibt freundlich. Er will nicht diskutieren, blockiert doch jede weitere Sekunde den Notruf für echte Notfälle. „Viele rufen mit der Erwartung an, dass ein Notarzt kommen soll“, sagt der Hauptbrandmeister.
Nach zwei Stunden ist Pause
Zwei Stunden hängen die Männer am Telefon, dann haben sie Pause. Die Feuerwehrleute nennen das lieber Bereitschaft. Denn wenn es wirklich brennt, stehen sie doch wieder am Telefon – „manchmal schaffen es die Kollegen dann noch nicht einmal, ihre Schuhe anzuziehen“, sagt Leitstellen-Chef Martin Hauke.
Es ist ruhig. Ein Gerät an der Wand leuchtet rot, wenn es zu laut wird. Ist nicht viel los, dürfen die Männer auf einem Monitor Fußball schauen. Ein anderer zeigt ihnen etwa freie Betten in Krankenhäusern an. An diesem Vormittag ist viel grün dabei. „Es ist ruhig“, sagt Martin Hauke.
Das ist nicht immer so. Nachts nimmt ein einziger Feuerwehrmann die Notrufe entgegen, tagsüber sind es meist drei. Das soll sich ändern: „Die Auslastung ist auch nachts hoch.“ Ein großes Problem: Die „dusselige“ Bedienung von Smartphones. „Wir gehen dran, auch wenn’s nur ein versehentlicher Anruf ist. Wir haben dadurch schon viele Handwerkergespräche mitgehört. Irgendwann rufen wir auch zurück“, sagt Martin Hauke, der mit seiner Smartwatch auch schon versehentlich Kollegen alarmiert hat.
In der Wohnung sind die Sanitäter angekommen
In der Herner Wohnung sind Notarzt und Rettungswagen angekommen. Jürgen Schmidt hat seine Arbeit dort erledigt. Er verabschiedet sich von dem Jungen, muss schon bereit für den nächsten Anruf sein. Erfahren die Disponenten eigentlich, wie die Fälle ausgehen? „Nicht immer“, sagt Jürgen Schmidt mit einem Schulterzucken. Bei den Jungs und ihrer Mutter hat er nachgefragt. Die Frau hatte einen Herzstillstand, sie starb noch am selben Tag.
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