Herne. . Beim Deutschen Roten Kreuz gibt es neue Vorschriften für Blutspender. Spendenwillige müssen zuvor ein umfangreiches Formular ausfüllen.
- Das Deutsche Rote Kreuz in Herne sucht nach wie vor dringend Blutspender
- Spender müssen zu ihrem Leidwesen eine langen Bogen mit vielen persönlichen Fragen ausfüllen
- Zur Belohnung gibt es lediglich etwas zu essen, ein Brötchen, eine Suppe oder Süßes
Ein wenig fühlt man sich vor einer Blutspende beim DRK wie bei einer Einreise in die USA. Auch dabei müssen Fragen beantwortet werden, die weit in die Privat- und die Intimsphäre reichen, so zum Beispiel nach eventuellem Drogen- und Medikamentenkonsum, nach (ansteckenden) Krankheiten, nach Gefängnisaufenthalten und Sexualkontakten – Informationen, die man eher schützt als preisgibt. Doch die Inhalte der neuen, jetzt bundeseinheitlichen DRK-Fragebögen scheinen zumindest beim jüngsten Blutspendetermin in Wanne-Eickel kaum auf Einwände zu stoßen: „Es geht ja um den Schutz und die Gesundheit des Empfängers“, sagt Julia Berg (35), die mit Mann Sven (40) und Sohn Ben (5) zur Blutspende in das DRK-Haus an der Harkortstraße gekommen ist.
Fragen durcharbeiten
„Das“, so Magdalene Sonnenschein, Vorsitzende des DRK-Kreisverbandes Herne/Wanne-Eickel, „wird von den meisten unserer Spender so gesehen.“ Unmut gebe es eher über die Zahl der Fragen, die sich nun über vier DIN A4-Seiten erstrecken und über den veränderten Aufbau: „Unsere Stammspender wussten genau, wo was stand“, sagt DRK-Geschäftsführer Martin Krause. „Jetzt müssen sie sich erst mal richtig durcharbeiten, bevor sie ihre Kreuze machen können.“
Dazu sind in der 1. Etage des Wanne-Eickeler DRK-Hauses im Sitzungszimmer wie bei einer Wahl vier kleine „Kabinen“ aufgebaut, damit die Spendewilligen die Fragen beantworten können, ohne dass ihnen jemand dabei zusieht. Ehrliche Antworten, auch auf Fragen nach Sex gegen Geld oder andere Leistungen in den vergangenen vier Monaten oder nach Sex zwischen Homosexuellen sind für die Nutzung der Blutspende erforderlich: „Jede einzelne Spende wird zwar untersucht, bevor sie verwendet werden darf“, erklärt Martin Krause. „Aber wenn es kurz vor der Spende zu einer Infektion gekommen ist, kann man das im Blut häufig noch nicht nachweisen.“ Deshalb sei eine ehrliche Selbstauskunft unbedingt nötig.
Lockerung für Homosexuelle
Diskussionen hatte es in diesem Zusammenhang auch über eine gewisse Lockerung der Blutspende gegeben, die seit Mitte des vergangenen Monats gilt: Waren bislang Homosexuelle generell und lebenslänglich von Blutspenden wegen des HIV-Risikos ausgeschlossen, so sind sie jetzt zugelassen. Allerdings nur, wenn sie ein Jahr lang vor der Spende keinen sexuellen Kontakt hatten. Was davon zu halten ist? „Es ist schon mal gut“, so Magdalene Sonnenschein, „dass es keinen generellen Ausschluss mehr gibt.“ Sie betont aber gleichzeitig: „Nicht wir haben uns diese Vorschrift ausgedacht; das war eine Entscheidung der Politik und der Bundesärztekammer.“ Und dass es überhaupt eine Lockerung gegeben habe, so Martin Krause, sei den verbesserten medizinischen Untersuchungsmethoden zu verdanken, durch die eine Infektion schneller als früher festgestellt werden könne. Ob letztlich jemand zur Blutspende zugelassen werde, entscheide jedoch der Arzt, der immer vor Ort ist: mit Hilfe des ausgefüllten Fragebogens, in einem persönlichen Gespräch mit den Spendern und nach einer kurzen Untersuchung zum Beispiel des Blutdrucks, der Temperatur und des Hämoglobinwertes.
Neu ist auch, dass jeder Blutspendewillige sich durch einen Lichtbildausweis, sei es Personalausweis oder Führerschein, ausweisen können muss. Ein Spenderausweis reicht nicht mehr. Durch diese Vorschrift, so Martin Krause, solle Missbrauch unterbunden werden, obwohl das DRK für Blutspenden sowieso kein Geld zahle.
Die einzige „Belohnung“ ist ein Dankeschön und dient auch dazu, dass die Spender fit wieder nach Hause gehen. In Wanne-Eickel gibt es nach der Blutspende immer Getränke wie Kaffee, Cola oder Apfelschorle, eine kräftige Rindfleischbrühe oder einen Eintopf, belegte Brötchen und frisch gebackene Waffeln. Und Schokolade.
Blutspender seit ewigen Jahren Die Blutspender-Familie Berg Foto: Rainer Raffalski
Die Blutspender in Wanne-Eickel haben sich nicht vom neuen Fragebogen und der neuen Lichtbildausweispflicht abschrecken lassen. Es sind so viele an diesem Morgen in das doch beengte DRK-Haus an der Harkortstraße gekommen, dass sie nicht nur im Flur sitzen und warten, sondern auch noch die Treppe hinauf stehen.
Julia Berg und Familie haben es schon geschafft. Sie und ihr Mann Sven liegen im großen Saal auf einer der sieben Liegen, ihr fünfjähriger Sohn Ben wuselt zwischen ihnen hin und her, ohne dass ihm irgendeine Scheu anzumerken wäre. „Man darf einem Kind keine Angst machen und muss ihm das richtig erklären“, sagt Bens Mutter. Sie hat schon in ihrer Jugend Blut gespendet und ist durch ihren Mann Sven, der seit seinem 18. Lebensjahr regelmäßig zur Blutspende geht, wieder mit eingestiegen. „Eine Mitschülerin war damals an Leukämie erkrankt“, erzählt Sven Berg. „Ich habe deshalb gespendet und mich testen lassen.“ Der Wunsch, anderen Menschen zu helfen, ist auch Julia Bergs Motiv. Der neue Fragebogen? Für die Bergs kein Ding: „Die Empfänger müssen doch geschützt werden“, sagen sie. So sehen das auch Ingeborg Müller-Schuitz und ihr Mann Walter Müller, der schon zum 73. Mal sein Blut spendet. „Es sind ja berechtigte Fragen“, sagt Walter Müller. Und die müssten ja auch schließlich, ergänzt seine Frau Ingeborg, an die veränderten Lebensbedingungen angepasst werden. Einwände gegen die Fragen? Keine.