Herne. . Vor 50 Jahren wurde die Zeche Shamrock in Herne geschlossen. Der Bergwerksstandort war eine Welt für sich, erinnert sich ein Zeitzeuge.
- Obwohl es noch Kohle genug gab : Vor 50 Jahren wurde die Zeche Shamrock geschlossen
- Nachricht über Aus für Herner Bergwerk überraschte Kumpels und sorgte für Widerstand - vergeblich
- Zeitzeuge Udo Paul: „Shamrock – das war mehr als nur eine Zeche, das war eine ganze Welt“
Das Ende kam als Nachricht des Klassenfeindes: Im Oktober 1964 verbreitete das DDR-Fernsehen die Meldung, dass die Krise des Kapitalismus nunmehr auch das renommierte Herner Bergwerk ergriffen habe. Am 27. Oktober 1964 bestätigte dann die WDR-Sendung „Zwischen Rhein und Weser“, dass Shamrock „vorsorglich zur Stilllegung angemeldet“ worden war. Es gab es zwar noch Kohle bis zum Jahr 2000, aber laut der spitzen Bleistifte der Bergassessoren der Hibernia AG war der Abbau einfach nicht mehr rentabel.
In Herne schlug die Nachricht ein wie ein Blitz, Belegschaft und Betriebsrat wussten bis dato von nichts. „Wir waren alle geschockt. Das Zechensterben hatte doch zuvor immer nur die anderen getroffen, aber doch nicht uns, nicht Shamrock“, erzählt Udo Paul, der damals als 24-jähriger Bergmann auf der Schachtanlage malochte.
700 Bergleute ziehen durch Herne
Wut und Entsetzen machten sich breit. In einem spontanen Trauermarsch zogen die 700 Bergleute von Shamrock 1/2 durch die Stadt, überall wehten schwarze Fahnen. Im Tanzlokal Anlauf auf der Von-der-Heydt-Straße polterte der bekannte Betriebsratsvorsitzende Erwin Muhs gegen die „Vernebelungstaktik“ der Hibernia AG, und bei „Kille Biermann“ auf der Shamrockstraße spülten Steiger und Kumpels den Ärger mit Bier und Schnaps herunter. Die große Unterstützung durch die Kumpels von Friedrich der Große und Mont Cenis blieb allerdings aus; dort genoss man noch eine trügerische Sicherheit.
„Shamrock – das war mehr als nur eine Zeche, das war eine ganze Welt“, sagt Udo Paul. Es gab neben den diversen Förderschächten und Übertage-Anlagen den Eisenbahnbetrieb, die Schlosserei, die Wäscherei, das Gesundheitshaus, die Ledigenheime am Regenkamp und an der Brunnenstraße, die Zentralküche, das Lehrlingsheim und einen umfangreichen Wohnungsbestand. Als Kind hatte Paul im Wasser der Kühltürme gebadet und auf dem werkseigenen Sportplatz an der Courrièrestraße Fußball gespielt.
Mit sechs Kumpels in 700 Metern Tiefe verschüttet
Und nicht zuletzt hatte der Pütt seinen älteren Bruder „gefressen“. Am 29. Juli 1959 war Lothar Paul mit sechs weiteren Kumpels auf der siebten Sohle in 700 Metern Tiefe verschüttet worden. „Der Gebirgsschlag war so heftig, dass über Tage bei uns am Grenzweg die Kaffeetassen im Wohnzimmerschrank geklirrt haben“, erinnert sich Udo Paul. Man wusste sofort, dass etwas Schreckliches passiert war.
Er selbst war damals in der Berglehre. Als er zur Morgenschicht kam, wurde er beiseite genommen und zum Betriebsführer geschickt. „Meine erste Reaktion war: ‚Ich fahre nie mehr an!‘ Aber dann kamen die Experten von der Zeche in unsere Wohnung und versprachen mir eine goldene Zukunft. Außerdem war doch meine ganze Familie auf Shamrock, also ging ich nach drei Tagen wieder hin. Die Fehlzeiten wurden mir nie berechnet.“
Grubenopfer erst im September beigesetzt
Erst im September 1959 konnten die Grubenopfer unter der Beteiligung von über 5000 Menschen auf dem Wiescherfriedhof beigesetzt werden. Zur gleichen Zeit legte Udo Paul seine Knappenprüfung ab.
Und manchmal wiederholt sich die Geschichte: Während sich die Akteure verändern, bleibt die Tragik dieselbe. Durch den Bergwerksverbund mit General Blumenthal in Recklinghausen sollte im Oktober 1967 endgültig der Deckel auf Hernes älteste Grube fallen. Aber nur wenige Wochen zuvor, am 29. September 1967, kam es erneut zu einem Unglück unter Tage. Ein Strebbruch riss vier Kumpel, die in steiler Lagerung bei der Kohlegewinnung am Knapp arbeiteten, in den Tod. Auch ihre Bergung zog sich über Monate hin. Aus Respekt vor den Verschütteten fand so die letzte Schicht auf der Zeche am 31. Oktober 1967 still und leise statt – ganz ohne Bergmannskapelle und „Glück Auf, der Steiger kommt“. So mancher trug stattdessen Trauerflor.
Nur die „Räuber“ blieben zurück
Danach blieben auf Shamrock nur die „Räuber“ zurück, die aus den verlassenen Förderstrecken die Materialien ausbauten, um sie an anderer Stelle weiter zu verwenden, und die Bergungsmannschaften, die noch immer nach den Verunglückten suchten. Erst Ende November nach über zwei Monaten gab das Flöz seine Opfer frei.
Die Shamrock-Kumpels aus Herne und Wanne-Eickel hatten zu diesem Zeitpunkt schon längst auf General Blumenthal angelegt. Udo Paul erinnert sich: „Wie Nomaden wurden wir von der Hibernia AG mit Bussen nach Recklinghausen kutschiert. Auf Blumenthal 3/4 waren wir die Fremden. Aber selbst in diesem Augenblick habe ich noch nicht daran geglaubt, dass der Bergbau im Ruhrgebiet irgendwann mal komplett zu Ende geht.“
>> WEITERE INFORMATIONEN: Was man über Shamrock wissen sollte
- Unter der Leitung von William Thomas Mulvany wurde im Februar 1857 der erste Schacht der Zeche Shamrock abgeteuft. Damit begann die Alt-Herner Bergbaugeschichte. Aufgrund der irischen Kapitalgeber wurde die Zeche nach dem Kleeblatt, dem Wahrzeichen Irlands, benannt. Allein bis 1900 entstanden sieben Schachtanlagen mit einer Gesamtförderung von 1,8 Mio. Tonnen Kohle bei 5.693 Beschäftigten.
- In den 1950er Jahren wurde der auf Wanner Gebiet liegende Schacht 3/4 zur neuen Zentralschachtanlage ausgebaut. Über 200 Millionen DM wurden u. a. in die moderne Aufbereitungsanlage investiert, die als Teil des Bergwerks General Blumenthal noch bis zum Juni 2001 in Betrieb blieb.
- Bei der Stilllegung im Oktober 1967 arbeiteten rund 1.300 Menschen auf Shamrock 1/3 und Shamrock 3/4. Arbeitslos wurde niemand. 800 Kumpels wurden auf General Blumenthal umgelegt, 100 kamen nach Schlegel und Eisen und etwa 300 gingen abgesichert durch einen Sozialplan in den vorzeitigen Ruhestrand. Der Rest verließ mit einer Abfindung den Bergbau.
- Bereits im Jahr 1887 hatte William Thomas Mulvany seine verschiedenen Zechengründungen unter dem Namen „Bergwerksgesellschaft Hibernia“ mit Sitz in Herne vereinigt. Im Jahr 1964 war die Hibernia AG ein Konzern mit 35 Millionen Gesamtkapital und 28.473 Mitarbeitern.
- Von 1897 bis 1975 führte die Stadt Herne als Hommage an das Bergwerk ein Kleeblatt mit Schlägel und Eisen im Wappen.