Herne. . Vergewaltigung, Stalking, Gewalt - bei Brigitte Berkenhoff vom Weissen Ring erhalten Kriminalitätsopfer Hilfe. Was sie aus 25 Jahren berichtet.
Der Mann habe so vertrauenswürdig gewirkt, als er ihr helfen wollte, die Einkaufstaschen ins Haus zu tragen, erzählt die Seniorin. Einen brutalen Überfall hätte sie nicht für möglich gehalten, sagt sie Im Gespräch mit Brigitte Berkenhoff wenige Tage nach der Tat.
Die ehrenamtliche Mitarbeiterin des Weissen Rings hat über die Polizei davon erfahren und nimmt sich Zeit, der älteren Dame zuzuhören. Doch schon schnell zeigt sich, dass die Frau das Geschehen zwar weitestgehend verarbeitet hat, aber nahezu um ihr gesamtes Vermögen gebracht worden ist. „Da war erst einmal finanzielle Unterstützung vom Weissen Ring die wichtigste Hilfe“, sagt die Hernerin.
Oftmals seien es aber nicht unbedingt materielle Probleme, mit denen Opfer von Kriminalität zu kämpfen haben, meint die 76-Jährige. „Vielfach leiden sie unter seelischen und psychischen Folgen.“ In solchen Fällen empfiehlt sie, geeignete Beratungsstellen in der Umgebung aufzusuchen und nennt auch die entsprechenden Adressen.
Brigitte Berkenhoff hat ein sehr feines Gespür dafür, welche Form der Unterstützung die richtige ist, kann sie doch auf einen großen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Seit einem Vierteljahrhundert ist sie für die Opferschutz-Organisation tätig. Wie viele Menschen sie im Laufe der Zeit aufgesucht, lässt sich erahnen, wenn man auf aktuelle Zahlen schaut: Pro Jahr nimmt sich die Außenstelle des Weissen Ring in Herne mit sieben ehrenamtlichen Helfern rund 150 Frauen und Männern an, die Opfer einer Straftat geworden sind.
„Es gab auch schon Jahre, da waren wir nur zu zweit und die Anzahl der Fälle war genauso hoch“, erinnert sich die gelernte Buchhalterin. Von 1998 bis 2006 hat sie selbst die Außenstelle geleitet. „Auch ehrenamtlich. Aber das war ein Vollzeitjob“, sagt sie rückblickend.
Erster Fall brachte sie an Grenzen der Belastbarkeit
Bei allen Herausforderungen weiß sie genau, dass sie mit dem Engagement für den Weissen Ring die richtige Wahl getroffen hat. „Nachdem die Kinder, wie man so sagt, aus dem Haus waren, habe ich ein Betätigungsfeld gesucht, bei dem ich Menschen helfen kann und das habe ich auch gefunden.“
Dabei war der erste Fall sofort einer, der sie an die Grenzen ihrer eigenen Belastbarkeit gebracht hat. Alle Einzelheiten möchte sie heute gar nicht mehr erzählen, es ging um die mehrfache Vergewaltigung eines sehr jungen Mädchens, das aber aus Angst vor den Tätern sich lange Zeit niemanden anvertrauen wollte. Irgendwann ist es Brigitte Berkenhoff dann doch gelungen, Vertrauen zu schaffen.
Wenn sie sich an die Ereignisse von damals erinnert, weiß sie, dass auch ihr ein Gespräch gut getan hätte, um die Schilderungen zu verarbeiten. Heute hat sie da keine Hemmschwellen mehr, mit dem Herner Team trifft sie sich einmal im Monat.
Informationen über rechtliche Veränderungen
Überhaupt biete der Weisse Ring zahlreiche Seminare und Schulungen an, hebt sie hervor, und eine Fortbildung pro Jahr sei sowieso verpflichtend. Unter anderem werden dabei auch rechtliche Veränderungen behandelt. Für ihre Arbeit hatte das vor einigen Jahren verabschiedete Gesetz besondere Bedeutung, wonach die Polizei schlagenden Ehemännern zumindest vorübergehend einen Wohnungsverweis erteilen kann. „Da hatte man Zeit gewonnen, um mit den Frauen zu überlegen, wie es weitergehen kann.“
Psychologische Hilfe, neue Wohnung, Unterbringung der Kinder: „In solchen Situationen stehen viele Fragen und Themen an.“ Ganz häufig brauchen, wie die Mitarbeiterin weiß, die Frauen auch einen Anwalt. Der Weisse Ring vergibt im Bedarfsfall einen Beratungsscheck für eine juristische Erstberatung. „Je nach finanzieller Situation übernimmt unsere Organisation auch weitere Prozesskosten“, sagt Berkenhoff.
Rat und Tat für Frauen in Lebenskrisen
Missbrauch und häusliche Gewalt machen nach ihren Angaben rund 60 Prozent der Fälle aus. Daher steht sie häufig Frauen zur Seite, die dringend Rat und Tat in Lebenskrisen benötigen. Schutz und Sicherheit auf besondere Weise suchen Menschen, die Opfer von Stalking geworden sind. Während es früher überhaupt keine rechtliche Handhabe gab, „bestehen inzwischen aber doch Möglichkeiten, den Täter zu bestrafen.“
Ob Stalking, Mobbing oder auch andere Straftaten: Manchmal sind, wie die Mitarbeiterin schildert, Kriminalitätsopfer durch die gesamte psychische Belastung so in sich gefangen, dass ihnen einfachste Lösungsschritte nicht in den Sinn kommen. Sie erinnert sich noch an einen Stalker, der Zugang zur Wohnung der Frau hatte. „Da war es natürlich angesagt, das Schloss der Wohnungstür auszutauschen.“
Manchmal erhält Brigitte Berkenhoff auch Anrufe von Menschen, denen sie geholfen hat. „Ich freue mich zu hören, wie es ihnen weiter ergangen ist.“
>> INFO
Der Weisse Ring in Herne ist unter HER 944335 zu erreichen.
Das Opfer-Telefon der Organisation hat die Nummer 116 006 (täglich von 7 bis 22 Uhr; kostenlos).
Die Polizei fragt Kriminalitätsopfer, ob ihre Daten an den Weißen Ring weitergegeben werden dürfen.