Herne. . Unabhängig vom Fall des Pflegers Niels H. setzen die Herner Krankenhäuser auf mehrere Systeme, früh auf Auffälligkeiten reagieren zu können.

  • Der Fall des Krankenpflegers, der zig Menschen getötet haben soll, sorgt für Verunsicherung
  • Die Herner Krankenhäuser setzen auf mehrere Systeme, Unregelmäßigkeiten früh festzustellen
  • Konsequentes Hinsehen, Vier-Augen-Prinzip bei Medikamentenausgabe und kompetentes Personal

Die Mordserie des Krankenpflegers Niels H., der bereits zu lebenslanger Haft verurteilt ist und nun im Verdacht steht, mindestens weitere 84 Patienten getötet zu haben, hat viele Menschen aufgeschreckt und verunsichert. Vor allem auch, weil über Jahre hinweg Verdachtsmomente in den Kliniken folgenlos blieben.

Anonym Problemfälle schildern

Beate Schlüter-Rickert, Pflegedirektorin der Evangelischen Krankenhausgesellschaft Herne und Castrop-Rauxel, kann die Verunsicherung zwar grundsätzlich verstehen. Sie betont aber sehr deutlich, dass in den eigenen Einrichtungen schon seit langer Zeit ein so genanntes Fehler-Risiko-Management bestehe und sich bewährt habe. Auf ein solches System können auch die Mitarbeiter des Marien Hospitals zurückgreifen, erläutert Sabine Edlinger. Sie ist Mitglied der Geschäftsleitung der Einrichtungen der St. Elisabeth Gruppe, zu der das Herner Haus gehört.

Dr. Sabine Edlinger: Fehler-Risiko-Management hat sich bewährt.
Dr. Sabine Edlinger: Fehler-Risiko-Management hat sich bewährt. © Rainer Raffalski

In beiden Kliniken haben Mitarbeiter die Möglichkeit, anonym Problemfälle zu schildern. Wenn beispielsweise eine Krankenschwester feststellt, dass im Medikamentenschrank gewisse Arzneien übermäßig oft gebraucht werden, dann kann sie diese Beobachtung weitergeben – ohne ihren Namen nennen zu müssen, erklärt Schlüter-Rickert: „Den Hinweisen gehen die Verantwortlichen in den Krankenhäusern nach“. Bei der Ausgabe von Medikamenten gelte ohnehin das „Vier-Augen-Prinzip“, so Sabine Edlinger.

Zudem seien die Häuser auf eine „positive Fehlerkultur“ bedacht, erklärt die Pflegedirektorin der Ev. Krankenhausgesellschaft. Pflegekräfte sollen durchaus einem Vorgesetzten wunde Punkte im Krankenhausalltag nennen, ohne den Eindruck zu erwecken, sie möchten eine Kollegin oder einen Kollegen verunglimpfen. „Dabei ist es uns auch wichtig, dass die Pflegekraft erfährt, was aus ihrem Hinweis geworden ist“, hebt die Pflegedirektorin hervor. „Das Signal, das damit einhergeht, soll unmissverständlich zeigen, dass wir uns um die Angelegenheit kümmern“.

EvK-Pflegedirektorin Beate Schlüter-Rickert: „Den Pflegekräften ist am Wohl der Patienten gelegen.“
EvK-Pflegedirektorin Beate Schlüter-Rickert: „Den Pflegekräften ist am Wohl der Patienten gelegen.“ © Ralph Bodemer

Lernen von anderen Einrichtungen

Ein weiteres Instrument stelle das klinikübergreifende und landesweite System CIRS dar, so Edlinger. Ärzte und Pflegepersonal können eigene Erfahrungen aus dem medizinischen Alltag schildern und auf diese Weise von Kolleginnen und Kollegen dazu lernen: „In den Häusern der St. Elisabeth Gruppe werden die Meldungen, die in CIRS-NRW stehen, regelmäßig analysiert und diskutiert, um in den eigenen Krankenhäusern bestehende Prozesse zu prüfen und gegebenenfalls zu verbessern.“

Darüber hinaus bestehen in den Kliniken Qualitätskommissionen, die sich mit angewandten Methoden und Verfahren befassen und unter die Lupe nehmen. „Es findet eine kontinuierliche Überprüfung der Qualität der medizinischen Behandlung statt“, erläutert Sabine Edlinger. Zudem seien viele medizinische Bereiche von unabhängigen Stellen zertifiziert. Ziel sei es, eine bestmögliche Behandlung der Patienten festzulegen.

Beate Schlüter-Rickert hält es aber darüber hinaus in diesen Wochen für äußerst wichtig, auf das Berufsverständnis von Pflegekräften hinzuweisen. „Ihnen ist am Wohl des Patienten gelegen“. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien sowohl in medizinischer als auch sozialer Sicht kompetentes Fachpersonal.

>> VERSCHIEDENE SICHERHEITSSYSTEME

Die Abkürzung CIRS (Critical Incident Reporting System) ist eine Plattform im Internet, die nach eigener Darstellung dazu beitragen will, dass über kritische Ereignisse offen gesprochen und aus ihnen gelernt wird.

In den Häusern der Ev. Krankenhausgesellschaft tagt in regelmäßigen Abständen eine „Mortalitätskonferenz“, die die Ursachen der Todesfälle im Krankenhaus analysiert und hinterfragt, berichtet Schlüter-Rickert.

Grundsätzlich werde, wenn Patienten versterben und die Todesursache nicht geklärt ist, die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, die eine Obduktion veranlasse, so Edlinger.