Herne. . Wenn der Notarzt gerufen wird, ist Eile angesagt, aber keine Hektik. Wir begleiteten Dr. Stefanie Lemm und Thorsten Kluge bei einem Einsatz.
- Im Notarztwagen geht es mit hoher Geschwindigkeit über die Straßen der Stadt
- Auch bei relativ harmlosen Fällen will das Team schnell am Einsatzort sein
- Besonders bei Kindern und Säuglingen geht die Pulsfrequenz der Notärztin hoch
Es ist ganz genau so, wie man es sich vorstellt: Mit einem Affenzahn rast der Notarztwagen durch Wanne, am Steuer Thorsten Kluge (53), daneben Dr. Stefanie Lemm (37), Anästhesistin und Notärztin. Es muss schnell gehen wie immer, wenn der Notarzt angerufen wird. Kluge fährt zügig durch eine Tempo-30-Zone, links und rechts vor uns rücken die Autos zur Seite, ein Kleinwagen mit einer jungen Frau am Steuer nimmt panikartig Reißaus um die erstbeste Straßenecke. Im Innern des Notarztwagens klappern die Gerätschaften, das Martinshorn ist auch hier unüberhörbar, besonders in Kreuzungsbereichen, wenn es eine Stufe lauter lärmt. Eine Fahrt mit einem Rettungswagen ist für Profis Routine, für den einmaligen Mitfahrer eher ein Ereignis wie der Autoscooter auf der Cranger Kirmes – mit Blaulicht.
Pulsfrequenz geht beim Einsatz hoch
Trotz Gewöhnungseffekt, Stefanie Lemm hat immer noch einen hellwachen Blick auf die Straße, wenn sie auf dem Weg zu einem Notfall ist: „Meine Pulsfrequenz geht bei einem Einsatz immer hoch, besonders, wenn es sich um Kinder oder gar Säuglinge handelt“, sagt die Notärztin. Seit 2013 arbeitet sie am Evangelischen Krankenhaus in Eickel, vor dessen Eingang wir jetzt reden und auf den nächsten Notruf warten. „Man guckt automatisch nach rechts, ob auch wirklich alles frei ist. Ansonsten muss man dem Fahrer vertrauen.“ Stefanie Lemm ist eine von rund 20 Notärztinnen und Notärzten am EvK, sie sind in Schichten rund um die Uhr im Einsatz. In der Regel fährt der Rettungswagen von der Feuerwache los, möglichst schnell kommt dann – etwa in der Hälfte der Fälle - auch der Notarzt zum Einsatzort. An Kreuzungen bremst der Fahrer aber kräftig ab. „Ich habe Familie“, sagt Thorsten Kluge. Er ist Führungsassistent und fährt sozusagen seit 22 Jahren mit „Blaulicht“.
Bislang ist alles gut gegangen bei Kluge, keine schweren Unfälle gebaut, „nur eine Beule“. Doch es kann auch anders laufen, wie Wolfgang Hoppe vom Rettungsdienst der Feuerwehr verdeutlicht: „Es kommt auch zu Unfällen, es hat schon einmal ein Einsatz-Fahrzeug auf der Seite gelegen.“ Alle Fahrer absolvierten ein Sicherheitstraining. Ein wachsendes Problem sei, dass Rettungswagen nicht wahrgenommen würden, „junge Leute, die die Musik im Auto auf volle Lautstärke drehen.“ Eine Alarmfahrt sei ein sehr hohes Risiko, „die Fahrer bekommen bei Unfällen fast immer eine Teilschuld. Deshalb sagen wir, fahr doch ein bisschen langsamer, auf ein paar Sekunden kommt es am Ende nicht an.“
Improvisationstalent gefragt
Längst nicht immer geht es um Leben und Tod, wenn der Notarzt durch Hernes Straßen braust. Jetzt rasen wir zu einem Fitness-Studio, wo eine junge Frau einen Kreislaufkollaps hat. „Es ist aber noch gar nicht lange her, da ging es brenzliger zu. Eine ältere Frau war zusammengebrochen, ich traf noch vor den Rettungssanitätern am Einsatzort ein. Ich legte der Frau ein Beatmungsgerät an und führte eine Herzmassage durch. Alles ging gut, auch, weil die Tochter ihre Mutter unter telefonischer Anweisung der Leitstelle reanimiert hatte. Nach zwei Wochen konnte die Seniorin wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden.“ Unsere Patientin ist zum Glück ein harmloser Fall. Sie kann auf der Trage sitzen, als sie von den Rettungsassistenten Dominik Boenke (30) und Daniel Thiemann (27) vom Einsatzwagen ins EvK transportiert wird. „Alles im grünen Bereich“, sagt Stefanie Lemm. Drei bis acht Einsätze fährt sie pro Tag, hat heute nur eine Zehn-Stunden-Schicht von 8 bis 18 Uhr. „Ich mache meine Arbeit gerne“, sagt sie. „Man muss innerhalb kürzester Zeit die Lage einschätzen können, mit dem auf der Straße arbeiten, was man hat und improvisieren können. Das macht Spaß.“