Herne. . Der neue Kunstort im Herner Bahnhof ist am Samstag seiner Bestimmung übergeben worden. Die Ausstellung „Aber du siehst mich nicht“ überzeugt.

  • Am Samstag wurde der restaurierte Raum offiziell der kulturellen Nutzung zugeführt
  • Oberbürgermeister Frank Dudda eröffnete die Veranstaltung für Politik und Verwaltung
  • Am Abend nahmen interessierte Herner die neuenRäumlichkeiten in Augenschein

Gleich zwei Mal ist am Samstag im Herner Bahnhof der restaurierte Alte Wartesaal 3. Klasse (wieder)eröffnet worden. Am Nachmittag vor geladenen Gästen aus Politik und Verwaltung, mit Reden und Schnittchen, drei Stunden später dann noch einmal vor allen, die sich gezielt oder zufällig eingefunden hatten, um Hernes neuesten Kulturort in Augenschein zu nehmen. Der Verein Pottporus, der die künstlerische Regie übernommen hat und zur Vernissage einlud, setzte mit Tanzperformances Akzente.

Ansprechendes Ambiente für Ausstellungen geschaffen

Wer sich an den Zustand des Wartesaals vor der Restaurierung erinnerte oder den Raum gar nicht kannte, staunte über das Ambiente, das mit Hilfe von 220 000 Euro aus Stadtumbau-Mitteln geschaffen worden ist. Zwar hat man den viel beschworenen „Industriecharme“ erhalten, aber doch mit Lüftungstechnik, Licht und Bodenbelag einen ordentlichen Sprung nach vorne gemacht.

Die Ausstellungskuratoren Robert Kaltenhäuser (li.) und Katja Glaser mit Zekai Fenerci von Pottporus.
Die Ausstellungskuratoren Robert Kaltenhäuser (li.) und Katja Glaser mit Zekai Fenerci von Pottporus. © Olaf Ziegler

Auch die Ausstellung „Aber du siehst mich nicht“ präsentierte sich auf professionellem Niveau. Robert Kaltenhäuser, der in Aachen lebende Kurator, und Katja Glaser (Assistenz) haben gezeigt, wie sich Street Art, die naturgemäß draußen und „ungenehmigt“, so der Sprachgebrauch, stattfindet, mit für den Innenraum geschaffener, eigenständiger Kunst verbinden lässt. So hat der italienische Künstler Aris für eine Wand ein großformatiges vielköpfiges Wesen aus Papier geschaffen, analog zu seinen weißen, auf Fotos dokumentierten Lackarbeiten auf Schiebebandwagen. Fotografien und Skizzen verleihen dem Scherenschnitt so eine weitere Dimension.

Linien werden bei Tocka zu Netzen und Gittern

Eine Installation mit dem Titel „Struktur
Eine Installation mit dem Titel „Struktur" von Tocka © Olaf Ziegler

Ähnlich bei Tocka aus dem Ruhrgebiet, der Linien zu Strukturen, Netzen und Gittern zusammenfügt. Fotos, Entwürfe und bewegte Bilder ergänzen seine Arbeit für den Wartesaal, gemalt mit Lack auf Abdeckplane.

„Eine tolle Sache“, lobte Oberbürgermeister Frank Dudda gleich zu Beginn seiner Eröffnungsrede, bevor er die Geschichte des Bahnhofs und des Umbaus rekapitulierte. Er wünschte dem neuen Kulturort alles Gute „und irgendwann sogar mal eine Toilette“. Denn diese fehlt dem Wartesaal bekanntlich.

Kulturdezernentin ist Streetart-Fan

Während die Künstler Aris und Tocka zwar dem Vernehmen nach anwesend waren, sich aber - wie bei Graffiti-Künstlern aus Vorsichtsgründen üblich - nicht zu erkennen gaben, standen die Kuratoren für Erklärungen bereit. Hernes Kulturdezernentin Gudrun Thierhoff mussten sie nicht überzeugen: Sie gab sich im Gespräch mit der WAZ am Rande der Vernissage als Fan von Banksy und anderen urbanen Künstlern zu erkennen: „Wenn man das legalisieren würde, hätten wir eine buntere Welt.“

>>>ZUR GESCHICHTE DES BAHNHOFS

1847 Eröffnung mit der Köln-Mindener Eisenbahn

1914 Bau des heutigen Gebäudes mit drei Wartesälen

1970 Modernisierung mit Abhängung der Decke und Austausch der Fenster

1990 Restaurierung durch IBA Emscherpark mit Öffnung der Kuppel und Einbau der Fenster

2018 Modernisierung geplant