Herne. . Nach dem Türkei-Referendum stellen einige die Integrationspolitik in Frage. SPD-Ratsmitglied Nurten Özcelik fordert besonnenes Vorgehen.

Das Referendum in der Türkei ist von vielen aufmerksam verfolgt worden. Nach dem knappen Ergebnis verwundert die Menschen in Herne, dass so viele in Deutschland lebende Türken für „Ja“ gestimmt haben. Während der Bochumer SPD-Landtagsabgeordnete Serdar Yüksel deutliche Töne anschlägt und die Unterstützer „ihres geliebten Führers Erdogan“ auffordert, in die Türkei zu reisen, fordert die Hernerin Nurten Özcelik, Ratsmitglied und stellvertretende Integrationsratvorsitzende, zum offenen und ehrlichen Dialog auf.

„Ich bin seit 2006 in der Integrationspolitik und sehr enttäuscht darüber, dass die Diskussion über Integration nicht ehrlich geführt wird, sondern dass sie vor allem von Emotionen geleitet wird“, sagt Nurten Özcelik. Sobald jemand sage, was nicht gut laufe, werde er schnell in die Ecke der Erdogan-Befürworter gedrängt. Dass über 75 Prozent der wahlberechtigten Türken im Ruhrgebiet für das Referendum gestimmt haben, finde sie erschreckend.

„Ich habe viele gefragt, warum sie mit ,Ja’ gestimmt haben und habe häufig eine ähnliche Antwort bekommen“, erklärt Nurten Özcelik, „Nämlich, dass sie das Gefühl haben, nie richtig anzukommen oder ankommen zu dürfen – auch der deutsche Pass ändert daran nichts.“ Allein der türkische Name sorge dafür, dass Menschen häufig in Schubladen landeten, sei es in der Schule, im Beruf oder bei der Wohnungssuche. „Es kostet sehr viel Kraft und Energie, immer wieder gegen diese Vorurteile anzukämpfen. Soziale Gerechtigkeit ist etwas anderes.“

Andere Meinungen aushalten

Miteinander reden und andere Meinungen akzeptieren – das sind für Nurten Özcelik Schlüssel zur Integration. „Man hätte sich der Menschen besser annehmen müssen. Wo war die türkische Opposition?“ Demokratie müsse andere Meinungen aushalten können. Deshalb solle man lieber besonnen mit der Situation umgehen. Integration dürfe kein Nischenthema sein. Anstatt Erdogan-Befürworter zu beschimpfen, solle die Politik auf sie zugehen und versuchen, sie zu verstehen. „Ich bin sehr froh, dass das Miteinander hier in Herne gut läuft“, betont Nurten Özcelik. „Trotzdem müssen wir uns hinterfragen und mit den Pro­blemen vor Ort befassen.“

Stadtsprecher Horst Martens sieht das Abstimmungsverhalten als mögliches Zeichen dafür, dass sich die Türken hier nicht angenommen fühlen. „Vielleicht fühlen sie sich vernachlässigt, im Bildungsbereich oder in der Ausbildung, und haben schlechtere Perspektiven“, gibt er zu bedenken. Man müsse sich dazu ein differenziertes Bild machen. „Deshalb müssen wir neue Wege finden, um Barrieren zu senken und wirkliche Chancengleichheit zu schaffen.“ Im Gegenzug erwarte die Stadt aber, dass sich die türkische Community aktiv einbringe und am gesellschaftlichen und demokratischen Prozess teilnehme.

Engagement richtet sich an alle

„Unsere Arbeit richtet sich an alle Menschen, egal welcher Herkunft“, betont Michael Barszap, stellvertretender Abteilungsleiter des Kommunalen Integrationszentrums. Das gelte auch für die Angebote der Gesellschaft zur Förderung der Integrationsarbeit in Herne, deren Geschäftsführer er ist. „Unsere Bildungsangebote werden gut angenommen und für die Eltern steht einzig eine gute Förderung ihrer Kinder im Mittelpunkt.“