Seit dem 1. März leitet Georg Birwer die Pfarrei St. Dionysius. Über einen Kirchturm mit Schuhgeschäft mitten in Herne hat auch er gestaunt.
- Nach sechs Wochen im Amt schildert neuer Pfarrer von St. Dionysius seine ersten Eindrücke
- In Herner Gemeinden spürt er eine positive Stimmung, gemeinsam Neues schaffen zu wollen
- Er will die Blickrichtung auf die Botschaft Jesu und die Kraft des Evangeliums lenken
Vor sechs Wochen ist Georg Birwer in sein Amt als neuer Pfarrer der neuen Herner Gesamtpfarrei St. Dionysius eingeführt worden. Er hat diese Aufgabe inmitten einer wichtigen Umbruchphase und Neustrukturierung übernommen. Über erste Erfahrungen und Perspektiven sprach mit ihm WAZ-Redakteurin Gabriele Heimeier.
Die ersten Wochen in Ihrem neuen Amt liegen hinter Ihnen. Welchen Eindruck haben Sie von Ihrem neuen Wirkungskreis gewonnen?
Birwer: Ich fühle mich hier wohl und habe den Eindruck, dass ich gewissermaßen in der Heimat angekommen bin. Der Unterschied zwischen Herne und Dortmund, der Stadt, in der ich geboren und aufgewachsen bin, ist nicht so groß. Es fühlt sich vertraut an.
Konnten Sie sich, bevor Sie nach Herne kamen, eine Kirche mit einem Schuhgeschäft im Turm vorstellen?
Die Bonifatiuskirche ist schon eine sehr eigene Kirche (lacht). Zum einen dieser imposante Turm – mit dem Schuhgeschäft – der einen großen Teil der Bahnhofstraße dominiert, zum anderen dann diese sehr moderne Kirche. Das gefällt mir gut.
Was werden Sie als erstes angehen, welches sind für sie die größten Baustellen in der neuen Gesamtpfarrei St. Dionysius?
Mit der gemeinsamen Gründung der Pfarrei haben wir einen Stein nach vorne geworfen, wir müssen nun mutig in diese Richtung gehen und miteinander ein Bewusstsein dafür entwickeln, was wir in Herne als Kirche miteinander tun wollen.
Was läuft bereits gut?
Ich erlebe hier die Bereitschaft, sich darauf einzulassen, dass etwas Neues beginnt und dass man dazu nicht genötigt wird. Es ist eher eine positive Grundstimmung da, miteinander aufzubrechen, auch wenn dies in Spannung steht zum Erhalt der Gemeinde vor Ort. Es wird aber auch gesehen, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann.
Es geht nicht darum, etwas kaputt zu machen
Welche Erfahrungen aus Unna, wo Sie den Zusammenschluss ja auch schon begleitet haben, bringen Sie hier ein?
In Unna stand die Gründung der Gesamtpfarrei am Ende eines Prozesses von acht bis zehn Jahren, hier ist der Prozess des Zusammenwachsens und Vertrautwerdens zwischen den Gemeinden noch nicht so weit gediehen. Ich bringe eine gewisse Zuversicht mit, dass es möglich ist, die Gemeinden zu öffnen, ohne dass der Einzelne untergeht. Es geht nicht darum, etwas kaputt zu machen, sondern Neues entstehen zu lassen – wobei es manches sicher nicht mehr in bekannter Art geben wird. Es wird Veränderungen geben – wie es sie auch im individuellen Leben gibt. Wir müssen sehen, wie sich das im Kollektiv gestalten lässt.
Werden Sie Ihre Kollegen in Wanne-Eickel, die noch auf dem Weg zur Gesamtpfarrei sind, unterstützen oder macht jeder sein eigenes Ding?
Ludger Plümpe, den künftigen Leiter der Wanne-Eickeler Gesamtpfarrei, kenne ich gut. Selbstverständlich tauscht man sich im Sinne einer kollegialen Beratung aus. Ohne den Dialog mit ganz vielen Beteiligten auf ganz vielen Ebenen lässt sich so ein Prozess sowieso nicht umsetzen.
Sehen Sie es eher als Vorteil oder als Nachteil, nicht auch gleichzeitig Dechant des Emschertaldekanats zu sein, wie das bei Christian Gröne gewesen wäre?
Ich empfinde es nicht als Nachteil, das Amt des Dechanten ist bei Pfarrer Walter in guten Händen. Meine Aufgaben hier sind so herausfordernd, dass ich auch gar nicht dazu käme. Irgendwann mag sich die Frage stellen; dann müssen wir sehen.
Wie fast überall sind auch in Herne die Zahlen der Kirchenmitglieder und -besucher kontinuierlich rückläufig. Wo sehen Sie Ursachen oder Möglichkeiten, dem entgegenzuwirken?
Das ist ein Megatrend schon seit Jahren, und die Entwicklung ist relativ unabhängig vom Kurs der Kirche. Die Lockerung der religiösen Bindung läuft mit einer fast nicht aufzuhaltenden Kontinuität, die Zahl der Gottesdienstbesucher geht seit nahezu 100 Jahren zurück. Wobei es schon Unterschiede zwischen Stadt und Land gibt. In den 60er Jahren hat man auf verschiedenen Ebenen gesehen, dass es nicht möglich war, einfach an die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg anzuknüpfen. Die 68er haben das ganz deutlich gemacht. Und auch das Zweite Vatikanische Konzil Anfang der 60er Jahre war schon eine Reaktion auf die Veränderungen. Man darf aber auch nicht so naiv sein zu glauben, dass man durch kurzfristige Kurskorrekturen einen Megatrend aufhalten könnte. Mir ist es wichtig, die Blickrichtung auf die Botschaft Jesu zu richten und auf die Kraft des Evangeliums zu setzen – und damit auch nach draußen zu gehen.
Kein Leben ist mehr oder weniger wert
Gerade junge Leute kehren der Kirche vermehrt den Rücken, sind aber oft auch auf der Sinnsuche bis hin zur extremistischen Radikalisierung. Haben die christlichen Kirchen ihnen nichts mehr zu geben?
Radikal zu sein, gehört zur Jugend dazu. Man wagt Dinge, die man später nicht mehr wagen würde. Aber da steckt auch immer etwas drin, was missbraucht werden kann. Das haben die Nazis schon getan und andere totalitäre Regime. Glaube und Religion gelten heute als völlig uncool, man muss erst einmal zu den jungen Leuten durchdringen. Aber ich habe es immer erlebt, dass sich Gruppen junger Leute zusammenfanden, wenn es galt, zum Beispiel Gottesdienste zu organisieren oder sich zu engagieren. Wir dürfen dem Trend nicht erliegen und aufgeben. Es gibt auch junge Leute, die nach Glauben suchen – und denen es wichtig ist, dass die Kirche nicht nach vorgestern riecht.
In Herne wird Ökumene gelebt. Wie stehen Sie dazu?
Unser Glaube ist einer. Der Unterschied besteht eher darin, wie wir ihn leben. Zur Ökumene vor Ort kann ich noch nicht viel sagen: In der kurzen Zeit bin ich über ein gemeinsames Frühstück noch nicht hinausgekommen.
In diesem Jahr sind sowohl Landtags- und als auch Bundestagswahlen. Wenn Sie dazu Wahlprüfsteine aufstellen sollten, welcher wäre Ihnen der wichtigste?
Die Würde jedes Lebens ist unantastbar. Das reicht vom nicht geborenen Leben bis zum Sterben und über alle Nationalitäten. Es gibt kein Leben, das mehr oder weniger wert ist.
Und welches wäre für Sie der wichtigste Prüfstein für die katholische Kirche?
Bei allem was wir tun zu fragen: Glauben wir noch an unsere eigene Botschaft?
>> VIER FRAGEN AN PFARRER GEORG BIRWER
Was tun Sie, wenn Sie nicht im Dienst sind?
Musik spielt eine Rolle in meinem Leben, ich singe sehr gerne und spiele auch etwas Klavier. Außerdem lese ich viel, wenn ich Zeit habe, auch dicke Romane. Wichtig ist es mir auch, den Kontakt zu Freunden zu halten, mit ihnen zu frühstücken, zu wandern, Doppelkopp zu spielen.
Ihr liebster Wochentag?
Der Freitagnachmittag, wenn die Geschäfte so langsam enden und die Zeit beginnt, die anders ist; freitagabends stehen dann häufig schöne Termine an. Aber ich empfinde auch den Sonntag nicht als Last, ich freue mich auch auf die Predigt.
Schalke oder BVB?
Meine Eltern stammen vom Borsigplatz, ich selbst bin in Dortmund-Nord aufgewachsen. Das bringt schon eine gewisse Verbundenheit mit sich. Ich bin aber jetzt nicht der große Fan, der mit schwarz-gelbem Schal auf den Platz geht. Das macht mein Schwager. Aber es interessiert mich schon immer, wie der BVB gespielt hat.
Ostereier oder Schokoladennikoläuse?
Alles zu seiner Zeit.
>> ZUR PERSON
Georg Birwer wurde 1959 in Dortmund geboren, besuchte zunächst die Realschule und wechselte nach der 10. Klasse in die gymnasiale Oberstufe. 1978 legte er sein Abitur ab.
Kurz zuvor entschied er sich, Theologie zu studieren. Sein Studium machte er in Paderborn und Fribourg/Schweiz. In Heidelberg durchlief der eine Ausbildung zum klinischen Seelsorger.
1985 wurde er in Paderborn zum Priester geweiht, war danach Vikar in Kamen und Hamm. 1996 kam er als Pfarrer nach Unna, im Jahr 2000 übernahm er die Pfarrei St. Katharina und leitete den Pfarrverbund. Von 1990 bis 1996 war er außerdem Diözesanjugendpfarrer des Erzbistums Paderborn.
Seit dem 1. März ist Georg Birwer in Herne Pfarrer von St. Dionysius.