herne. . Im Gespräch mit Pottporus-Chef Zekai Fenerci (45) über den Alten Wartesaal im Herner Bahnhof, den Tanz in Bochum und ein baufälliges Domizil.
Tanz, Bochum, tanz“ heißt das Festival, mit dem das Bochumer Schauspielhaus und die in Herne gegründete Kompagnie Renegade momentan ihre siebenjährige Verbindung feiern. Mit Pottporus-Chef Zekai Fenerci (45) sprach WAZ-Redakteurin Ute Eickenbusch über Tanz, Graffiti und ein Domizil für den Verein.
Seit 2015 nutzt Renegade neben dem Schauspielhaus die Zeche 1 in Bochum als Spiel- und Produktionsstätte. Hat sich das „Zentrum für urbane Kunst“ etabliert?
Fenerci: In der Wahrnehmung des Publikums schon, aber wir bekommen keine spezifische Förderung für den Tanz. Die Zeche 1 ist für uns mietfrei, das ist alles. Als Kollektiv sind wir aber immer angewiesen auf Fördergelder, sonst gibt es keine Produktionen. Das sollte der Kulturpolitik in Bochum klar sein, wenn die Tanzästhetik weiter wachsen soll, die wir nach Bochum gebracht haben. Das muss in Richtung „Ensemble“ gehen: das erste urbane zeitgenössische Tanzensemble, das von der Zeche 1 aus auf Tournee in die Welt reist. Wir werden sehr oft zitiert, in „Tanz Land NRW“ oder anderen Publikationen, aber wir brauchen auch eine Förderung, so dass wir Tänzer einstellen können und nicht jedes Jahr neue suchen müssen. Das ist eine mühsame und anstrengende Angelegenheit.
Warum hat sich Renegade mit dem Tanz nicht in Herne etablieren können?
Als ich mit Renegade angefangen habe, gab es kein urbanes zeitgenössisches Tanzkollektiv in Herne. Man hat die Entwicklung nicht gesehen und ist vielleicht nicht mutig genug gewesen. Ich bin Wanne-Eickeler, und mir gefällt es hier. Aber es ist merkwürdig, wie sich hier die Kulturpolitik schwer tut, was die Zusammenarbeit mit dem Renegade Kollektiv angeht. Aber es ist natürlich nie zu spät!
Mit dem Alten Wartesaal im Herner Bahnhof, der am 6. Mai eröffnet wird, entwickeln sich zumindest für den Verein Pottporus in Herne neue Perspektiven...
Die ersten Überlegungen zum Wartesaal haben wir 2010 angestellt. Es geht um eine überregional bedeutende Kunst, die eine Heimat braucht, mitten im Ruhrgebiet: Graffiti. Der demografische Wandel bringt eine andere urbane Ästhetik mit sich. Das ist eine Kunstsparte, die eine provokante und junge Sprache spricht. In diesem Zusammenhang muss ich das Herner Kulturamt erwähnen, das sich immer wieder darauf einlässt, waghalsige Wege mit uns zu gehen.
Was wird denn im Wartesaal passieren?
Robert Kaltenhäuser, ein Graffiti-Künstler und Kurator, wird im Auftrag von Pottporus die erste Ausstellung kuratieren. Ziel ist es, in den nächsten drei bis vier Jahren dort eine Art Museum für moderne Kunst zu etablieren, mit einer Dauerausstellung. Künstler, die dort arbeiten, könnten am Ende der Sammlung ein neues Werk überlassen. Wir wollen ein urbanes Museum ins Leben rufen, zusammen mit dem Kulturamt und dem Emschertalmuseum, dem der Raum zugeordnet ist.
Gibt es dafür zusätzliche Mittel, zusätzlich zu den 40 000 Euro, die Sie momentan jedes Jahr von der Stadt Herne bekommen?
Wir sind im Moment dabei zu überlegen, ob die institutionelle Förderung aufgestockt werden kann. Wir möchten eine Route entwickeln, eine „Street Art Route“. Hochkarätige Künstler könnten entlang dieser Route städtische oder private Gebäude oder Innenhöfe bemalen. Das könnte sogar über die Ruhrtouristik vermarktet werden, und Herne ist das Herz! Ich war mal in New York, da gab es eine HipHop-Route. Und wir müssen uns mit keinem anderen Museum messen, weil es nichts Derartiges gibt. Wir wollen die Lücke füllen zwischen Street Art und Kunst. Wie wir im KHaus gesehen haben, gibt es ja international namhafte Akteure, die hochkarätige Kunst machen.
Apropos KHaus: Was macht das geplante Kreativquartier in Wanne, nachdem die KHaus-Pläne Ende 2015 geplatzt sind?
Ich habe das für mich erst mal gestoppt, die Niederlage war sehr schwer zu schlucken, aber die Verantwortung tragen andere. Die Frage müsste eher die Herner Wirtschaftsförderungsgesellschaft beantworten.
Sie wollten mit Pottporus in das KHaus ziehen und sind jetzt an der Dorstener Straße geblieben.
Das Pottporus-Haus entspricht baulich und energietechnisch nicht den heutigen Standards. Damals hat das Gebäudemanagement mitgeteilt, dass keine Instandhaltung in Planung ist. Wenn weiter Jugendliche Workshops und Kurse genießen sollen, müssen sie aber etwas tun. Im Winter heizen wir uns dumm und dämlich, die Nachzahlung muss ich aus der institutionellen Förderung zahlen, zusätzlich zum monatlichen Betriebskostenzuschuss. Wie sollen wir da Kulturarbeit machen?
Ist eine Lösung in Sicht?
Es hat ein Gespräch mit dem SPD-Fraktionschef Udo Sobieski stattgefunden, auch noch mal über die Situation des KHaus und vor allem über den Zustand des Pottporus-Gebäudes. Ich hoffe, dass die Politik entsprechenden Druck entwickelt. Irgendwann ist das nicht mehr zumutbar. Wir haben ja auch internationale Gäste und repräsentieren die Stadt. Wenn es irgendwann nicht mehr geht, schließen wir und geben den Schlüssel ab.
>>> MEHR ZUM FESTIVAL
Das Festival „Tanz, Bochum, tanz“ geht bis zum 13. April.
Auf dem Programm steht heute um 19.30 Uhr in den Kammerspielen Susanne Linkes „Ruhr-Ort“ mit Renegade, am Sonntag (9. April) „The Man“ in der Zeche 1 mit Jan Möllmer und Tsai-Wei Tien.
Der Film „Pottporus / Renegade Chronik“ läuft am Mittwoch, 12. April, 18 Uhr in der Eve Bar am Schauspielhaus. In den Kammerspielen ist am 12. und 13. um 19.30 Uhr Renegades „Einer flog übers Kuckucksnest“ zu sehen.
Karten: 0234 33335555. Mehr auf www.schauspielhausbochum.de/tanz-bochum-tanz