Herne. . 30 Anwohner der Emscherstraße tauschten sich mit der Stadt aus. Fazit: Es gibt Missstände, aber dramatisch ist die Situation offenbar nicht.

  • Stadt sprach auf „Bürgerforum“ mit rund 30 Bewohnern der Hochhaussiedlung Emscherstraße
  • Bürger klagten über viele Missstände, aber von Gewalt, Straftaten und Aggressionen war kaum die Rede
  • Verwaltung wirft Vermieter Versäumnisse vor und regt Gründung eines Runden Tisches für Bewohner an

Nach einer Massenschlägerei, der Vertreibung einer Bewohnergruppe, Anfragen zu einem „Arbeiterstrich“ und Beschwerden über Gewalt und Aggressionen im Wanner Hochhausblock Emscherstraße ist die Stadt am Donnerstag erstmals auf Bewohner zugegangen. „Es wird sehr viel über die Menschen hier gesprochen, aber nicht mit ihnen“, sagte Sozialdezernent Johannes Chudziak zu Beginn des ersten „Bürgerforums“ der Stadt vor rund 30 Bewohnern im Vereinsheim von Firtinaspor.

75 Minuten später blieb festzustellen: Der (späte) Einstieg in diesen Dialog ist der Stadt gelungen. Und: Es gab viele Beschwerden über Missstände, aber das in der öffentlichen Debatte entstandene Bild der Siedlung musste ein Stück weit relativiert werden. In den Fokus rückten dagegen Versäumnisse des Vermieters Altro Mondo (Hannover); die Wohnungsgesellschaft war der Einladung zum Bürgerforum nicht gefolgt.

Das Format

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Nach einer kurzen Begrüßung konnten die Bewohner an den drei Themeninseln „Sicherheit und Ordnung“, „Wohnen und Umfeld“ und „Soziales und Familie“ ihrem Herzen Luft machen - durch Zettel an Pinnwänden oder im Gespräch. Für den persönlichen Austausch hatte die Stadt ein gutes Dutzend Ansprechpartner aufgeboten. Mehrere Fachbereiche der Verwaltung waren ebenso präsent wie Vertreter von Entsorgung Herne und Polizei sowie von Liha, der Beratungsstelle für Menschen aus Südosteuropa. Dazu kamen als Gäste Bezirksbürgermeister Ulrich Koch, Sozialausschussvorsitzender Volker Bleck sowie zahlreiche Stadt- und Bezirksverordnete.

Die Reaktionen

Vor allem bei den Themen „Sicherheit und Ordnung“ sowie „Wohnen und Umfeld“ sahen Anwohner Handlungsbedarf. Beschwerden wie „Vermieter kümmert sich nicht“, „Umfeld vermüllt“, „abgemeldete Fahrzeuge“, „Drogenproblematik - Spritzen im Hof“ und „Lärmbelästigung durch neue Bewohner“ wurden laut bzw. notiert. Doch auch dieses Bekenntnis heftete an der Pinnwand: „Ich lebe gerne hier“.

Die Polizei

Die Polizei wies erneut zurück, dass es sich beim Block Emscher-straße um einen Kriminalitätsschwerpunkt handelt. „Für uns gibt es in diesem Bereich weniger zu tun als im restlichen Stadtgebiet von Herne“, sagte Frank Nows, Leiter der Polizeiinspektion Herne. Im Gespräch mit der WAZ erklärten mehrere Bewohner, dass Aggressionen und Pöbeleien zugenommen hätten. Zwei Frauen, die aus Angst vor negativen Folgen ihre Namen nicht nennen wollten, erklärten, dass sie bei Dunkelheit schon lange nicht mehr allein durch die Siedlung gingen. „Ich würde mir wünschen, dass die Polizei häufiger vor Ort ist“, sagte eine Frau, die seit 26 Jahren in dem Hochhausblock lebt. Konkrete Straftaten oder Bedrohungen kamen nicht zur Sprache.

Der Hausmeister

Seit 2007 war Reiner Baumer als Hausmeister in der Siedlung fester Ansprechpartner für Bewohner. Die Hinweise der CDU, dass Gewalt an der Tagesordnung sei und das Faustrecht regiere, könne er nicht bestätigen, sagte er zur WAZ. Es handele sich nicht um ein Ghetto. Die Eskalation im März 2016 sei eine absolute Ausnahme gewesen. In den vergangenen zehn Jahren habe sich die Siedlung gut entwickelt. Natürlich gebe es immer mal wieder Probleme, insbesondere mit jungen Bewohnern. Durch „klare Ansprache“ hätten sich diese aber in der Regel lösen lassen. Vor wenigen Wochen ist Baumer als Hausmeister entlassen worden. „Seitdem hat sich die Situation verschlechtert“, sagten Bewohner und auch Sozialdezernent Chudziak am Rande des Bürgerforums.

Der „Arbeiterstrich“

Gibt es an der Emscherstraße einen „Arbeiterstrich“? Zu dieser jüngst von der CDU aufgeworfenen Frage äußerte sich Maik Mühlisch von der B + M Vertriebs- und Vertretungsgesellschaft. Im Auftrag von großen Schlachtbetrieben miete er in dem Hochhausblock Wohnungen für legal beschäftigte rumänische Arbeiter an, so Mühlisch im Gespräch mit der WAZ. Rund 140 Rumänen lebten zurzeit an der Emscherstraße in solchen Wohnungen. Bereits vor dem Bürgerforum hatte das Hauptzollamt Dortmund auf Anfrage erklärt, dass keine Hinweise auf einen „Arbeiterstrich“ vorlägen.

Das Fazit

„Es hat sich gelohnt“, sagte Sozialdezernent Johannes Chudziak. Vor allem auf Seiten des Vermieters liege vieles im Argen. Die Stadt könne hier nur bedingt helfen, werde aber alles in ihrer Macht Stehende unternehmen. In letzer Konsequenz müssten Bewohner juristisch gegen den Vermieter vorgehen. Der Kommunale Ordnungsdienst und Entsorgung Herne versprachen, konkreten Hinweisen in Sachen Sauberkeit und Ordnung – Ratten, zu wenig Mülltonnen etc. – nachzugehen. Fortsetzung folgt? Die Stadt kündigte an, bei Bedarf einen Runden Tisch einzurichten. Dafür konnten sich Bewohner schon am Donnerstag anmelden Eine Bürgerin sagte nach dem Bürgerforum: „Eine solche Veranslaltung hätte schon viel eher stattfinden müssen.“