Weitblickend, visionär, vorausschauend planend: Nicht allzu oft entsprechen Kommunalpolitiker diesem ambitionierten Anforderungsprofil. Der Stadtspitze um den damaligen Oberbürgermeister Curt Heinrich Täger indes müsste man heute eigentlich nachträglich ein paar Kränze flechten. Denn vor 90 Jahren (ein Jahr vor der Eingemeindung Sodingens) kaufte die Stadt Herne vom Grafen Eugen Franz von und zu Westerholt genau 103 Hektar Land (davon 52 Hektar Wald) an. Heute besser bekannt als: Gysenberg.

Weitblickend, visionär, vorausschauend planend: Nicht allzu oft entsprechen Kommunalpolitiker diesem ambitionierten Anforderungsprofil. Der Stadtspitze um den damaligen Oberbürgermeister Curt Heinrich Täger indes müsste man heute eigentlich nachträglich ein paar Kränze flechten. Denn vor 90 Jahren (ein Jahr vor der Eingemeindung Sodingens) kaufte die Stadt Herne vom Grafen Eugen Franz von und zu Westerholt genau 103 Hektar Land (davon 52 Hektar Wald) an. Heute besser bekannt als: Gysenberg.

Die Bewohnerzahl explodierte

Herne war in dieser Zeit das, was man später „Boomtown“ nannte. Der florierende Bergbau hatte dafür gesorgt, dass die Bewohnerzahl Anfang des 20. Jahrhunderts geradezu explodierte: Aus knapp 2000 Einwohnern anno 1858 waren 1920 bereits mehr als 65 000 geworden. Es gab haufenweise Arbeitsplätze, aber zwischen Industrieanlagen und Wohnbebauung fand die Natur kaum noch Platz.

Sonnenklar, dass sich die Bevölkerung zwischen Fördertürmen, Ruß und rauchenden Schloten nach einem Stückchen Grün für Lunge und Seele sehnte. Der Ankauf des Gysenbergs war vor diesem Hintergrund nichts anderes als ein sehr frühes Beispiel ökologischer Stadtplanung.

Manche Rate kam verspätet

Die Sache hatte es allerdings in sich. Die Einzelheiten beschreibt Wolfgang Stengel in der städtischen Broschüre „Herne – unsere Stadt“ vom Dezember 1967 (einzusehen beim Stadtarchiv und auf der Internetseite des Geschichtsvereins „Hün un Perdün“, wiki.huen-un-perduen.de).

1,75 Millionen Reichsmark wechselten den Besitzer. Ein hübsches Sümmchen in jenen Tagen. Vereinbart wurden fünf vierteljährliche Raten in Höhe von 350 000 Reichsmark. Das Ganze sicherte der Graf mit einer Eintragung im Grundbuch ab. Und tatsächlich geriet die schon damals klamme Kommune in Verzug.

Doch die damaligen Stadtväter waren nicht auf den Kopf gefallen. Eilig wurden Wege (insgesamt 6170 Meter) angelegt, 100 Bänke aufgestellt und das gesamte Areal zur öffentlichen Nutzung freigegeben. Selbst bei einer Rückgabe des Grundstücks wäre diese Umwidmung nicht mehr antastbar gewesen. Am Ende schaffte es die Stadt Herne übrigens doch noch, den Betrag abzustottern. „Der Graf kam zu seinem Geld“, schreibt Stengel lakonisch, „wenn er auch einmal auf eine Rate warten musste“.

Es dauerte 40 Jahre, bis aus dem Gysenbergwald ein wegweisendes Projekt wurde: der erste Revierpark im Ruhrgebiet. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten viele Revierstädte – Herne inklusive – systematisch geeignete Flächen gekauft und zu Grünzügen ausgebaut. Begriffe wie „Wohnwert“ und „Freizeitwert“ machten die Runde.

In dieser Hinsicht war der Gysenberg gar nicht so schlecht aufgestellt: Er verfügte über einen Bootsteich, den gut erschlossenen Wald und sogar einen Tierpark (auch wenn man sich aus heutiger Sicht über die damals beliebte Haltung von exotischen Tieren in engen Käfigen streiten mag).

Der erste seiner Art

Diese Vorleistung der Stadt Herne würdigte auch der Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk (Vorläufer des heutigen Regionalverbandes Ruhr). Dessen Idee: Freizeitzentren und Parks sollten die landschaftliche Struktur verbessern und so die Attraktivität der Region steigern.

Vor ziemlich genau 50 Jahren, Anfang 1967, legte der Siedlungsverband seine Pläne vor. Herne erhielt einen satten Zuschuss: 90 Prozent aus Landesgeldern zur geschätzten Kostensumme von acht Millionen DM für den Revierpark Gysenberg, den ersten von fünf seiner Art in der Region.

Morbider Charme

Bereits 1968 begannen die Bauarbeiten. Und am 4. Juni 1970 wurde der Park unter riesiger Anteilnahme der Bevölkerung eingeweiht – bereits samt Wellenbad, Kindereisenbahn (Vorläufer der heutigen „Jolante“) und Freizeithaus. 1972 folgten dann das Activarium und die Eishalle.

Bis heute ist der Revierpark (und das nicht nur wegen des 2014/2015 umgebauten Lago) der Freizeitmagnet in Herne schlechthin. Selbst wenn einiges, was damals frisch und modern wirkte, mittlerweile eher den morbiden Charme der Siebziger Jahre atmet. Ja, Spielplätze sind veraltet, Hütten und Bänke kaputt, der Trimm-dich-Parcours vergammelt. Doch trotz aller Mängel nutzen Tausende, vor allem Familien mit Kindern, noch immer das Areal, das eine erschwingliche Alternative zu den immer kostspieligeren Freizeitparks darstellt. Der Gysenberg: Gäbe es ihn nicht, man müsste ihn erfinden.

Auf dem Weg in die Zukunft

Aber wie geht es denn nun eigentlich weiter mit Hernes grüner Lunge? Bis auf Weiteres werden der Regionalverband Ruhrgebiet (RVR) und die Stadt den Park weiter zu gleichen Teilen finanzieren. Ob das so bleibt, ist offen: Noch immer steht eine Kündigung des RVR im Raum.

Hintergrund: Die Revierparks schreiben seit Jahren rote Zahlen (2015 lag der Fehlbetrag allein für den Gysenberg bei 1,38 Millionen Euro). Um Kosten zu sparen, hatte die RVR-Verbandsversammlung Anfang Juli 2016 die Gründung einer Dachgesellschaft beschlossen. Die Revierparks Vonderort (Oberhausen/Bottrop), Nienhausen (Gelsenkirchen /Essen), Mattlerbusch (Duisburg) sowie das Freizeitzentrum Kemnade machen mit. Dortmund (Wischlingen) und Herne, die ihre Parks möglichst eigenständig gestalten wollen, bleiben jedoch zunächst außen vor.

Umfassende Renovierung

Dessen ungeachtet plant der Regionalverband unter dem Etikett „Revierparks 2020“ eine gründliche Renovierung sämtlicher Parks, inklusive Gysenberg. Dafür wird noch gemeinsam mit den beteiligten Städten um Fördermittel geworben. Der Bau soll bereits im nächsten Jahr beginnen.

Bis 2020 ist dann die Einrichtung von modernen Spiel- und Sportanlagen geplant. Attraktive Grünanlagen, multifunktionale Treffpunkte, schicke Spielplätze und – eventuell – ein Waldkindergarten sollen dem Revierpark dann zu neuem, altem Glanz verhelfen – einmal Zukunft und zurück.